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Güterzug

Auf Gleis sieben zwischengeparkt

Warum 200 nagelneue Audis fast drei Wochen im Brettener Bahnhof stehen

Auf dem Abstellgleis: Seit beinahe drei Wochen steht ein Güterzug mit 200 nagelneuen Autos auf Gleis 7 im Brettener Bahnhof. Was ist da los?
3 Minuten
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Fast drei Wochen stand er auf Gleis sieben im Brettener Bahnhof. Die Pendler hatten sich schon an den Anblick des ellenlangen Güterzugs gewöhnt, der mit rund 200 nagelneuen Audi A6 Avant bestückt war.

Und mancher fragte sich, warum diese Neuwagenflotte dort steht und ob die Nobelkarossen nicht irgendwo sehnlichst erwartet werden.

Nahverkehr nicht beeinträchtigt

Warum die lange Wartezeit? Die Brettener Nachrichten haben nachgeforscht. Und zunächst einmal erfahren, dass der KVV sowie die DB Bahn mit der Sache nichts zu tun haben.

Der KVV sagt, der Güterzug auf Gleis sieben tangiere den Pendlerverkehr nicht und störe auch den Zugbetrieb nicht. Die DB-Pressestelle in Stuttgart verweist auf die DB-Cargo. Und von dort gibt es eine interessante Rückmeldung.

Täglich 3.600 Güterzüge unterwegs

Die entpuppt sich allerdings zunächst als aufschlussreicher Grundkurs zum Güterverkehr in Deutschland. Gefragt nach dem besagten Zug in Bretten, kommt die ernüchternde Feststellung: „Täglich sind rund 3.600 Güterzuge in Deutschland unterwegs, wir können unmöglich sagen, welcher Zug irgendwo steht“, erklärt der Pressesprecher von DB-Cargo.

Er könne noch nicht einmal sagen, ob das überhaupt ein Güterzug von DB Cargo sei. Man habe zwar rund 44 Prozent Marktanteil, aber immerhin 200 Mitbewerber. Doch Audi zähle schon zu den eigenen Kunden, für die man Autos quer durch Europa fahre.

Dass der Güterzug fast drei Wochen in Bretten auf dem Abstellgleis steht, muss laut DB Cargo noch nicht viel bedeuten. Anders als im Personennahverkehr, wo jede zeitliche Verzögerung den Unmut der Kunden erweckt, könnten im Güterverkehr schon mal Waren auf der Strecke zwischengeparkt werden.

Der Güterzug habe einen Laufweg, der mit dem Kunden vereinbart ist, die Parkzeit könne durchaus planmäßig und mit dem Kunden so abgesprochen sein.

Baustellen Grund für Verzögerung

Was in diesem Fall allerdings nicht zutrifft, wie bei der Audi-Pressestelle in Neckarsulm zu erfahren ist.

Ein Pressesprecher teilt mit, dass die globale Lage im Gütertransport mit den Lieferketten zwar komplex, doch in diesem Fall die Sache wohl sehr einfach sei: Aufgrund von diversen Baustellen hätten sich Verzögerung ergeben, so dass manche Güterzüge nicht bis zum Ziel fahren konnten, sondern auf der Strecke zwischengeparkt wurden.

Besagter Güterzug sei wohl in Neckarsulm beladen worden und nicht sehr weit gekommen.

Verschiffung nach Übersee

Werden die Autos nicht irgendwo dringend erwartet? „In diesem Fall gehe ich davon aus, dass die Autos nach Emden gebracht und von dort verschifft werden“, sagt der Audi-Pressemann. Entweder nach England oder Irland oder in die USA, nach Kanada und Mexiko oder auch nach Japan und Taiwan.

Schiene als bevorzugter Lieferweg

Die Schiene sei übrigens der bevorzugte Lieferweg des Automobilherstellers, teilt die Presseabteilung weiter mit. Der Anteil werde immer größer, derzeit würden rund zwei Drittel der Neuwagen auf der Schiene transportiert, allein schon aus Klimaschutzgründen. Lkw nutze man nur dann, wenn es nicht anders geht, heißt es.

Das Zwischenparken sieht der Mann aus Neckarsulm gleichfalls nicht als problematisch an. In der Regel lösten sich solche Verzögerungen schnell auf, und da man permanent Neuwagen nach Übersee verschiffe, entstünden wohl auch keine Lieferengpässe.

Auch der Unternehmenssprecher von DB Cargo betont die Vorteile des Transports auf Gleisen: Die Wirtschaft boomt, die Nachfrage nach klimaneutralen Gütertransporten steige – eine überaus erfreuliche Geschichte.

Massive Probleme im Güterverkehr

Wenn da nicht die vielen Baustellen, ein schlechtes Baustellenmanagement und ein Mangel an Lokführern wären, wie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung moniert.

Ganz zu schweigen von den begrenzten Gleiskapazitäten, die den Gütertransport einschränken. Auch der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, spricht von teilweise chaotischen Zuständen, die Gewerkschaft Deutscher Lokführer fordert gar eine Bahnreform.

Der DB-Cargo-Sprecher drückt sich diplomatischer aus: Das Gleisnetz sei der limitierende Faktor, da bestünde zugegebenermaßen Nachholbedarf in Sachen Sanierung und Erweiterung. Dass aber 300 Güterzüge im Land irgendwo zwischengeparkt seien, wie jüngst die FAZ berichtet habe, sei allenfalls ein Ausreißer.

In der Regel stünden vielleicht 30 bis 50 Züge aus unterschiedlichen Gründen auf der Strecke, das sei überschaubar und steuerbar. Im Übrigen rumple es ja derzeit in der globalen Warenwirtschaft gewaltig, Deutschland sei da keine Ausnahme. Doch grundsätzlich suche man mit den Kunden individuelle Lösungen mit dem Ziel: Wann wird welche Ware wo gebraucht?

Den Zwischenhalt Bretten gibt es mittlerweile übrigens nicht mehr: Am späten Mittwochabend hat sich Audi-Tross in Bewegung gesetzt und den Brettener Bahnhof nach dreiwöchigen Zwischentopp wieder verlassen. Vermutliches Ziel: Emden.

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