Skip to main content

Viele Aufträge brechen weg

Kein Boom für private Sicherheitsdienste in der Corona-Krise

Sie bewachen Supermärkte, Krankenhäuser oder Corona-Teststationen: Private Sicherheitsdienste haben derzeit alle Hände voll zu tun. Einen Boom, wie zuletzt während der Flüchtlingskrise, gibt es in der Branche trotzdem nicht. Das hat gleich mehrere Gründe.

Neue Aufgaben, neue Probleme: Wegen der Corona-Krise und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen sind den privaten Sicherheitsfirmen bundesweit viele Dienstleistungen weggebrochen. Nun helfen einige bei Einlasskontrollen.
Neue Aufgaben, neue Probleme: Wegen der Corona-Krise und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen sind den privaten Sicherheitsfirmen bundesweit viele Dienstleistungen weggebrochen. Nun helfen einige bei Einlasskontrollen. Foto: dpa

Viele Einsatzbereiche der Sicherheitsdienste sind durch die Ausgangsbeschränkungen weggebrochen, wie eine BNN-Umfrage unter Firmen aus der Region ergibt. Doch selbst wenn Unternehmen in der aktuelle Situation dringend neue Mitarbeiter bräuchten, hätten sie laut Bundesverband der Sicherheitswirtschaft gar keine Chance, neue Arbeitskräfte anzulernen.

Rückgänge sollen durch andere Dienstleistungen ausgeglichen werden

Bei der Big-Bechtold-Gruppe in Karlsruhe denkt man nun um. „Bei den Geldtransporten spüren wir einen deutlichen Rückgang, da viele Läden sowie Restaurants, Kinos und Schwimmbäder geschlossen haben“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Daniela Bechtold-Schwabe. „Wir versuchen, diese Rückgänge durch andere Dienstleistungen auszugleichen, die wir speziell für die Corona-Krise entwickelt haben.“

Big-Mitarbeiter übernehmen jetzt unter anderem Fiebermessungen an den Werkstoren von produzierenden Unternehmen und an Baustellen, kontrollieren die Kundenströme im Eingangsbereich von Supermärkten und unterstützen kommunale Ordnungsbehörden dabei, die Versammlungsverbote im öffentlichen Raum durchzusetzen.

Sicherheitsmitarbeitern sind Grenzen gesetzt

Grundsätzlich sind die Befugnisse von Sicherheitsmitarbeitern streng festgelegt. „Der private Sicherheitsdienst darf nur Rechte ausüben, die jeder hat“, heißt es aus dem Stuttgarter Innenministerium. Dazu zählten Notwehr und Nothilfe. „Zudem darf der Sicherheitsdienst – bis die Polizei eintrifft – jemanden festhalten, der auf frischer Tat bei einer Straftat erwischt wurde und etwa zu fliehen versucht“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums.

Bei uns nimmt der Boom wieder ab.
Markus Wagner, Chef von Wagner security

Zurück zu den Unternehmen. Markus Wagner beschäftigt in Karlsruhe zehn Mitarbeiter. „Bei uns nimmt der Boom schon wieder ab“, sagt der Chef von Wagner security. Noch vor drei Wochen habe er im Zuge der Corona-Krise etwa fünfmal so viele Anfragen erhalten wie sonst, berichtet Wagner. Das sei nun vorbei.

„Die Situation im Einzelhandel hat sich beruhigt. Daher verzichten viele Händler wieder auf einen Sicherheitsdienst.“ Zu Beginn der Corona-Pandemie habe er mit einem ähnlichen Ansturm auf Sicherheitskräfte wie zu Zeiten der Flüchtlingskrise gerechnet. Mittlerweile sei dieses Gefühl verflogen.

Skandale erschütterten die Branche während der Flüchtlingskrise

In Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise hatte die Branche in Deutschland einige Skandale zu verdauen. Neben Berichten zu Übergriffen in Heimen wurden auch Probleme mit Rechtsradikalen in den Reihen der Bewerber publik. „Während der Flüchtlingskrise 2015 war die gesamte Branche überfordert“, sagt Wagner rückblickend. „Der Bedarf war enorm.“

Das hätte einige dazu verführt, selbst eine kleine Sicherheitsfirma zu gründen. „Andere haben einfach irgendwelche Leute eingestellt.“ Diese Firmen existierten mittlerweile aber nicht mehr. Und: Ende 2016 waren bereits schärfere Regeln für das Bewachungsgewerbe in Kraft getreten.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Ähnlich wie Wagner äußert sich der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Grundsätzlich könne man die Situation von damals aber nicht mit der jetzigen vergleichen, sagt Verbandssprecherin Silke Zöller. Wegen der hohen Auftragslage seien während der Flüchtlingskrise schnell auch Leute in die Branche gekommen, die keine Erfahrung gehabt hätten. „Die haben dann den Nächstbesten zur Unterrichtung geschickt.“

Im Zuge der Corona-Krise werde nun das aus einem Auftrag frei werdende Personal an anderer Stelle eingesetzt. „Zudem kann die Industrie- und Handelskammer derzeit keinen Unterricht beziehungsweise eine Abnahme von Prüfungen anbieten.“ Daher könnten Sicherheitsfirmen auch kein neues Personal anlernen.

Mitarbeiter müssen eine bestandene Prüfung vorweisen können

Die Voraussetzungen für Mitarbeiter sind laut Wagner bundesweit gleich. Generell, erklärt er, müsse man eine bestandene Sachkundeprüfung für Sicherheitsdienstleistungen vorweisen können, um etwa als Kaufhausdetektiv oder Objektschützer eingesetzt zu werden. Die Prüfung bestehe aus einem Theorie- und einem mündlichen Teil und werde von der Industrie- und Handelskammer (IHK) abgenommen. „Anschließend werden die Daten des Bewerbers ans Ordnungsamt geschickt, wo auch das große Führungszeugnis überprüft und auch beim Verfassungsschutz angefragt wird.“

Noch vor ein paar Jahren sei das relativ schnell gegangen, berichtet Wagner. „In vier Wochen war alles durch.“ Durch das neu eingeführte Bewacherregister dauere es jetzt aber deutlich länger. Bei einigen Mitarbeitern, die Wagner nachträglich ins Register einpflegen musste, warte er auch nach einem Jahr noch auf eine Rückmeldung. Er vermutet technische Probleme als Ursache.

Viele Aufträge brechen wegen Coronavirus weg

Szenenwechsel: Auch beim Unternehmen Securitas, das unter anderem eine Niederlassung in Karlsruhe betreibt, überwiegen derzeit die Auftragsausfälle. Wegen der Corona-Krise und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen seien bundesweit viele Dienstleistungen weggebrochen, berichtet Sprecher Bernd Weiler. „Museen bleiben zu, Events und Fußballspiele wurden abgesagt – das spüren wir deutlich.“

Davon betroffen sei auch das Personal, das sonst bei Handgepäck- und Passagierkontrollen an Flughäfen – etwa in Stuttgart – mithilft. „Wir haben unter anderem zwar von Banken, Kliniken oder vom Lebensmittelhandel neue Aufträge bekommen“, sagt Weiler. Unter dem Strich könne das die Ausfälle derzeit nicht ausgleichen.

Qualität ist jetzt stärker gefragt.
Bernd Geromiller, Bereichsleiter der Niederlassung Pforzheim für die LWS Security Group

Die LWS Security Group, die auch einen Stützpunkt in Pforzheim hat, verzeichnet nun vor allem in Bayern einen Zuwachs. Aber auch in Baden-Württemberg bleibe die Auftragslage – trotz ausgefallener Veranstaltungen – konstant, bilanziert Bernd Geromiller. „Wir leiden nicht unter Arbeitsmangel“, macht der Bereichsleiter der Niederlassung Pforzheim deutlich.

Seit der Flüchtlingskrise und den Vorfällen mit Sicherheitsmitarbeitern habe er einen Wandel innerhalb der Branche registriert. „Qualität ist jetzt stärker gefragt“, meint Geromiller. Zudem kontrollierten auch die Behörden verstärkt die Einhaltung der Vorschriften.

nach oben Zurück zum Seitenanfang