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Anstieg der „Anrufstraftaten“

Brettener berichtet von Betrugsversuch: „Meine Frau war geschockt, als sie den Anruf entgegennahm“

Die Zahl der sogenannten Anrufstraftaten ist in Bretten im vergangenen Jahr massiv angestiegen, die Schadenssumme liegt im sechsstelligen Bereich. Ein Brettener erzählt, wie dreist die Betrüger vorgehen.

Die Zahlen steigen: In Bretten wurden laut Brenner im Jahr 2021 noch 13 Betrugsversuche mit „falschen Polizeibeamten“ angezeigt, in diesem Jahr seien es bereits fast doppelt so viele.
Die Zahlen steigen: In Bretten wurden laut Brenner im Jahr 2021 noch 13 Betrugsversuche mit „falschen Polizeibeamten“ angezeigt, in diesem Jahr seien es bereits fast doppelt so viele. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

„Meine Frau war geschockt, als sie den Anruf entgegennahm“, berichtet Harald Keuerleber aus Bretten-Bauerbach. Da habe jemand am Telefon bitterlich geweint und von einem Unfall gesprochen, bei dem eine schwangere Frau ums Leben gekommen sei.

Der Senior übernahm den Hörer – auch auf der anderen Seite wechselte der Sprecher. Er sei von der Brettener Polizei, erklärte der Mann und suggerierte dem Bauerbacher, dass dessen Sohn der Unfallverursacher sei. Wo denn der Unfall passiert sei, wollte Keuerleber wissen. „In Karlsruhe“, sagte der vermeintliche Polizeibeamte.

„Erst da wurde mir klar, dass es sich hier um so eine Art Enkeltrick handelt, denn mein Sohn lebt im Ruhrgebiet, am Morgen hatte ich noch mit ihm telefoniert“, berichtet der Bauerbacher weiter. Er habe dann aufgelegt und die Polizei angerufen. Die wiederum informierte ihn darüber, dass er an diesem Tag nicht der Einzige war, der mit einem derartigen Schockanruf überrumpelt werden sollte. Es hätten bereits vier weitere Betroffene solche Anrufe angezeigt.

Vom Enkeltrick hatte ich schon gehört, aber in der Situation braucht man schon etwas Zeit, um zu realisieren, dass gerade so etwas läuft.
Harald Keuerleber aus Bretten-Bauerbach

„Vom Enkeltrick hatte ich schon gehört, aber in der Situation braucht man schon etwas Zeit, um zu realisieren, dass gerade so etwas läuft“, räumt der 79-Jährige freimütig ein. Ähnliche Festnetzanrufe habe er allerdings schon von vermeintlichen Kripobeamten und angeblichen Microsoft-Mitarbeitern bekommen, die in schlechtem Englisch irgendetwas daher gestottert hätten. Wenn er bestimmte Nummern sehe, nehme er das Telefon schon gar nicht mehr ab, erklärt Keuerleber.

Das sei mittlerweile ein Massenphänomen, sagt Bernhard Brenner, der Leiter des Brettener Polizeireviers. Und es komme leider immer wieder vor, dass sich vor allem ältere Menschen hinter die Fichte führen ließen. Meist ginge es um viel Geld. Mittlerweile seien allerdings viele Bankmitarbeiter sensibilisiert, wenn ältere Kunden urplötzlich größere Summen Bargeld abheben wollten, und verständigten die Polizei.

Massiver Anstieg der Betrugsversuche in Bretten

Die Zahlen steigen: In Bretten wurden laut Brenner im Jahr 2021 noch 13 Betrugsversuche mit „falschen Polizeibeamten“ angezeigt, in diesem Jahr seien es bereits fast doppelt so viele. Auch bei den Enkeltrick- oder Schockanrufen lag die Zahl der Anzeigen bereits bis Ende September deutlich höher als im gesamten Vorjahr, wo 27 Fälle registriert wurden. In beiden Jahren sei es aber glücklicherweise nur bei Versuchen geblieben, Erfolg hatten die Gauner nicht.

Weniger glimpflich seien indes die Opfer von sogenannten „Gewinnversprechen“ davongekommen, berichtet der Revierchef. „Sie wurden aufgefordert, mit einem kleineren Betrag in Vorleistung zu gehen, um dann Zug um Zug ausgenommen zu werden, weil die Gewinnausschüttung aus diversen Gründen noch nicht funktioniere“, berichtet Brenner weiter. Am Ende seien die Opfer 20.000 oder 30.000 Euro los gewesen.

Neue Masche per WhatsApp

Brenner berichtet darüber hinaus von einer neuen Masche, die die Beamten im Zuständigkeitsbereich des Brettener Reviers seit Jahresbeginn vermehrt beobachten. Es handelt sich dabei um sogenannte WhatsApp-Betrugs-Delikte.

Bei dieser Art von besonders schwerem Betrug werde den Opfern die vermeintlich neue Handynummer eines Angehörigen mitgeteilt. Dieser „Angehörige“ bittet im gleichen Chat daraufhin um die Zahlung einer oder mehrerer Rechnungen, da dies mit dem neuen Handy noch nicht möglich sei.

„Eine Geschädigte nahm aufgrund einer solchen Nachricht sogar mehrere Überweisungen für ihren vermeintlichen Sohn vor“, berichtet Brenner. Bis man auf den Betrug aufmerksam wurde, sei die Geschädigte bereits um mehrere Tausend Euro geprellt worden. In diesem Jahr habe es im Brettener Revierbereich bereits eine ganze Reihe solcher Betrugsdelikte gegeben. Den Gesamtschaden schätzt Brenner auf einen sechsstelligen Geldbetrag.

Polizeichef empfiehlt: Einfach den Namen aus dem Telefonbuch streichen

Bei den sogenannten Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, worunter unter anderem Schockanrufe, Enkeltrick, Gewinnversprechen und falscher Polizeibeamter fallen, verzeichnet die Polizei ebenfalls einen starken Anstieg.

„Genaue Zahlen darf ich nicht preisgeben, doch die Schadenssummen verdoppeln sich von Jahr zu Jahr und bezogen auf das gesamte Karlsruher Polizeipräsidium sind wir hier inzwischen bei einem Gesamtschaden von weit über einer Million Euro“, bekundet der Brettener Revierleiter.

Bernhard Brenner leitet das Brettener Polizeirevier.
Bernhard Brenner leitet das Brettener Polizeirevier. Foto: Thomas Rebel

Beliebt sei auch der vorgetäuschte Anruf der Polizei – im Display taucht die Nummer 110 auf – die darüber informiert, dass in der Nachbarschaft eingebrochen worden sei. Ob man denn Wertsachen im Haus habe? Ein freundlicher Polizeibeamter würde vorbeikommen und die Wertsachen gerne in Verwahrung nehmen.

„Die Täter suchen im Telefonbuch nach altertümlich klingenden Namen und versuchen einfach ihr Glück“, berichtet Brenner weiter. Die einfachste Lösung, den Spuk zu beenden, sei, seinen Namen aus dem Telefonbuch streichen zu lassen. Denn Freunde und Bekannte bräuchten kein Telefonbuch, um anzurufen.

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