Der Virologe Christian Drosten hat die Pandemie für beendet erklärt. Das Virus ist damit aber nicht verschwunden. Wie gefährlich ist Corona noch? Welche Erfahrungen haben Brettener Ärzte mit Long-Covid-Patienten gemacht? Und welche Schutzmaßnahmen halten sie weiterhin für sinnvoll? Wir haben bei einigen Hausarztpraxen nachgefragt.
„Es ist richtig: Drosten hat die Pandemie für beendet erklärt“, bestätigt Wolfgang Stütz, Hausarzt, Internist und Diabetologe in Bretten. Er und seine Kolleginnen und Kollegen merken in den Praxen ein deutliches Abflauen bei den Covid-19-Fällen und nur noch vereinzelt schwere Fälle. Das sei erfreulich und werde in zunehmendem Maße auch zur Rücknahme der Schutzmaßnahmen führen.
Zunehmend therapeutische Angebote für Long-Covid
„Allerdings müssen wir wachsam bleiben bezüglich der Entwicklungen in China“, sagt Stütz. Sollte sich eine neue, aggressive Variante entwickeln, könnte sie die Situation noch einmal ändern. „Für uns als Ärzte ist es besonders wichtig, dass wir dazu beitragen konnten, unsere Patienten gut durch die Pandemie zu begleiten“, erklärt der Hausarzt.
Die niedergelassenen Ärzte in Bretten und den Umlandgemeinden hätten alle an einem Strang gezogen. Das sei auch die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Menschen in Bretten in der Zukunft und schütze viele vor Verunsicherungen aus dem Lager der Corona-Leugner. Für die Long-Covid-Fälle fänden sich zunehmend therapeutische Angebote, bekundet der Hausarzt, man versuche, diese Patienten entsprechend unterzubringen.
„Wenn in China, das derzeit ein idealer Brutherd für die Entstehung von Virusvarianten ist, keine Variante entsteht, die den Immunschutz umgehen kann, der durch Impfung oder Infektion in der Bevölkerung entstanden ist, ist die Pandemie tatsächlich vorbei“, erklärt Johannes Garvelmann, Kinderarzt in Knittlingen.
Wenn aber eine solche Variante entstehe, könne sie sich – solange keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Verbreitung ergriffen werden – ungebremst ausbreiten, gibt Garvelmann zu bedenken. Derzeit lasse sich nämlich nur für die bekannten Virusvarianten belastbar sagen, dass die Pandemie vorbei sei.
Kinderarzt in Knittlingen behandelt einen Long-Covid-Verdachtsfall
Zum Thema Long Covid äußert sich Garvelmann nur sehr vorsichtig: „Ich habe eine 16-jährige Patientin mit der Verdachtsdiagnose Long Covid. Dieser eine Fall ermöglicht aus meiner Sicht jedoch keine seriöse Stellungnahme zur Häufigkeit dieser Post-Covid-19-Komplikation.“
Garvelmann hält die Diagnose „Long-Covid“ für sehr schwierig: Wenn man die individuellen Bedingungen bei Long-Covid-Patienten anschaue, soweit sie öffentlich zugänglich sind, bestehe in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle durch chronische somatische oder psychische Erkrankungen eine reduzierte Resilienz gegenüber jedweder zusätzlicher immunologischer Belastung. „Es handelt sich also um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem nicht möglich ist zu bestimmen, wie groß dabei der Anteil der Covid-19-Erkrankung ist“, lautet seine Einschätzung.
PCR-Tests und Quarantäne für Einreisende aus China
In der aktuellen Situation hält es der Knittlinger Arzt für sinnvoll, alle Flugreisenden inklusive Flugzeugpersonal aus Maschinen aus China bei der Ankunft per PCR zu testen und erkrankte Personen in überwachte Quarantäne zu verlegen. Außerdem sollte die Tragepflicht von FFP2-Masken im Fernverkehr mit Bussen und Zügen noch beibehalten werden, bis die erhöhte Infektionsgefahr durch das Krankheitsgeschehen in China zurückgehe.
„Ja, die Corona-Fallzahlen sinken weiter“, bestätigt auch der Brettener Internist Joachim Leitz. Da die allerwenigsten Leute stark erkrankten, gehe er davon aus, dass viele sich auch gar nicht mehr beim Hausarzt melden, sofern sie keine Krankmeldung benötigen. „Unabhängig von Corona haben wir aktuell dafür einen relativ hohen Krankenstand durch saisonale Erkältungsinfekte“, sagt der Mediziner.
Maskenpflicht in Arztpraxen ist weiterhin sinnvoll.Joachim Leitz Internist in Bretten
Eine weitgehende Lockerung der Corona-Verbote wird nach Einschätzung de Medizingers Leitz von der Bevölkerung überwiegend positiv gesehen. Richtig sei, dass das Tragen einer Maske in das Ermessen eines jeden Einzelnen gestellt werde, bei größeren Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen sei es auch weiterhin sinnvoll. „Und auch die Maskenpflicht in Arztpraxen ist durchaus sinnvoll und wird vermutlich auch noch weiter aufrecht erhalten“, so der Brettener Internist.
„Zu möglichen Auswirkungen der neuen Variante XXB.1.5 kann ich nur spekulieren, fundierte Aussagen dazu kann ich derzeit nicht treffen“, sagt Leitz. Auch das Thema „Long Covid“ sei sehr speziell, da die Verläufe sehr unterschiedlich sind. Eine allgemeine Stellungnahme dazu sei nur schwer möglich.