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Siebte Ausgabe

Was die Besucher zum Start des Atoll-Festivals in Karlsruhe erwartet

Zum Auftakt des Atoll-Festivals für zeitgenössischen Zirkus gibt es am Donnerstag und Freitag Artistik mit Holz und Papier.

PR-Foto „Sawdust Symphony“, Szene mit Michael Zandl aus dem Eröffnungsstück zum Atoll-Festival im Tollhaus Karlsruhe am 15.09.2022
Artistik mit Heimwerker-Ambiente: Zum Auftakt des Atoll-Festivals zeigt die „Sawdust Symphony“, was sich mit Werkzeug so alles anstellen lässt. Foto: Jona Harnischmacher

Jonglieren mit Keulen? Immer wieder eindrucksvoll, aber auch üblich. Jonglieren mit Werkzeug wie einem Hammer oder einem Sägeblatt? Das ist schon weitaus ungewöhnlicher. Zu erleben ist es an diesem Donnerstag und Freitag im Karlsruher Kulturzentrum Tollhaus. Die „Sawdust Symphony“ eines deutsch-österreichischen Artistentrios ist eine der beiden internationalen Produktionen, mit denen die siebte Ausgabe des Atoll-Festivals eröffnet wird. Und das gemeinsame Stück von Michael Zandl, David Eisele und Kolja Huneck dürfte auch insgesamt ein ungewöhnliches Erlebnis werden.

Artistentrio bringt Leidenschaft für Werkzeug auf die Bühne

Als die drei Absolventen der Zirkusschule Codarts Circus Arts in Rotterdam dieses Projekt entwickelt haben, ging es ihnen aber nicht darum, um jeden Preis originell zu sein. „Es ist einfach so, dass jeder von uns schon immer gern getüftelt hat“, sagt David Eisele. „Schon bei unseren Soloprojekten haben wir am liebsten alles selber gebaut, vom Bühnenbild bis zu den Requisiten“, erklärt Kolja Huneck. „Mit diesem gemeinsamen Stück bringen wir unsere Leidenschaft fürs Bauen und für den Umgang mit Werkzeugen auf die Bühne.“

Hammer und Nägel hat jeder schon mal in der Hand gehabt.
Michael Zandl, Jongleur

Und so wird in der „Sawdust Symphony“ eifrig gehämmert, gedrechselt und geleimt. Einerseits mit handwerklichem Anspruch, andererseits mit viel Bühnenzauber. „Als Jongleure haben wir das Stück von den Objekten her entwickelt“, sagt Michael Zandl. „Zum einen mit der Frage, was wir mit dem Objekt tun können, zum anderen mit der Frage, was das Objekt von uns will.“ Reizvoll fürs Publikum sei auch, dass diese Objekte durchweg Alltagsgegenstände seien: „Hammer und Nägel hat jeder schon mal in der Hand gehabt – wenn dann jemand auf der Bühne damit jongliert, hat man als Zuschauer einen ganz anderen Bezug dazu.“

Im Neuen Zirkus bekommen Objekte ein Eigenleben

Dieser Ansatz zeichnet laut Tollhaus-Sprecher Johannes Frisch die Arbeitsweise im Neuen Zirkus aus. „Mit Objekten haben Zirkusartisten schon immer gearbeitet, zum Beispiel mit Trapez und Hochseil“, so Frisch. Während die Kunst im traditionellen Zirkus aber darin bestehe, Objekte zu beherrschen und den Umgang damit mühelos erscheinen zu lassen, setze sich der Neue Zirkus erzählerisch mit der Materialität und den Eigenheiten der Objekte auseinander.

Ein Bühnenbild komplett aus Papier

Ein weiteres Beispiel hierfür ist die zweite Produktion zur Festivaleröffnung. Während die „Sawdust Symphony“ im kleinen Tollhaus-Saal aufgeführt wird, zeigt die israelische Artistin Inbal Ben Haim im großen Saal ihre Performance „Pli“, deren Bühnenbild ausschließlich aus Papier besteht. „Die Künstlerin bewegt sich hier von ganz oben nach unten auf verschiedenen Ebenen durch das Bühnenbild und vertraut das Gewicht ihres Körper komplett dem Papier an“, erklärt Frisch das Konzept. Die Aufführung setzt den menschlichen Körper in Bezug zum Werkstoff Papier und führt vor Augen, wie überraschend stabil dieser sein kann – und wie fragil. „Würde das Papier nicht auch mal zerreißen“, so Frisch, „käme sie nie unten an“.

„Pli“ entstand durch eine Zusammenarbeit der Artistin Ben Haim mit zwei bildenden Künstlern, Alexis Mérat und Domitille Martin. „Auch das ist charakteristisch für den Neuen Zirkus: dass man sich Bündnispartner sucht“, sagt Frisch. Oft kämen diese aus dem Tanz. Nicht nur wegen dessen Nähe zur Artistik. „Beide Genres erzählen Geschichten ohne Text, die deshalb international verständlich sind“, so das langjährige Tollhaus-Teammitglied.

Die eigentliche Arbeit steckt im Unterbau der Bühne

International verständlich ist auch die bereits durch Belgien, Frankreich und die Niederlande getourte „Sawdust Symphony“, bei der allerdings sämtliche Elemente der Show von den Artisten selbst angefertigt worden sind. Denn so zirzensisch das handwerkliche Agieren auf der Bühne auch wirkt: Die eigentliche Arbeit steckt in der Konstruktion der Bühne, die das Trio komplett selber entwickelt hat und auch an jedem Gastspielort selber aufbaut.

„Wir haben so viele Details entwickelt, die bei der Show unbedingt funktionieren müssen, dass wir den Aufbau nicht einfach an jemand delegieren können“, erklärt David Eisele. Denn während die drei Artisten auf der Bühne eher einzeln agieren, sind sie unter der Bühne – unsichtbar fürs Publikum – in höchst präzise abgestimmtem Teamwork zugange, um besondere Effekte hervorzuzaubern. „Uns verbindet auch die Begeisterung für Magie auf der Bühne“, sagt Kolja Huneck. „Wobei es in diesem Fall nicht unsere Figuren auf der Bühne sind, die magische Illusionen erzeugen, sondern die Bühne selbst.“

Service

  1. Termine „Sawdust Symphony“: 15. September, 20.15 Uhr; 16. September, 20.30 Uhr. Termine „Pli“: 15. und 16. September, je 20 Uhr. Atoll-Festival bietet bis zum 25. September über 40 Vorstellungen von insgesamt 16 Produktionen. Programm und Tickets unter www.tollhaus.de.

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