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Trauerarbeit teil des Jobs

Zwei Bestatter aus Bretten über Asche im All und ihren Berufsalltag

Allerheiligen und Allerseelen sind – katholisch geprägte – Totengedenktage, an denen aber auch protestantische Brettener auf den Gräbern ihrer Verstorbenen Gestecke und Kerzen ablegen. In der Samstagsreportage berichten zwei Brettener Bestatter über ihren Beruf.

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Brettener Bestatter, Reportage zu Allerheiligen/Allerseelen November 2019 Foto: Dederichs
Von unserer Mitarbeiterin Catrin Dederichs

Blumen und Kerzen in der Trauerhalle hat sie schon gerichtet. Birgit Holz geht noch einmal zum leeren Grab, stellt Kreuz, Eimer, Blütenblätter und Schaufel bereit. Inzwischen sind die ersten Angehörigen in der Aussegnungshalle angekommen. Ein letztes Mal will sich der Sohn von der Mutter verabschieden. Danach verschließt die Brettenerin mit ihren Mitarbeitern den Sarg für immer.

Seit 13 Jahren ist Holz Bestatterin in der Melanchthonstadt. Seit 13 Jahren erlebt sie bald täglich Trauer, Tod, Schmerz und Verzweiflung. Warum macht sie das, warum wird jemand freiwillig Bestatter? Kurz vor Allerheiligen hat sich unsere Autorin bei Firma Holz und im Bestattungshaus Schick umgehört.

Dabei stellten sie fest: Bestatten ist mehr als nur Leichen waschen und beerdigen; die Aufgaben gehen weit über den Friedhof hinaus. Der Friedhof muss übrigens gar nicht immer der Ort der letzten Ruhe sein, die Möglichkeiten reichen von der Erde bis ins Weltall. Und: Es gibt tatsächlich schöne Seiten am Beruf des Bestatters.

Das Schwierigste? Die Bestattung von Kindern

„Kinder“, da sind sich beide Unternehmer einig, die Beerdigung von Kindern ist für alle am schwierigsten. Nicht nur für die Angehörigen, auch für die Bestatter. „Unerheblich, wie alt oder wie jung sie waren, oder ob sie gar nicht erst auf die Welt kommen durften, das ist dramatisch“, sagt Ulrich Schick. Noch schlimmer sei nur noch der Suizid von Kindern. „Das kostet mehr Kraft, als man sich als körperlich arbeitender Mensch vorstellen kann.“

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Die klassische Bestattungsart mit Sarg wählt noch jeder Vierte – Tendenz: weiter fallend. Und der ein oder andere entscheidet sich für eine Seebestattung, die ebenfalls in Bretten angeboten wird. Foto: Dederichs

Wichtig für die Trauerbewältigung ist nach Holz‘ Meinung, die Eltern und Geschwister in die anfallende Arbeit einzubinden. Da zieht die Mama dem Baby das schönste Kleidchen an, der Papa bettet es liebevoll ins Kissen, und der kleine Bruder malt rote Herzchen auf den Sarg.

Durch intensive Gespräche verarbeiten die Bestatter die Erlebnisse in ihrem Beruf. „Es kommt uns zupasst, dass wir ein Familienbetrieb sind. Im Kreis mit der Familie können wir auch schwierige Fälle besprechen“, erzählt Schick.

Die Familie hilft

Ehefrau Fatima, Tochter Michelle und Sohn Luis haben allesamt ihren Platz im Unternehmen gefunden. Birgit Holz arbeitet mit vier Angestellten, und auch diese fungieren als Gesprächspartner, wenn gerade viel zusammenkommt. „Wir sprechen innerhalb der Firma. Oder ich gehe raus, spazieren, die Natur bringt mir viel.“

Schick ist daneben gelernter Steinmetzmeister und Steinbildbaumeister. Damit ist er der vierte Steinmetz in der Familie, mit Luis ist bereits die fünfte Generation am Start. „Ich wurde nicht darum gebeten, das war mein innerer Antrieb“, erzählt der Senior.

Von Kindesbeinen an sei er mit seinem Vater in der Werkstatt gewesen und habe geholfen. Mit Tod und Friedhof kam er dadurch früh in Berührung. Bestatter wurde er dann erst im Jahr 2014 – nur wie wird man das eigentlich? „Das ist relativ einfach. Man könnte zum Gewerbeamt gehen, 15 Euro bezahlen und ist Bestatter“, informiert der Brettener.

Zahlreiche Zusatzausbildungen

Sein Weg war das nicht, er besucht nach eigenen Angaben „permanent Fortbildungen“. Die Ausweitung seines Tätigkeitsfeldes bezeichnet er selbst als „logische Folge“. „Die Leute waren in Trauer, aber wir konnten sie nicht komplett begleiten. Mit dem Bestatter haben wir den Kreis geschlossen.“

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Stilvoller Urnentransport: Zwischen 70 und 80 Prozent aller Verstorbenen in Bretten werden inzwischen verbrannt und solcherart bestattet. Foto: Dederichs

Auch Birgit Holz entdeckte diesen Beruf über Umwege, von Hause aus ist die 56-Jährige Einzelhandelskauffrau. Bei zwei verschiedenen Beerdigungsinstituten arbeitete sie jahrelang im Büro. Neben Formalitäten übernahm sie dort bald immer mehr Aufgaben wie das Führen von Trauergesprächen oder das Waschen und Schminken der Verstorbenen. Zeitgleich bildete sie sich zur Hospizbegleiterin weiter.

Wie Schick gründete sie 2014 ihr eigenes Unternehmen, und auch für sie war die 15-Euro-Bestatter-Variante keine Option. „Als ich wusste, dass ich mich selbstständig mache, habe ich alle Kurse belegt und auch meinen Lebensgefährten dahin mitgenommen“, sagt sie. Unter anderem hygienische Versorgung, Schminken und Nähen standen auf dem Stundenplan. „Gerade bei Unfallopfern müssen wir viel, viel nähen. Sei es einen Fuß annähen, einen Arm oder im Gesicht.“

Beim ersten Mal war es etwas befremdlich

Es koste schon Überwindung, mit der Nadel in einen menschlichen Körper zu stechen, sagt Holz, aber sie funktioniere dann einfach. Und wie ist das mit dem Berühren der Leichen? „Keine Berührungsängste“, erklären beide Bestatter unisono. „Beim ersten Mal, es war eine ältere Dame, war es schon ein bisschen befremdlich, und ich hatte ein wenig Lampenfieber“, erinnert sich Schick. Das habe sich jedoch schnell gelegt.

Anders ergeht es in diesem Punkt seiner Frau Fatima. „Sie hat die Ausbildung, aber sie hat Berührungsängste mit den Toten“, erzählt ihr Mann. Sie sei deshalb als „Deko-Queen“ aktiv und führe Trauergespräche. Bei solchen Gesprächen klären die Bestatter die Wünsche der Hinterbliebenen und der Verstorbenen: Wie war der Mensch, was machte ihn aus? Welche Musik soll bei der Trauerfeier gespielt werden, wollen sie eine Todesanzeige schalten, und ist ein Pfarrer oder ein freier Trauerredner gewünscht?D

Die Erdbestattung ist die Ausnahme

Nicht zuletzt klären sie dabei natürlich die Frage, wie bestattet werden soll. Klassische Erdbestattungen sind inzwischen die Ausnahme. Zwischen 70 und 80 Prozent der Toten werden laut Schick in Bretten verbrannt, Tendenz steigend.

Interessant sind vielmehr die Beisetzungsarten, die beide Unternehmen zusätzlich anbieten. So berichten sie über Seebestattungen in allen Weltmeeren, Bestattungen im Friedwald oder auf der Almwiese. Unter hohem Druck könnten die Angehörigen die Asche des Verstorbenen zu Kunstdiamanten pressen lassen – oder auch per Rakete ins All schießen. „Jedoch gibt es dafür lange Wartefristen und hohe Kosten. Maximal zehn Gramm Asche werden befördert, die Kosten betragen zirka 23 000 Euro“, weiß Schick.

Noch niemanden ins All geschossen

Nachgefragt wurde Letzteres in der Melanchthonstadt zumindest in den vergangenen sechs Jahren allerdings noch nie.

Fehlende Füße annähen, Leichen schminken, Gespräche mit verzweifelten Menschen führen, bleibt zuletzt die Frage: Was ist daran nun schön? Als äußerst befriedigend bezeichnen beide die Arbeit mit den Hinterbliebenen. „Es ist tatsächlich ein erfüllendes Gefühl, wenn man den Angehörigen viel Arbeit abnimmt. Außerdem ist das ein Stück seelsorgerische Begleitung“, sagt der Schick. „Ich gebe den Leuten gerne Halt, wenn sie loslassen müssen“, ergänzt Holz, und man bekomme „immer etwas zurück“.

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