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Zweiter Weltkrieg

Was nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 in Baden geschah

Die ersten Opfer sind Menschen im polnischen Wielun. Die meisten von ihnen schlafen, als Bomben den Tod in die Kleinstadt bringen. Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. In Baden wird sofort „Verdunkelung“ angeordnet. Wenige Tage später läuft die Evakuierung der „Roten Zone“ an. Auch 90.000 Karlsruher verlassen ihre Stadt. Sechs Jahre später wird sie wie Pforzheim und Bruchsal einer Trümmerlandschaft gleichen.

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Die Ruine des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Karlsruher Schlosses prägte lange das Stadtbild. 1954 richtete man zunächst den Turm wieder her, komplett abgeschlossen war der Wiederaufbau erst 1966. Foto: Schlesiger / Stadtarchiv Karlsruhe
Es ist Nacht über Wielun, einer Kleinstadt in Polen. Um 4.40 Uhr schlafen die meisten der rund 15.000 Einwohner. Doch dann schlagen die Bomben der deutschen Luftwaffe ein. Über 1.000 Frauen, Männer und Kinder in der wehrlosen Stadt überleben den 1. September 1939 nicht.

Fast zeitgleich eröffnet ein deutsches Schiff das Feuer auf polnische Befestigungen auf der Westerplatte vor der Freien Stadt Danzig. Die Toten von Wielun sind vor 80 Jahren die ersten Opfer des Zweiten Weltkriegs, der in den folgenden sechs Jahren nahezu 60 Millionen Menschenleben kostet.

Mit dem Überfall auf Polen beginnt der Zweite Weltkrieg

In Karlsruhe bläut die Zeitung „Der Führer“ ihren Lesern ein: „Polens Schuld klar erwiesen“. „Gezwungenermaßen“, so verkündet das badische NSDAP-Blatt, habe Deutschland den Kampf um die „Wiederherstellung eines heiligen Rechtes“ aufnehmen müssen. Heute weiß man, dass die „für eine Großmacht unerträglichen Grenzverletzungen“, mit denen Hitler den Überfall auf Polen rechtfertigte, von SS-Leuten inszeniert wurden. Mit einem fingierten Anschlag auf den Radiosender Gleiwitz schufen die Nationalsozialisten selbst den Anlass, „zurückzuschießen“.

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Adolf Hitler begründet vor dem Reichstag in Berlin am 1. September 1939 den Angriff auf Polen. Er vermeidet das Wort Krieg und erklärt, dass die Wehrmacht auf polnische Aggression hin zurückgeschossen hätte. Foto: dpa

Verdunkelung bis auf weiteres

Die vermeintliche „Strafaktion“ im Osten verändert das Alltagsleben auch im Westen des Reiches. Sofort wird der zivile Luftschutz ausgerufen und „Verdunkelung bis auf weiteres“ angeordnet. Im Grenzland Baden gibt es keine nächtliche Straßenbeleuchtung mehr, die Fenster müssen so abgedichtet werden, „dass kein Lichtstrahl ins Freie treten kann.“

"Kämpfen bis zum Sieg"

Großbritannien und Frankreich stellen ein Ultimatum. Binnen zweier Tage sollen sich die deutschen Truppen aus Polen zurückziehen. Hitler lässt die Frist verstreichen. Am 3. September erklären die zwei Großmächte dem Deutschen Reich den Krieg. In Karlsruhe gibt Gauleiter Robert Wagner ein Telegramm „an den Führer“ auf: „Partei und Volk im Gau Baden kämpfen mit Ihnen bis zum Sieg.“

Der Westwall - angeblich unüberwindbar

Die französische und britische Jugend werde „im Dienste der jüdisch-kapitalistischen Kriegshetzer“ am Westwall verbluten, prophezeit die gleichgeschaltete „Badische Presse“. Den Westwall, eine sich über 630 Kilometer von der holländischen Grenze über unsere Region bis nach Weil am Rhein erstreckende Befestigungslinie, hat Hitler ab 1936 entgegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages bauen lassen. Die Propaganda rühmt ihn als "unüberwindbar".

Die Rote Zone wird geräumt

Die Pläne für den Kriegsfall liegen längst in der Schublade. Die "Rote Zone" wird geräumt. Das betrifft badische Gebiete, die in Reichweite französischer Geschütze liegen. Auch 90.000 Karlsruher sollen ihre Stadt verlassen. Hitlerjungen verteilen die Marschausweise.

Vereinzelt Panik

Vereinzelt kommt es zu Panikausbrüchen, berichtet Stadtarchivdirektor Ernst Otto Bräunche in „Karlsruhe. Die Stadtgeschichte“. So sorgt ein Gerücht, wonach der Karlsruher Bahnhof am 4. September beschossen werden soll, für Aufregung.

Haus und Hof verlassen

Über solche Zwischenfälle bei der Evakuierung ist in den gleichgeschalteten Zeitungen nichts zu lesen. „Ruhig und gefasst, erfüllt vom Vertrauen auf den Führer und seine Maßnahmen“ hätten die Leute Haus und Hof verlassen, heißt es am 7. September 1939. Die „Freimachung der Gemeinden am Westwall“  ist abgeschlossen. Die Menschen kommen in weiter östlich gelegenen badischen Orten oder in Württemberg unter. Manche werden auch nach Bayern oder Österreich in Sicherheit gebracht.

"Westwall-Zigeuner"

Dass es in dieser Situation bisweilen an der Solidarität unter den „Volksgenossen“ hapert, ist offiziell kein Thema. Als „Westwall-Zigeuner“ werden Zwangseinquartierte beschimpft. Manche erleben Anfeindungen wie sie in stärkeren Maße nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus dem Osten entgegenschlagen, als sie zu Hunderttausenden in zerstörten Städten untergebracht werden müssen.

Trügerische Ruhe

Da es an der Rheinfront zunächst ruhig bleibt, dürfen die Evakuierten nach wenigen Wochen zurückkehren. Nur Kehl ist an Weihnachten 1939 noch geräumt. Doch es bleibt nicht bei kriegsbedingten Einschränkungen und der Trauer über Männer, die an der Front den „Heldentod“ erleiden. Die im Sommer 1940 keimende Hoffnung, dass der Krieg nach dem Sieg über Frankreich bald ein Ende finden würde, erstickt im Krachen von Bomben.

Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadtkern von Pforzheim im Frühjahr 1949. Das Sterben der Stadt und seiner Menschen dauerte nur 22 Minuten. Am 23. Februar 1945 lag Pforzheim um kurz nach 20 Uhr in Schutt und Asche. Mehr als 17.600 Menschen kamen im Feuersturm um.
Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadtkern von Pforzheim im Frühjahr 1949. Das Sterben der Stadt und seiner Menschen dauerte nur 22 Minuten. Am 23. Februar 1945 lag Pforzheim um kurz nach 20 Uhr in Schutt und Asche. Mehr als 17.600 Menschen kamen im Feuersturm um. Foto: dpa

Traumata, die bis heute nachwirken

Der Krieg ergreift weite Teile der Welt, ehe das „Tausendjährige Reich“ der Nationalsozialisten in einem Meer aus Blut und Tränen versinkt. Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Bruchsal, Pforzheim – wie so viele andere Städte gleichen sie Trümmerhaufen, als die Waffen endlich schweigen. Und noch heute zittern manche Senioren, wenn sie von Bombennächten in Bunkern erzählen. Oder von Menschen, die sie sterben sahen.

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Ein Gräberfeld auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, auf dem Fliegeropfer aus dem Zweiten Weltkrieg beerdigt sind Foto: Uli Deck / Archiv dpa

Ein "Peace"-Zeichen aus Blumen am Antikriegstag

Der 1. September ist Antikriegstag. 80 Jahre, nachdem der Zweite Weltkrieg begonnen hat, soll auf dem Karlsruher Schlossplatz  ein großes „Peace-Zeichen“ aus Blumen entstehen. DGB und Friedensbündnis laden  um 17 Uhr zu der Aktion ein. Wer möchte, kann selbst Blumen mitbringen und dazu legen.

Vor Beginn der Schlosslichtspiele um 20.30 Uhr werde zudem eine Friedensbotschaft auf die Schlossfassade projiziert, teilt der DGB Karlsruhe mit.  „80 Jahre nach Beginn des grauenhaften Vernichtungskriegs der Nazis haben wir heute leider mehr denn je wieder Anlass, am Antikriegstag daran zu erinnern, wohin Nationalismus und Militarismus, Menschenfeindlichkeit und Rassismus führen können“, sagt Dieter Bürk vom DGB-Stadtverband.

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Wielun in Polen: Ein Graffiti zeigt ein Flugzeug, das Bomben abwirft, mit dem Datum 1939 und der Uhrzeit 4:40. Am 1. September vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Gedenken in Wielun

Im Wielun, wo vor 80 Jahren die ersten Bomben fielen, gedachten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein polnischen Kollege Andrzej Duda heute gemeinsam an die Opfer Opfer. Die Zeremonie wurde auf 4.40 Uhr angesetzt. Die Uhrzeit, als der Zweite Weltkrieg begann.

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