Nutrias sind klein, pelzig und putzig. Die Tiere erinnern ein wenig an Ratten und etwas mehr an Biber. Wo sie auftauchen, gibt es meist schnell Probleme. „Nutrias beeinträchtigen in Karlsruhe vor allem stehende Gewässer“, erklärt Stefan Lenhard, Wildtierbeauftragter bei der Unteren Jagdbehörde der Stadt Karlsruhe.
Das bedeutet: Wo sich das eigentlich in Südamerika beheimatete Tier ansiedelt, kann es Uferbereiche derart umgestalten , dass andere Tiere dort keinen Lebensraum mehr finden. „Eine kleine Nutria-Population kann in wenigen Sommerwochen einen ganzen Teich zum kippen bringen“, erklärt Lenhard.
Zudem schaffen die Nager auch Probleme für die Landwirtschaft, indem sie zum Beispiel die Ränder von Entwässerungsgräben unterhöhlen. In der Folge können Ackerflächen absacken.
Wie sagt man’s der Bevölkerung?
Weil die Nutria in Europa bislang keine natürlichen Feinde hat, breitet sich das Tier rasant aus. Es steht auf der EU-weiten Liste für invasive Arten und unterliegt dem Jagdrecht. Das kleine Tier ist also zum Abschuss freigegeben.
Wirklich lösen lässt sich das Problem so aber nicht: Zwar geht die Zahl der Nutria-Abschüsse etwa im benachbarten Landkreis Karlsruhe seit Jahren kontinuierlich nach oben. Gegen die Geschwindigkeit, mit der sich die Nutrias ausbreiten, können die Jäger aber kaum anschießen.
Es ist auch so, dass die Jagd auf Nutria in der Bevölkerung vergleichsweise wenig Akzeptanz besitzt – schließlich sind die Tiere ja ganz putzigStefan Lenard, Wildtierbeauftragter bei der Stadt Karlsruhe
Auch das Aufstellen von Fallen kann das Wachstum der Population höchstens verzögern. „Es ist auch so, dass die Jagd auf Nutria wenig Akzeptanz in der Bevölkerung besitzt - schließlich werden die Tiere durch das Füttern zutraulich und wirken putzig“, sagt Lenhard.
Ein weiteres Problem: Die Nutria macht sich mittlerweile auch in Bereichen breit, in denen nicht gejagt werden darf, also in Siedlungen und sogar in der Karlsruher Innenstadt. Durch das Vordringen des Tieres ist etwa die Artenvielfalt am Teich in der Klotz-Anlage potenziell gefährdet. Zumal Besucher die Fütterverbote für Nutria häufig ignorieren.
Was tut die Stadt dagegen? „Wir versuchen, das Problem in Karlsruhe konsensuell zu lösen und holen alle Beteiligten an einen Tisch, um Lösungsmöglichkeiten zu formulieren“, nennt Lenhard den behördlichen Ansatz.
Derzeit sei ein Konzept in Arbeit, mit dem etwa auch Maßnahmen festgelegt werden sollen, die Nutria im Bereich der Stadt zu vergrämen. Dass so ein Ansatz grundsätzlich funktionieren kann, zeigt etwa der Umgang mit der Nilgans. Das Tier, das seine Herkunft im Namen trägt, hat sich besonders in den Rheinauen angesiedelt und in den vergangenen 30 Jahren stark verbreitet.
Gute Ansätze im Kampf gegen die Nilgans
Nilgänse gehen mit anderen Ufervögeln relativ rabiat um. Sie zerstören etwa deren Gelege, um Platz für den eigenen Nachwuchs zu schaffen. Nebenbei futtern die Tiere auf frisch bestellten Feldern die Saat weg – um hinterher Gewässer derart zuzukoten, dass sie für manche Lebewesen unbewohnbar werden.
Zwar unterliegen auch die Nilgänse dem Jagdrecht – die Ausbeute ist aber bescheiden. Was besser klappt: Die Eier in ihren Nestern zu manipulieren oder sie gleich gegen Attrappen auszutauschen. Auch Landschaftsgestaltung sei ein Schlüssel, um das Tier zu vergrämen.
„Aufgrund ihrer Herkunft sucht sich die Nilgans Lande- und Nistplätze, an denen sie eine weite Übersicht hat“, sagt Lenhard. Also sei die Anpflanzung von Sichtbarrieren ein probates Mittel, damit sich das Tier nicht heimisch fühlt.
Stiller Kampf in der Pflanzenwelt
Entsprechend angepflanzte Barrieren könnten ihrerseits allerdings wiederum auf Feinde stoßen. Schließlich bedrohen invasive Arten nicht nur die tierische Artenvielfalt, sondern auch die der Pflanzen. Das geschieht nicht zuletzt durch verschiedene Pflanzenarten selbst, die sich invasiv verbreiten – und dabei den Lebensraum für andere Gewächse zerstören.
Armin Heugel vom Landratsamt weiß um den stillen Verdrängungskampf, der sich auch in der Pflanzenwelt vom Rhein bis in den Schwarzwald abspielt - und um die schlechten Karten der einheimischen Flora. Heugel arbeitet im Bereich Natur- und Artenschutz beim Landratsamt Rastatt.
In seinem Job ist er immer wieder auch mit dem Management invasiver Arten beschäftigt. „An Orten, die besonders schützenswert erscheinen, lassen wir invasive Arten durch einen relativ hohen Mitteleinsatz durchaus erfolgreich bekämpfen“, erklärt er.
In der Fläche hingegen sei gegen die Pflanzen kein Blumentopf zu gewinnen.
Das Kraut verdrängt die einheimische Waldflora
Arten, mit denen seine Behörde häufig zu schaffen hat, sind etwa die Kanadische Goldrute, die Herkulesstaude (auch bekannt als Riesenbärenklau) und das Drüsige Springkraut. Dessen Ausbreitung ist symptomatisch für die Probleme, die invasive Arten schaffen: Die hochwachsende Pflanze breitet sich schnell über große Areale aus. Der darunter liegende Boden verödet in der Folge. „Die einheimische Waldflora wird so praktsich verdrängt”, schildert Heugel das Problem.
Am Ende geht es schließlich auch um die Frage, was uns als Gesellschaft eine artenreiche und vielfältige Landschaft wert ist.Armin Heugel, Landratsamt Rastatt
Besonders häufig siedeln sich Neophyten auf brachliegenden Flächen an, die nicht mehr bewirtschaftet werden. Stellt seine Behörde eine Population fest, versuchen die Mitarbeiter etwa durch häufiges Abmähen, die Lage in den Griff zu bekommen. Es gibt auch Fälle, in denen nur der völlige Umbruch einer Fläche hilft. „Das Management ist jedenfalls sehr aufwendig”, nennt Heugel den Grund, warum seine Behörde nur auf ausgewählten Flächen eingreift.
Es sei schon denkbar und sogar wahrscheinlich, sagen Heugel wie auch der Karlsruher Wildtierbeauftragte Stefan Lenhard, dass sich in der Natur früher oder später Gegenspieler finden werden, welche die Ausbreitung invasiver Arten regulieren könnten. Solche Anpassungsprozesse bräuchten aber Zeit - und seien etwa für den städtischen Raum nicht zu erwarten.
Lasse man invasive Arten jedenfalls gewähren, könnten sie in der einheimischen Biodiversität für erheblichen Kahlschlag sorgen. „Insofern ist es wichtig und richtig, so gut es geht, gegenzusteuern, auch wenn der Mittelaufwand hoch ist”, sagt Heugel. „Am Ende geht es schließlich auch um die Frage, was uns als Gesellschaft eine artenreiche und vielfältige Landschaft wert ist.”