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Scheitern oft mit Scham besetzt

Brettener Schuldnerberatung befürchtet, dass die finanzielle Not bei vielen Menschen steigen wird

Überleben von 1.096 Euro monatlich ist ohne Pandemie schon schwer. Wie sieht es erst aus, falls ein Arbeitsplatz wegfällt? Zahlen hat die Schuldnerberatung Bretten noch nicht. Viele Betroffene kämen allerdings erst, wenn sie gar keinen Ausweg mehr sehen.

Die Sorge wächst: Die Pandemie bringt mit den Firmen deren Personal in Schwierigkeiten. Noch aber suchen nur Einzelne Hilfe bei der Schuldnerberatung Bretten.
Die Sorge wächst: Die Pandemie bringt mit den Firmen deren Personal in Schwierigkeiten. Noch aber suchen nur Einzelne Hilfe bei der Schuldnerberatung Bretten. Foto: Angelika Warmuth picture alliance / Angelika Warmuth/dpa

Noch suchen nur Einzelne Hilfe bei ihm, sagt Jörn Schulze. Er ist beim Diakonischen Werk Bretten unter anderem für die Schuldnerberatung zuständig und sorgt sich, dass die Pandemie die Lage seiner Klientel verschärfen könnte, auch wenn bislang ein Run auf die Schuldnerberatung ausgeblieben sei. Das wundere ihn aber keineswegs.

„Viele kommen erst, nachdem sie alles in ihren Kräften Stehende getan haben“, sagt Schulze. „Die meisten bemühen sich so lange wie irgend möglich, ihre Situation selbst zu lösen und stecken sehr viel Energie hinein.

Sie wenden sich meist erst an uns, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen. Leider oft erst, wenn aus einer Verschuldung eine Überschuldung wird.“

Scham spielt eine große Rolle

Er erfährt in Gesprächen, dass manche Ratsuchende noch von Rücklagen leben, die sie eventuell für kleinere Notfälle angespart haben, wie den denkbaren Ausfall einer Waschmaschine oder auch für einen kleinen Urlaub. Dann bezahlten sie hiervon in Zeiten wie diesen ihre Miete – solange es eben gehe, denn der Urlaub falle in diesen Zeiten ja ohnehin flach.

Den Grund für das Zögern der Hilfesuchenden kennt Schulze: „Finanzielles Scheitern ist schambesetzt.“ Viele Menschen glaubten laut Schulze, „sie gelten dann als jemand, der nicht mit Geld umgehen kann“.

Dabei sei nur in knapp 16 Prozent der Fällen unwirtschaftliche Haushaltsführung die Ursache von Überschuldung. Aber er glaube an den mündigen Bürger.

Schulze weiß aus Erfahrung, dass stets erst das persönliche Gespräch mit dem Gläubiger gesucht werden sollte. „Das hilft meist besser, als gleich mit einem Berater oder Anwalt aufzutauchen.“

Häufig wird dann aus einer Verschuldung eine Überschuldung.
Jörn Schulze, beim Diakonischen Werk Bretten auch zuständig für die Schuldnerberatung

Allerdings gebe es bestimmte Kennmarken für den Zeitpunkt, wann man besser gleich Hilfe suchen sollte. Dazu zählt Schulze den Moment, in dem eine Einigung mit dem Gläubiger scheitert.

Ein anderer sei erreicht, wenn Forderungen an ein Inkassobüro gegeben wurden. Denn dann kämen häufig zu hohen Gebühren womöglich versäumte Widerspruchsfristen hinzu. Und sobald das zivile Verfahren ins gerichtliche Mahnverfahren übergehe, könnten auch hierfür weitere Kosten folgen.

Ein dritter Zeitpunkt sei der, wenn man beim Gegenüberstellen aller Einkünfte und Verbindlichkeiten ein Defizit feststelle. Sollte sich dieses auch nicht beheben lassen, obwohl man verzichtbare Ausgaben gestrichen habe – beispielsweise für ein Fitnessstudio – dann sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Schuldnerberater rät: Besser früher als zu spät anfragen

Der Schuldnerberater kennt die Hemmschwelle seiner Klientel, sich in dem Moment über das eigene Ohnmachtsgefühl hinweg setzen zu müssen, und hat Verständnis. Dennoch sei es besser, früher als zu spät anzufragen.

Menschen, die bei der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks Hilfe suchen, verfügen zum Großteil über ein durchschnittliches Monatseinkommen von 1.096 Euro monatlich. Komme dann eine Umbruchsituation hinzu, funktioniere die ganze Lebensbasis nicht mehr.

Umbruchsituationen seien etwa eine Trennung oder Scheidung oder der Verlust eines Arbeitsplatzes – wie er in der Pandemie wohl nicht immer ausbleiben werde. Auch stelle bei zwei Geringverdienern schon das an sich schöne Ereignis der Geburt eines Kindes einen finanziell schwerwiegenden Einschnitt dar, der oft Probleme bereite.

Ratsuchende aus dem gewerblichen Sektor kann Schulze an Handwerkskammern, IHK oder den Deutschen Hotel und Gaststättenverband verweisen. Diese bieten für Mitglieder, die nicht Privatkunden sind, oft auch eine betriebswirtschaftliche Beratung an.

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