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Kommunen nutzen Flächen gern anders

Zahl der Streuobstwiesen im Landkreis Karlsruhe geht zurück

Die Streuobstinitiative im Landkreis Karlsruhe hat in den letzten 25 Jahren mehr als 17.000 Obstbäume gepflanzt. Dennoch geht die Zahl der Streuobstwiesen zurück - auch deswegen, weil Kommunen die Flächen oft gern anderweitig verwerten.

Hans-Martin Flinspach Vorsitzender der Streuobstinitiative
Hans-Martin Flinspach ist Vorsitzender der Streuobstinitiative. Foto: Franz Lechner

Von Franz Lechner

Wer über Streuobstwiesen im Landkreis Karlsruhe schreibt, der kommt an ihm kaum vorbei: Hans-Martin Flinspach, Weingartener Gemeinderat, Naturschützer im Landratsamt und Vorsitzender der Streuobstinitiative.

Ohne ihn und seine Mitstreiter aus der von ihm mitgegründeten Streuobstinitiative sähe es um die Streuobstwiesen im Landkreis schlechter aus. „Wir haben 350 Mitglieder, 300 davon bewirtschaften insgesamt 180 Hektar Streuobstwiesen und wir haben in 25 Jahren mehr als 17.000 Obstbäume nachgepflanzt“, erzählt der Vorsitzende der Streuobstinitiative.

Zahl der Obstbäume im Land geht zurück

Dass so viele Menschen auch heute noch ihre Obstwiesen pflegen, hat die Initiative durch ein einfaches Motto erreicht: „Das Bücken muss sich wieder lohnen.“ Und das tut es – die Mitglieder der Streuobstinitiative erhalten mehr als das Doppelte des normalen Marktpreises für ihr Obst. „Dafür müssen sie auf den Einsatz von Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger verzichten und ihren Baumbestand regelmäßig pflegen“, sagt Flinspach.

Allerdings konnten auch Flinspach und seine Mitstreiter den Niedergang der ökologisch wertvollen Streuobstwiesen in den vergangenen Jahrzehnten lediglich verlangsamen. Wirklich aufhalten konnten sie ihn auch nicht. „In Baden-Württemberg gab es 1965 noch 18 Millionen Obstbäume, 2005 waren es noch 9,3 und bei der aktuellen Zählung waren es gerade noch 7,1 Millionen“, beziffert Flinspach den Niedergang der Streuobstwiesen. „Im Landkreis Karlsruhe sieht es leider nicht besser aus“, ergänzt er.

Streuobstwiesen sind ein wertvoller Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. Hier sind Schachbrettfalter bei Bruchsal zu sehen.
Streuobstwiesen sind ein wertvoller Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. Hier sind Schachbrettfalter bei Bruchsal zu sehen. Foto: Franz Lechner

Die mangelnde Wertschätzung der alten Obstsorten ist ein Grund für den stetig wachsenden Verlust eines der artenreichsten Lebensräume Europas. Diese traditionelle Form des Obstanbaus lohnt sich kaum noch und Flächen, die dem Menschen keinen Gewinn mehr bringen sind meist die ersten, die unter Neubaugebieten oder Gewerbeflächen verschwinden.

So auch im Landkreis. „Allein in Östringen, Kraichtal und Gondelsheim wurden in den vergangenen Jahren auf diese Weise mehrere Hektar Obstwiesen zerstört“, beklagt Flinspach. Aktuell wird auch noch der Klimawandel zu einer Bedrohung. „Trockenheit und Hitze machen vielen Obstbäumen zu schaffen“, bedauert der Vorsitzende der Streuobstinitiative.

Wichtig als Lebensraum für tausende Tierarten

Sehr alt ist das klassische Bild von weiß- und rosablühenden Streuobstgürteln, das auch heute noch einige Gemeinden im Landkreis im Frühjahr bieten, übrigens nicht. Zwar haben bereits die Römer in Deutschland Obstbäume kultiviert, aber die klassische Streuobstwiese ist keine zweihundert Jahre alt. „Vor allem die Zunahme der Stallhaltung von Vieh und der Rückgang des Weinanbaus im 19. Jahrhundert hat die Streuobstwiesen gefördert“, weiß Flinspach.

Während Obstbäume früher nämlich als Allee oder als Einzelbäume auf Äckern oder auch in Weinbergen angepflanzt wurden, bot die neue Streuobstwiese beides: Nahrung für den Mensch und für Tiere.

Und ganz nebenbei entstand so ein wertvoller Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. „Insgesamt 5.000 verschiedene Arten finden wir dort“, erklärt Flinspach. Die blumenreichen Wiesenfläche und die blühenden Obstbäume locken viele Wildbienen, Schmetterlinge und andere Blütenbesucher und der Insektenreichtum ist wiederum die Basis für eine artenreiche Vogelwelt.

Vor allem Höhlenbrüter wie der Wendehals, der Grünspecht und der im Landkreis extrem gefährdete Steinkauz brüten gerne in alten Obstbäumen. Und auch der seltene Wiedehopf, der sich gerade langsam wieder im Landkreis ausbreitet, ist auf Streuobstwiesen zu Hause. Vor allem aber bringt der Erhalt einer Streuobstwiese im Kampf gegen Insekten- und Bienensterben zehnmal mehr als die meisten der heute so beliebten Blühstreifen.

Wer eine Streuobstwiese pflegen will, kann auf der Homepage der Streuobstinitiative nach einem Grundstück beziehungsweise nach Werkzeugen zum Ausleihen und auch nach fachmännischer Hilfe suchen.

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