
Für sie zählt der gute Zweck der Haarspende. Eine Typveränderung mag dazu kommen. Anna-Lena Nowak ist pädagogische Fachkraft im Brettener Kindergarten Drachenburg und eine pragmatische Frau. „Am Kopf wird es auf jeden Fall kühler“, sagt die 38-Jährige. Und sie weiß, dass eine Echthaar-Perücke für Krebspatientinnen ein Stück Selbstwertgefühl retten kann.
Friseurin Daniela Schlor wird ihre langen Locken im Salon Sacco in Königsbach um mehr als die Hälfte kürzen. Nowak folgt dem Vorbild einer Freundin. Larissa Vogt hat sie darauf gebracht. Das Team des Salon Sacco um Chefin Rosalia Sacco verschickt seit 2019 kiloweise Zöpfe an einen Zweithaarspezialisten, der dann Perücken aus den Spenden fertigt.
Auch in Bretten schneiden Salons Kundinnen Zöpfe auf Wunsch für Haarspenden ab. Manche nehmen ihre Zöpfe mit nach Hause, sobald der Schnitt fertig und bezahlt ist, und schicken sie selbst an eine der Hilfeadressen. Eine solche ist beispielsweise die Rapunzel-Aktion des Bundesverbands der Zweithaarspezialisten (BVZ).

Der BVZ erhält jährlich etwa 4.000 Zöpfe aus dem ganzen Bundesgebiet. Ramona Rausch, BVZ-Geschäftsführerin, bedauert, aber sie führen keine Statistik über die Spendenmengen. „Wir senden die Haare aber weiter“, sagt sie. In ihrem Fall geht das Haar an die Firma Haarkunst in Wernesgrün. Diese und andere Zweithaar-Verwerter sortieren das Haar vor der Perücken-Herstellung auf dessen Tauglichkeit.
Spenderhaar: Am besten über 30 Zentimeter lang und nicht so strapaziert
Das gespendete Haar sollte nicht zu oft gefärbt oder blondiert worden sein. Die Zöpfe sollen optimalerweise 30 Zentimeter Länge haben. Die Zöpfe von Anna-Lena Nowak sind also perfekt. Die naturbraune Mähne kann sich allerdings nicht mit der ihrer zwölfjährigen Tochter messen. Sie hat kürzlich 35 Zentimeter im Salon Sacco abschneiden lassen, auch als Spende.
Die Mindestlänge muss sein, da im Prozess der Perücken-Fertigung stets ein paar Zentimeter entfallen. „Sollten die Haare mal zu kurz sein, sammeln wir sie trotzdem“, sagt Ramona Rausch. Der BVZ schicke das kürzere Haar an die Organisation Hair Help the Ocean. Diese fertigt Öl-Filter daraus, das in Häfen, auf offenem Meer oder in Flüssen zum Einsatz kommt. Haare eignen sich sehr gut, um Öl oder Fette aufsaugen, auch etwa Sonnencremes im Meer.
Friseurin Daniela Schlor weiß, wie sehr es Betroffenen an die Nieren geht, wenn zur Erkrankung auch noch durch die Therapie die Haare ausfallen. Sie musste vor Jahren ihrer Mutter den Kopf wegen einer Krebserkrankung rasieren, bevor sie gemeinsam eine Echthaar-Perücke aussuchen gingen.
Leid von Krebspatienten ist der beste Grund, Haare zu spenden
Das Leid Betroffener ist auch für Kundinnen von Özlem Toprak im Fantasia Coiffeur in Bretten der beste Grund, sich von langem Haar für eine Spende zu trennen, sagt die Friseurin. Emre Arpaci, Juniorchef von InStyle in Bretten, weiß, dass der Salon seines Vaters Hasan Arpaci „auf jeden Fall über 50 Spenden“ gesammelt hat.

„Es fing 2019 damit an, dass eine Kundin an Krebs erkrankte.“ Da fanden sie heraus, dass Zweithaarspezialisten Perücken fertigen und Haarspenden sammeln, sagt Emre Arpaci. Bei Instyle überlasse man es der Kundin, ob sie den Zopf selbst einsenden möchte oder ob der Salon das übernimmt. „Wir bieten es an als Service.“
Kerstin Pferrer von Style Heaven in Bretten übernimmt das regelmäßig. Sie schickt die Haare an die Deutsche Krebshilfe Stiftung. Antonio Joaquim, Inhaber des Brettener Friseurs Aigen Art, gibt Kundinnen ihre Zöpfe mit. Jeden Monat fällt bei den Brettener Friseurbetrieben durchschnittlich eine Spende an.
Der Salon Sacco ist seit Jahren für sein Engagement bekannt. So kommen hier vier Spenden je Monat zusammen, sagt Daniela Schlor. Sie holt einen Karton, in dem blonde, brünette, kupferrote oder auch dunkle Zöpfe einen dicken Haarteppich bilden.
Haarspende in Bretten: In zwei Minuten sind die Zöpfe ab
Anna-Lena Nowak sagt, sie sei so dankbar, dass sie gesund sei und etwas abgeben könne. Sie hält inne. „Jetzt wird es ernst.“ Friseurin Daniela Schlor zückt die Schere. Sie setzt am ersten Zopf an. „So viel Haar für vier Zöpfe hat nicht jede“, sagt Schlor. Sie justiert die bunten Gummis auf exakt gleicher Höhe. Das Haar soll ja nachher gleich lang sein.
Jetzt brauche ich weniger Shampoo, weniger Wasser und weniger Zeit beim Haarwaschen.Anna-Lena Nowak, Haar-Spenderin aus Bretten
Keine zwei Minuten später hält Nowak ihre Zöpfe in die Kamera und lacht. „Jetzt brauche ich weniger Shampoo, weniger Wasser und weniger Zeit beim Haarwaschen.“ Angesichts ihrer Naturlocken kann auch der Föhn im Schrank bleiben, zumindest im Sommer.
Friseurin Schlor föhnt den gestuften Bob dennoch glatt, um den Schnitt zu kontrollieren. Anna-Lena Nowak lächelt. Im Nacken ist es schon kühler. „Und ich bin gespannt, was die Kinder in der Drachenburg zu meiner neuen Frisur sagen“, meint sie.