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Flugverkehr

Wieso ein Jumbo-Jet über Karlsruhe kreiste – und warum es schwer ist, darauf Antworten zu finden

Ein Jumbo-Jet kreist am Montag über Karlsruhe. Eine Recherche, woher die große, vierstrahlige Maschine eigentlich kommt, wirft Fragen auf. Am nahen Baden-Airport sind so große Flugzeuge eher die Seltenheit. Die Suche nach offiziellen Antworten gestaltet sich schwierig.

Boeing 747 800 Marokko zu Testflügen am Baden-Airpark
Boeing 747 800 Marokko zu Testflügen am Baden-Airpark Foto: FKB Spotting

Die große, vierstrahlige Maschine, die am Montag gegen 13.20 Uhr durch den Karlsruher Luftraum schwebt, fällt vielen Menschen auf. Schließlich starten und landen Flugzeuge in dieser Größenordnung selten auf dem nahen Baden-Airport bei Rheinmünster. Und dann ist der Flieger auch noch so niedrig. Doch woher kommt das Flugzeug, und wichtiger: Wo will er hin?

Vorneweg sei gesagt, eine Gefahr ging wohl zu keinem Zeitpunkt aus. Die Flugsicherungsbehörden überwachen die Flieger in der Luft konstant. Auch ging bei den zuständigen Luftbehörden keine Meldung über Probleme ein. Aber: Die Nachverfolgung eines Flugzeugs über Deutschland ist durchaus aufwendig. Vermutungen sind schnell gemacht. Eine offizielle Bestätigung dauert aber 24 Stunden. Eine Schilderung der Ereignisse:

Flugradare im Netz zeigen verrückte Flugkurve

Das Internet hilft zunächst - zumindest ein bisschen. Denn ein Blick auf die Homepages Flightradar live und Radarbox 24 gibt nur teilweise Aufklärung. Dort kann man fast alle Flugzeuge in Echtzeit verfolgen, die gerade in der Luft unterwegs sind. So taucht auch eine Boeing 747-8Z5 auf, also ein Jumbo-Jet mit einer Spannweite von knapp 70 Metern. 

Die Flugkurve des Giganten passt zu dem, der gerade über Karlsruhe geglitten ist. Informationen der Homepages zufolge soll dieser Flieger um 11.47 Uhr vom Euro-Airport in Basel-Mulhouse-Freiburg abgehoben sein. Die Homepage ist ein Flugtracker und zeigt in Echtzeit die gesamte Route der bisher zurückgelegten Strecke an. Wer diese verfolgt, sieht, dass die gesuchte Maschine von dort in die Südostschweiz flog und zwischen Chur und Tirano in Italien mehrere Kreise zog.

Ausflug über die Alpen und dann nach Karlsruhe

Nach dem Ausflug über die Alpen flog die Boeing dann quer über den Bodensee und in Richtung Baden. So tauchte sie dann auch um kurz vor halb zwei am Montagmittag im Karlsruher Luftraum auf. Auf der Höhe des Rheinhafes änderte sie den Kurs um 180 Grad und flog in Richtung Südwesten.

Eigentlich hätte die Maschine auch auf dem Baden-Airport landen sollen, zumindest steht das in den Angaben, die „Radarbox 24“ meldet. Genauer wird es nicht. Im Internet ist nur der Status „Blocked“, also blockiert, zu lesen. Die Suche nach einer Erklärung geht weiter. Gegen 14 Uhr landet die Maschine wieder auf dem Euro-Airport.

Vielleicht hilft eine klassische Abfrage bei der Suchmaschine Google. Also schnell den Flugzeugnamen Boeing 747-8Z5 eingegeben. Die Antwort verblüfft mehr, als das sie hilft. Bei dem genannten Typ handelt es sich um eine marokkanische Regierungsmaschine mit der Registrierungsnummer CN-MBH. Unterschiedliche Homepages führen die Boeing unter dieser Nummer. Was sucht ein solcher Flieger in Baden?

Anfrage, aber vorerst keine Antwort bei der Flugsicherung

Der Anruf bei der Deutschen Flugsicherung (DFS), die auch in Karlsruhe einen Standort hat, bleibt die logische Konsequenz. Im Hessischen Langen ist der Hauptsitz der Experten der Luftraumüberwachung. Genauere Infos gibt es zunächst nicht. Nachvollziehbar bei 11.000 Flugbewegungen an Deutschlands Himmel pro Tag.

Es heißt nur: Grund zur Sorge bestehe nicht. Sollte es ein Problem gegeben haben, wäre eine Meldung bei der DFS am Hauptsitz in Langen eingegangen. Aufgrund zahlreicher aktueller Anfragen und Termine muss erst bei den Lotsen nachgeforscht werden. Das ist bei der Vielzahl von Bewegungen aufwendig.

Die Registrierungsnummer hilft bei der Menge an Daten auch nur bedingt. Besser wäre eine Flugnummer. Damit werden alle zivilen Flüge gekennzeichnet. Dumm nur, dass weder bei „Radarbox 24“ oder „Flightradar live“ eine solche Nummer zu sehen ist. Abwarten.

Basler Flughafen will nicht spekulieren

So bleibt Zeit für weitere Recherche. Ein Anruf beim zuständigen Euro-Airport in Basel bringt keine Gewissheit, obwohl die Maschine von dort kam und dort wieder gelandet ist. Auch hier: Meetings und andere Termine der Sprecher des Dreiländer-Flughafens verhindern eine Nachforschung. Alles andere sei Spekulation, heißt es. Und Spekulieren will beim Thema Luftsicherheit keiner.

Der Versuch, beim Baden-Airpark direkt eine Antwort zu bekommen, führt auch zu nichts. Am späten Nachmittag geht niemand mehr ans Telefon.

Diskussion in Facebook beginnt: Wohin will der Jumbo-Jet?

Unterdessen beginnt auch in den sozialen Netzwerken eine Diskussion. Denn in Facebook tauchen Bilder von dem Flieger auf. Beispielsweise soll der Jumbo über Baden-Baden gedüst sein. In gerade mal 400 bis 500 Metern Höhe. Das vermuten zumindest die Nutzer. Und Sie machen Bilder.

747 über Baden-Baden
747 über Baden-Baden Foto: Ronny Krautz

 

Ein anderer Nutzer gibt dann eine erste, brauchbare Antwort: Bei dem Flieger soll es sich um eine marokkanische Regierungsmaschine handeln. Diese war wohl zu Testflügen nach einer Wartung unterwegs. Die Facebook-Seite FKB Spotting bestätigt das. FKB ist die offizielle Kennung für den Baden-Airpark südlich von Karlsruhe. Der Regierungsflieger sei mal spontan vorbeigekommen, heißt es. Das ist zumindest mal ein Ansatz. Aber bestätigen kann das nach wie vor keine offizielle Stelle. 

Der Baden-Airport gibt die ersehnte Antwort

Auch knapp 24 Stunden später, am Dienstag, gibt es keine offizielle Antwort. Wieder wird beim Baden-Airport angefragt. Und dieses Mal mit Erfolg. Ein Sprecher des Flughafens bestätigt gelassen nahezu alles. Ja, die Maschine stammt aus Marokko. Genauer handelt es sich um ein Regierungsflugzeug.

„Das war alles so geplant. Der Flieger hat auch zwei Anflüge durchgeführt“, gibt der Sprecher eine Erklärung für die ovalförmigen Flugkurven über der Region zwischen dem Airport und Karlsruhe. Gelandet sei die Boeing aber nicht. Generell sei das aber möglich. Soviel zum Thema, der badische Flughafen sei zu klein. Denn: „Wir haben eine Länge der Landebahn von mehr als 3.000 Metern und 45 Metern Breite - damit erfüllen wir alle Anforderungen“, so der Sprecher.

In der Vergangenheit habe es auch schon solche Testanflüge vom Airbus A380 oder dem russischen Frachtgiganten Antonov An-225 gegeben. Letztgenannter Flieger ist übrigens der wohl größte der Welt und hat eine Spannweite von 84 Metern.

Der Sprecher erklärt weiter, dass das Flugzeug wohl am Euro-Airport zur Instandhaltung gewesen sei. Mehr könne er aber auch nicht sagen. Nur soviel: „Das Flugzeug wird immer von der Flugsicherung kontrolliert.“

Flugsicherung meldet sich am Dienstag

Und genau diese meldet sich kurz nach dem Gespräch mit dem Baden-Airport-Sprecher am Dienstagmittag. „In diesem Fall war die Flugsicherung Straßburg für den Luftraum zuständig“, sagt eine DFS-Sprecherin. Die Antwort sorgt für die nächste Verwunderung. Denn der Karlsruher Luftraum wird nicht von den deutschen Lotsen betreut. Sondern vom nahen Nachbarn aus dem Elsass.

„In grenznahen Gebieten gibt es teilweise sogenannte delegierte Lufträume. Hier wird dann der deutsche Luftraum von Lotsen angrenzender Staaten überwacht“, erklärt die Sprecherin Die Maschine sei beim Anflug auf Karlsruhe-Baden von keiner DFS-Niederlassung überwacht worden.

Boeing flog 5.000 Fuß über Karlsruhe

Aber auch die Luftraumüberwacher aus Langen haben nach der BNN-Anfrage ihre Radardaten durchforstet. Raus kam, dass die Maschine wohl eine Höhe von 5.000 Fuß über Karlsruhe hatte. Das entspricht etwa 1,5 Kilometern. Und wie hoch darf so ein Flieger fliegen?

Die Antwort der DFS zeigt, dass das von mehreren Faktoren abhängig ist. „Als Mindesthöhen gibt es Begriffe wie Sicherheitsmindesthöhe. Außerdem Radarführungsmindesthöhe, die von der Radarabdeckung abhängig ist“, erklärt die Sprecherin.

Was kompliziert klingt, heißt, dass die Höhe, die ein Flieger in der Luft mindestens haben muss, abhängig von mehreren Faktoren ist, wie beispielsweise der Flugart. Und es gibt Ausnahmen: „Das Unterschreiten von Mindesthöhen ist jedoch auch dann erlaubt, wenn eine Flugroute definitiv hindernisfrei ist und somit auch ohne Radarführung sicher fliegbar ist.“

Was bleibt von der Suche übrig?

Damit wäre das Rätsel gelöst - nach mehr als 24 Stunden. Doch zeigt der konkrete Fall mit der Maschine aus Marokko, die eben kein klassischer Linienflug war, mehrere Probleme auf: Der vermeintliche Tiefflug eines Jumbo-Jets über Karlsruhe war eigentlich unspektakulär. Wer aber nachprüfen will, was am deutschen Himmel so passiert, muss die Mechanismen beachten.

Die simple Registrierungsnummer des Fliegers, also hier die CN-MBH, hilft nicht weiter. Am Himmel sind zu viele Flugobjekte unterwegs. Außerdem muss man wissen, wer für den jeweiligen Luftraum zuständig ist. Und: Wer anfragt, muss Zeit mitbringen!

Nebenbei war der marokkanische Regierungsflieger bereits mehrfach in Deutschland zur Wartung. Das dokumentiert die Homepage der Hamburger Flug-Fans eddh-Airport. Zuletzt war CN-MBH im Mai an der Elbe. Die große Maschine hat viele Fans im Netz. Zahlreiche Videos bei der Plattform Youtube bezeugen das. 

 

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