Zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma sollen einen Überfall auf ihren Geldtransporter an der A5 bei Weingarten vorgetäuscht haben. Die 30 und 39 Jahre alten Männer müssen sich nun vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten. So gerieten sie in Verdacht:
Es war ein Fall, der im Raum Karlsruhe im vergangenen Sommer für Aufsehen gesorgt hat. Zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma fahren mit einem Geldtransporter von einem Supermarkt auf die A5 Richtung Karlsruhe.
Auf der Höhe Weingarten lotst sie eine silberne E-Klasse-Limousine mit „Polizei“-Schriftzug am Heck auf eine Behelfsausfahrt. Doch eine Kontrolle gibt es dort nicht, zwei Männer in Uniform bedrohen Fahrer und Beifahrer des Transporters mit Schusswaffen und entwenden Geld und Gold. Es dauert vier Wochen, bis die Ermittler herausfinden: Diese Version der Mitarbeiter ist eine Erfindung, mehr noch – sie sind selbst verdächtig.
Tatwert: 824.534 Euro und 80 Cent
Von diesem Dienstag an müssen sich der 30- und der 39-Jährige vor dem Landgericht Karlsruhe wegen Diebstahls mit Waffen und Vortäuschens einer Straftat verantworten. Lange hatte keine Klarheit über die genaue Summe geherrscht. 824.534 Euro und 80 Cent waren es laut Staatsanwaltschaft.
Ab diesem Dienstag sind drei Verhandlungstage angesetzt. Doch können diese angesichts der Bedenken um eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus wie geplant stattfinden? Am Berliner Landgericht etwa wurden Strafverfahren bis nach den Osterferien verschoben. Verfahren mit Beschuldigten in U-Haft sollen aber weiter verhandelt werden.
Haftsachen finden wie geplant statt
Das ist auch aus Sicht des Karlsruher Landgerichts der Knackpunkt, wie Sprecherin Carolin Kley erklärt: „Die Betroffenen in Untersuchungshaft können nicht ewig warten.“ Haftsachen seien eilig. „Sie finden wie geplant statt – Stand jetzt.“ Das Landgericht Karlsruhe richte sich aber nach den Anweisungen des Justizministeriums, die sich jederzeit ändern können.
Neue Entwicklungen in der Coronakrise betreffen auch die Fälle am Landgericht. „Natürlich ist das bei uns ein Thema“, sagt Kley. Die beiden Beschuldigten in diesem Fall sind seit ihrer Festnahme Ende August 2019 ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Dass sie als Täter ins Blickfeld rücken könnten, war lange nicht klar. Kurz nach dem Vorfall an der A5 erklärte die Polizei noch, Angaben über eine eventuelle Verbindung zwischen den „falschen“ Beamten und den Sicherheitsmitarbeitern gebe es nicht.
Schon 2018 gab es einen Überfall
Die Sicherheitsfirma, es handelt sich um Prosegur, setzte für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat und zur Ermittlung der Täter führen, eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro aus. Es gab darauf zahlreiche Zeugenhinweise, zielführend waren diese allerdings nicht. Das Unternehmen ist in Deutschland Marktführer – und auch global einer der größten Sicherheitsdienstleister.
Vor zwei Jahren musste Prosegur einen Überfall aus den eigenen Reihen erleiden. Ein Fahrer erbeutete mit einem Komplizen in der Nähe von Hamburg insgesamt 2,3 Millionen Euro.
Dadurch entstand ein Anfangsverdacht gegen den Fahrer.Matthias Hörster, Staatsanwalt
Der Verdacht, auch bei dem Fall bei Weingarten könnte es sich um eine Tat aus den eigenen Reihen handeln, kam durch den Verstoß der beiden Mitarbeiter gegen interne Sicherheitsvorschriften bei der scheinbaren Polizeikontrolle. Staatsanwalt Matthias Hörster hatte erklärt: „Dadurch entstand ein Anfangsverdacht gegen den Fahrer.“ Ermittlungen hätten den Verdacht erhärtet.
Bei Durchsuchungen fanden die Beamten bei den Verdächtigen neu angeschaffte hochwertige Gegenstände wie E-Bikes, Schmuck, Uhren und Fernseher. Ein Großteil der Beute – sowohl Bargeld als auch Gold – wurde demnach sichergestellt. Einer der Fahrer gab zu, den Überfall vorgetäuscht zu haben. Zugleich belastete er laut Staatsanwaltschaft seinen Beifahrer.
Der Fall trifft den Nerv einer Branche
Die Verhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 4 KLs 670 Js 29424/20) soll nun Klarheit in den Fall bringen, der so lange ganz unklar war.
Er trifft auch den Nerv einer Branche, die ganz besondere Vorkehrungen trifft. Routen der Geldtransporter sind geheim, auch über die Sicherheitsbestimmungen für Mitarbeiter und Transporter sprechen die Verantwortlichen nicht gerne. Prosegur wollte sich zu dem Überfall auch nicht äußern – „aus Sicherheitsgründen“, wie es hieß. Wie genau die Mitarbeiter sich und ihre Transporter schützen, ist in der Branche ein Geheimnis.
Weitere Verhandlungstage vorerst angesetzt
2018 gab es nach der polizeilichen Kriminalstatistik sieben Raubüberfälle auf Spezialgeldtransporte in Deutschland. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste werden in Deutschland täglich in 2.500 Spezialgeldtransportfahrzeugen drei Milliarden Euro transportiert.
Vor dem Landgericht Karlsruhe wird nun zu klären sein, welche Rolle der Fahrer und der Beifahrer spielten. Weitere Verhandlungstage nach diesem Dienstag sind für den 31. März und den 6. April angesetzt. Änderungen sind auch wegen der Corona-Krise bis dahin nicht ausgeschlossen.