Was habe ich bloß falsch gemacht? Diese Frage nagt vermutlich schon seit dem Neolithikum am Gewissen von Erziehenden. Bislang war es ehernes Gesetz, dass die Jungen grundsätzlich alles anders machen als ihre Alten. Sie ziehen ins Nachbartal wo man doch gerade hier so schön sesshaft geworden ist und beginnen, Klingen aus Stein zu fertigen. (Was – zum Mammut – war falsch mit Faustkeilen?)
Man stellt sich den Steinzeitvati vor, wie er sich das Restfell rauft und dabei ausruft: „So lange Du Deine Beine noch an unserem Feuer ausstreckst, wird gemacht, was ich sage!“ Aber kaum, dass der Jungspund zur Hütte raus ist und die Strohtür mit einem wütenden Rascheln hinter ihm zugefallen ist, verraucht bei den Alten die Wut und die Selbstzweifel übernehmen. „Was haben wir nur falsch gemacht?“, fragt er traurig, seinen zotteligen Kopf schüttelnd, die Steinzeitmutti.
„Nichts“, werfen moderne Entwicklungspsychologen an dieser Stelle nun beschwichtigend ein. Dass Junge alles anders machen, als ihre Altvorderen ist völlig normal. Das muss so sein. Rebellion ist das Kennzeichen der Jugend. Ohne Jugend keine Rebellion und ohne Rebellion kein Fortschritt.“
In diesem Zusammenhang mache ich mir seit geraumer Zeit ernsthaft Sorgen um den Fortbestand unserer Spezies. Gewiss, die Jungen von heute können viel. Sehr viel sogar. In technischer Hinsicht haben sie seit der Jungsteinzeit alles drauf und noch dazu können sie Internet-Router neu starten und TV-Sender wieder in die richtige Reihenfolge bringen. Nur mit dem Rebellieren – da tun sie sich doch ein wenig schwer.
In Kürze zum Beispiel wird Sohn 1 sein 18. Lebensjahr vollenden. Doch die Aussicht auf Volljährigkeit und die große Freiheit lässt den jungen Mann völlig unbeeindruckt. Führerschein? „Brauch’ ich nicht“, sagt er. Auto? – „Zerstört die Umwelt.“ Partyexzess zum 18.? „Will ich nicht.“ Alkohol? „Schmeckt nicht.“ Zigaretten? „Tödlich.“ Auch aus dem Freundeskreis höre ich von halbwüchsigen Töchtern, die ihre Mütter bitten, Kondome von dm mitzubringen und von Söhnen, die über das Teenageralter hinaus noch mit ihren Alten in den Urlaub fahren. Die Jugend von heute hat offenbar gar kein Verlangen mehr, sich abzugrenzen. Angesichts dessen ist es höchste Zeit, dass wir Alten uns fragen: „Warum haben wir bloß alles richtig gemacht?“