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Forschung an der Hochschule

Wie man Innenstädte in Zukunft kühlen könnte – und wie das in Karlsruhe aussehen könnte

Je mehr sich das weltweite Klima erwärmt, desto heißer wird es auch in den Städten. Ein Forscher der Hochschule Karlsruhe hat für die Zukunft des Karlsruher Marktplatzes besorgniserregende Temperaturen ausgerechnet – aber auch eine Idee vorgestellt, wie man Innenstädte nachhaltig kühlen könnte.

Links ohne Kühlung, rechts mit: So simulieren Studenten der Hochschule Karlsruhe die Zukunft der Kaiserstraße.
Links ohne Kühlung, rechts mit: So simulieren Studenten der Hochschule Karlsruhe die Zukunft der Kaiserstraße. Foto: Haug/Knoblauch

Jeder Sommer ist neuerdings Rekordsommer. Wurde 2018 schon von der schlimmsten Hitzewelle in der Geschichte Deutschlands gesprochen – oder wahlweise auch vom "Super-Sommer" –, so wurden im laufenden Jahr erneut mehrere Temperaturrekorde geknackt . Die Städte schwitzen. Und auch Karlsruhe könnte die Klimaerwärmung hart treffen.

In Karlsruhe könnten die Sommer viel heißer werden

Baum-Graffitti am Karlsruher Marktplatz
Baum-Graffitti am Karlsruher Marktplatz Foto: Weller

Bernhard Lenz von der Hochschule für Technik und Wirtschaft hat berechnet, dass die Karlsruher Innenstadt bei zwei Grad weltweiter Klimaerwärmung um fast fünf Grad heißer werden könnte. Konkret heißt das: Jeder normale Sommertag, an dem es heute ungefähr 27 Grad hat, könnte in Zukunft 32 Grad warm werden . Doch der Architekturprofessor hat im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes auch eine Idee entwickelt, wie man Karlsruhe – und andere Städte – in Zukunft kühlen könnte.

Das eine Problem nutzen, um das andere zu lösen.
Bernhard Lenz

Dabei möchte Lenz zwei Probleme mit einem Modell lösen. Denn nicht nur die steigenden Temperaturen im Sommer setzen Stadtbewohnern zu. Im Winter führt der Klimawandel zu häufigerem Starkregen und vielerorts zu Hochwasser. In der Region ist es zuletzt im Mai zu zahlreichen Überschwemmungen gekommen , die Acher trat über ihre Ufer und auch am Rhein wurden Hochwasserpegel gemeldet.

Winterliches Regenwasser soll im Sommer für Abkühlung sorgen

Hochwasser im Winter und Hitze im Sommer: Mit der sogenannten künstlichen Verdunstungskühlung möchte Bernhard Lenz "das eine Problem nutzen, um das andere zu lösen". Unterirdische Zisternen sollen überschüssiges Regenwasser auffangen und speichern – zum Beispiel unter Fußgängerzonen, Bushaltestellen oder Marktplätzen.

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Studenten haben simuliert, wie das System an einer Bushaltestelle für Abkühlung sorgen könnte. Foto: Koch/Metz

An heißen Tagen soll das Wasser dann nach oben gepumpt werden und dort verdunsten, so dass die Umgebungstemperatur sinkt. Ähnlich funktionieren auch Bäume, die über ihre Blätter Wasser verdunsten lassen und damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Umgebung kühlen.

Das künstliche Verdunstungssystem könnte zum Beispiel um bestehende Laternenmaste herumgebaut werden, um möglichst wenig Fläche in Anspruch zu nehmen. Mehrere zwiebelartige Schichten aus einem speziellen Material sollen das Wasser aus den unterirdischen Tanks aufnehmen. "In diesem Element werden besonders große Oberflächen erzeugt, ähnlich wie beim menschlichen Darm", erklärt Lenz.

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So funktioniert die Verdunstung im Detail: Das Wasser wird unterirdisch gespeichert und bei Bedarf hochgepumpt. Foto: Koch/Metz

Am oberen und unteren Ende des Mastes wären photovoltaikbetriebene Ventilatoren eingebaut, die die warme Umgebungsluft an den Verdunstungsflächen vorbei nach unten drücken. Das Wasser verdunstet, verbraucht dabei Energie und kühlt dadurch die Luft ab, die dann nach außen strömt. So soll Passanten eine sanfte, kühle Brise entgegenwehen und die Lufttemperatur im öffentlichen Raum abgesenkt werden.

Das System könnte dort zum Einsatz kommen, wo Bäume nicht wachsen können – zum Beispiel am Marktplatz

Das Forscherteam aus Karlsruhe und Leeds hat eine Simulation für den Karlsruher Marktplatz erstellt, wo ein solches Kühlsystem denkbar wäre. Mit 18 Masten, die den Platz gleichzeitig beleuchten würden, könnte der Großteil des Marktplatzes gekühlt werden.

Die laufende Umgestaltung des Karlsruher Marktplatzes hatte für Kritik gesorgt, weil er komplett gepflastert wird. In der Kommunalpolitik war lange um diese Umgestaltung gerungen worden. Auf dem Platz werden auch begehbare Wasserspiele installiert, über weitere Schatten spendende Elemente wird derzeit debattiert. Die Stadt könne dort aber keine Bäume pflanzen, hatte Oberbürgermeister Frank Mentrup gesagt , weil sich im Untergrund Leitungen und die Baustelle für den Straßenbahntunnel mitsamt zukünftiger Haltestelle befinden. Für ein Kühlsystem sei das jedoch kein Problem, erklärt Bernhard Lenz:  Die unterirdischen Zisternen könnten – im Gegensatz zu Baumwurzeln – mehrere Meter entfernt sein und das Wasser durch ein Rohrsystem zum Marktplatz geleitet werden.

Industrie müsste jetzt Prototypen entwickeln

Studenten, die am Projekt beteiligt waren, haben außerdem an Simulationen gearbeitet, wie ein Einsatz in der Karlsruher Kaiserstraße aussehen könnte. Karlsruhe steht im Forschungsprojekt jedoch nur exemplarisch für andere Innenstädte, die sich im Sommer stark aufheizen. "Die deutsche Städtebaukultur ist meist sehr schön, passt aber oft nicht zum zukünftig herrschenden Klima", sagt Architekturprofessor Lenz.

Die Grafiken zeigen Simulationen der zukünftigen Karlsruher Kaiserstraße unter Einfluss der Klimaerwärmung. Ziehen Sie den Slider, um die Situation ohne Kühlung (linkes Bild) mit einem möglichen Kühlungsszenario (rechtes Bild) zu vergleichen.
Grafiken: Haug/Knoblauch

Würde man die Luft in Siedlungen etwas herunterkühlen, könnte das auch den Bedarf an umweltschädlichen Klimaanlagen in Gebäuden verringern. Einsatzbereit ist die Idee aber noch nicht: Das Forschungsprojekt wurde im Frühjahr 2019 abgeschlossen. In Zusammenarbeit mit der Industrie müsse nun ein Prototyp entwickelt werden, sagt Lenz.

Mehr zum Thema: Die Karlsruher Innenstadt könnte wegen des Klimawandels fünf bis zehn Grad heißer werden

Wenn sich das weltweite Klima um zwei bis drei Grad erwärmt, könnte das die Karlsruher Innenstadt besonders hart treffen. Wie die Forscher das berechnet haben, steht in diesem Artikel .

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