Im Zuge der Corona-Krise sind mehr Karlsruher auf Hartz IV angewiesen. Aktuell beziehen 12.127 Erwerbsfähige diese staatliche Leistung, im März waren es noch 11.282 Männer und Frauen. „Im Vergleich zum Vorjahresmonat haben wir einen Anstieg von 660 Menschen”, bilanziert der Chef des Jobcenters, Hans-Peter Kölmel. Insgesamt habe sich die Lage jedoch nicht so schlimm entwickelt wie zeitweise befürchtet. Mancher hatte gar eine Verdopplung der Zahlen erwartet.
Dass es anders kam, hat nach Einschätzung von Kölmel nicht zuletzt mit der Option Kurzarbeit zu tun. „So wurde vieles aufgefangen.” Für Bürgermeister Martin Lenz ist dies ein Beispiel dafür, dass eine soziale Leistung die Wirtschaft stärkt. „Soziales ist nicht alles”, so der Dezernent. Aber: „Funktioniert Soziales nicht, funktioniert Wirtschaft nicht - und umgekehrt.” Das gelte beispielsweise auch beim Ausbau der Kinderbetreuung: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schlage ebenfalls die Brücke vom Sozialen zur Wirtschaft.
Kurzarbeit für maximal ein Jahr
Ziel der Kurzarbeit ist, Entlassungen und damit Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Ob dies tatsächlich gelingt, zeigt sich spätestens nächstes Frühjahr. Kurzarbeit ist auf ein Jahr begrenzt. Kölmel beobachtet dabei, dass sich einige Karlsruher bereits wieder aus Hartz IV abmelden können. Er glaubt, dass sich die Lage zum Ende des Jahres mit 9.300 bis 9.400 Bedarfsgemeinschaften einpendelt. Im Moment liegt Karlsruhe bei 9.846 Bedarfsgemeinschaften, also Ein- oder Mehrpersonenhaushalte, die diese staatliche Zahlung erhalten.
Im Dezember hatte Karlsruhe mit 8.987 Bedarfsgemeinschaften und 10.965 Hartz-I5 und 65 Jahren ein Rekordtief seit Start des Jobcenters im Jahr 2005 erreicht. „Der Arbeitsmarkt in Karlsruhe war sehr gut”, so Kölmel. Dabei legten er und sein Team viel Wert auf Qualifizierung, damit möglichst vielen der (Wieder-) Einstieg in die Arbeitswelt gelingt. Für Qualifizierungsmaßnahmen gibt das Karlsruher Jobcenter drei Millionen Euro pro Jahr aus. Bis zu eine Million Euro fließen für das kommunale Beschäftigungsprogramm. In dem sind bis zu 150 Karlsruher tätig, um unter anderem wieder Tagesstrukturen zu bekommen.
Anstieg bei den unter 25-Jährigen
„Insgesamt hatten wir vor der Krise vergleichsweise wenige Hartz-IV-Bezieher”, so Kölmel. Anfang des Jahres kam es zu einem leichten, saisonal üblichen Anstieg - der im März wieder Geschichte gewesen wäre. Doch dann kam Corona. Und die Kurve ging nach oben. „Quer Beet durch alle Gewerbe kamen die Meldungen”, sagt Kölmel. Schauspieler, Musiker, Mitarbeiter aus der Gastronomie oder der Hotellerie, aber auch Reinigungskräfte und Taxifahrer waren plötzlich auf Hartz IV angewiesen. Ebenso 35 Prostituierte.
Einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es in der Altersklasse 15 bis unter 25 Jahren. Hier wuchs der Kreis der Hartz-IV-Bezieher von 260 auf 411. Kölmel beobachtet, dass sich Jugendliche schwer tun, in die Arbeitswelt einzusteigen. Dies gelte nach der Schule, aber auch nach abgeschlossenem Studium. Mancher frisch gebackene Akademiker schaffe es im Zuge der Pandemie nicht mal zum Vorstellungsgespräch.
Die Mitarbeiter des Jobcenters beraten die jungen Menschen. Wie alle Kunden im Zuge der Corona-Krise in der Regel telefonisch, zum Teil aber auch wieder bei persönlichen Gesprächen. Wie die Arbeitsagentur stellte auch das Jobcenter wegen der Pandemie manches um. 50 Kräfte, die eigentlich in der Vermittlung tätig sind, wurden geschult, um Hartz-IV-Anträge annehmen und so ihre 95 sonst in diesem Bereich tätigen Kollegen unterstützen zu können.