Von Florian Ertl, Tanja Schmith, Wolfgang Voigt, Sebastian Kapp, Jörg Seiler
Unter besonderen Hygienevorschriften wegen der Corona-Pandemie hat in Baden-Württemberg an rund 4500 Schulen für 1,5 Millionen Schüler und mehr als 35 000 Lehrer Heute ein neues Schuljahr begonnen. Damit sind die Sommerferien auch im letzten Bundesland vorbei.
Trotz Kritik von Verbänden und Gewerkschaften sieht Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) das Land gut gerüstet. Ab Klasse fünf und an den weiterführenden Schulen gilt Maskenpflicht auf sogenannten Begegnungsflächen wie Schulfluren, Aula und Toiletten. Im Unterricht soll auf Masken verzichtet werden.
Das Abstandsgebot an den Schulen gilt nicht mehr. Das Kultusministerium setzt stattdessen auf das sogenannte Kohortenprinzip - also Gruppenbildung -, um das Infektionsgeschehen nachvollziehen zu können und möglichst keine ganzen Schulen schließen zu müssen. Unsere Reporter haben sich in der Frühe um gesehen.
Abstand halten, müssen Brettener Schüler noch lernen
Auch am Brettener Melanchthon-Gymnasium starten die Schülerinnen und Schüler ins neue Schuljahr. Das Einzugsgebiet der Schule ist verhältnismäßig groß. Die Schülerschaft kommt zum Teilen aus Bretten, den übrigen Eingemeindungen der Stadt, aber auch aus Knittlingen und den Gemeinden Walzbachtal und Oberderdingen. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler fährt deswegen ohnehin mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Am ersten Tag nach den Ferien verhielt sich das nicht anders. Die Busse und Stadtbahnen waren teils überfüllt. Vor allem die Busverbindungen, die am Melanchthon-Gymnasium halten waren voll ausgelastet. Elterntaxis gab es trotz der anhaltenden Corona-Pandemie nur vereinzelt zu beobachten. Nahezu alle Insassen der Busse verhielten sich vorbildlich und trugen Masken.
Vor dem Schulgelände sammelten sich dann jedoch die Schülermassen der größten Brettener Schule. Hier trugen zahlreiche Schüler keine Masken und hielten keinerlei Sicherheitsabstand. Nachdem dann auch noch die Schüler der benachbarten Wolfgang-Peter-Hebel-Schule mit weiteren Bussen eintrafen, kamen mehr als 70 Schüler auf sehr engem Raum zusammen.
Ein solches Gedränge hätte wohl vermieden werden können, wenn hier Lehrkräfte für Ordnung gesorgt hätten. Auf dem Schulgelände selbst patrouillierten zwar Lehrkräfte an den Eingängen, um sicherzustellen, dass die Mindestabstände eingehalten werden und sich jeder, der das Schulhaus betritt, die Hände an einem der zahlreichen Desinfektionsmittel-Spender desinfiziert. Die Bereiche der Bushaltestellen blieben unbeaufsichtigt.
Guter Schulstart in Bruchsal und Umgebung, aber auch Verständnisprobleme
Ein bisschen Unsicherheit kann man den Schülern am Montagmorgen ansehen. Viele werden von ihren Eltern gebracht, einige der älteren Schüler kommen alleine, mit dem Fahrrad oder dem Cityroller. Auf dem Schulhof der Lußhardt-Gemeinschaftsschule in Forst sind mit Absperrband Wartebereiche für die Schüler angezeigt. „Es ist Zeit, dass es wieder los geht“, sagt Steffi Kögler. Ihre Tochter Lea-Sophie geht in die dritte Klasse. Lea-Sophie und ihre Klassenkameraden freuen sich auf den ersten Tag. Genauso wie die meisten Eltern.
Schwierig, den Kinder zu erklären, warum die Jüngeren keine Maske tragen müssen aber die älteren Kinder schon.Mirjam Müller, Mutter
„Man muss sich einfinden in die Zeit, aber es ist wieder ein Stück zurück zur Normalität“, sagt Hedwig Prinz. Sie bringt heute den Sohn ihrer Nichte zur Grundschule. Nach und nach finden sich die Kinder ein. Viele tragen eine Maske, auch einige der Grundschüler. Maskenpflicht gilt erst ab der fünften Klasse. „Es ist ganz schön schwierig, das den Kinder zu erklären, warum die Jüngeren keine Maske tragen müssen, aber die älteren Kinder schon“, sagt Mirjam Müller.
Zu klagen haben die Schüler der Gemeinschaftsschule. Beim Treffpunkt, den ein Schild mit einer großen „Sieben“ kennzeichnet, stehen die Jugendlichen in kleinen Gruppen zusammen, alle tragen eine Maske. „Es ist cool, dass wieder Schule ist. Nur die Masken sind doof“, sagt Ashley aus der siebten Klasse. „Man versteht die anderen so schlecht damit“, meint die Schülerin. Der zwölfjährige Fabian freut sich, trotz Maske auf dem Pausenhof, auf den Schulstart. „Vor allem darauf, meine Freunde wieder zu sehen.“
Schulleiter Stephan Walter ist zufrieden mit dem ersten Tag. „Es lief alles ruhig ab heute Morgen, die Planung hat funktioniert“, freut sich der Schulleiter. Er sieht dem Schultag entspannt entgegen. Damit die Abstandsregeln eingehalten werden können, hat die Schule beispielsweise verschiedene Pausenregelungen für die Klassen eingeführt. Zudem seien die Grundschüler räumlich von den Schülern der Gemeinschaftsschule getrennt.
Es gibt einige Corona-Leugner.Stephan Walter, Schulleiter
Sorgen macht sich Walter nur bei wenigen Ausnahmen. „Es gibt einige Corona-Leugner“, schildert er. „Eine Person hat sich gemeldet, die es für unzumutbar hält, dass ihr Kind eine Maske tragen muss.“ Falls sich Kinder dauerhaft nicht an die Maskenpflicht halten, würde das einen Unterrichtsausschluss zur Folge haben. „Aber wir hoffen, dass das Einzelfälle bleiben.“ Klar ist auch noch nicht, wie viele Schüler zum Präsenzunterricht kommen. „Da müssen wir die nächsten Wochen abwarten“, so Walter.
„Es war turbulent“, sagt Andrea Mutter vom Bruchsaler Justus-Knecht-Gymnasium. Die Schulleiterin ist dennoch zufrieden mit dem Start. Fast alle Klassen des größten Bruchsaler Gymnasiums seien vollzählig. Am JKG war der Schulbus-Verkehr Thema in Elterngesprächen. „Da besteht eine große Sorgen bei den Eltern. Viele Schüler wurden deshalb heute von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht“, so Mutter. Probleme mit der Maskenpflicht oder den Abstandsregeln hätte es am ersten Schultag nicht gegeben.
Akzeptiert werden die Corona-Regeln im Bruchsaler Schönborn-Gymnasium. „Wir haben das lange vorbereitet und geplant. Es lief alles gut“, sagt Schulleiter Georg Leber. Er ist zufrieden mit dem Schulstart und blickt zuversichtlich auf das Schuljahr. „Unser Ziel ist es, das ganze Jahr den Präsenzunterricht zu machen.“ Damit wolle die Schule wieder ein Stück Normalität schaffen.
Corona-Erfahrung erleichtert den Karlsruher Schuljahresstart
Im Karlsruher Bismarckgymnasium mahnen Plakate mit Maske tragenden antiken Büsten zur Vorsicht, im Kantgymnasium stehen die Schultore des Gebäudes weit offen, um die Gefahr durch Aerosole möglichst klein zu halten, am Rüppurrer Max-Planck-Gymnasium marschieren die Schülerinnen und Schüler diszipliniert aufs Hauptportal zu und ziehen ihre Masken auf: Der erste Schultag nach den großen Ferien hat planmäßig begonnen.
In den Schulen sind vielfach Einbahn-Regelungen in Betrieb, Schüler-Massen auf den Toiletten werden unterbunden. Die Stimmung sei relativ unaufgeregt, hat Oberstufenschüler Pascal Wagner am Max-Planck-Gymnasium beobachtet. Er führt es auch auf die bereits vorhandene Erfahrung im Umgang mit den Präventionsmaßnahmen zurück.
Die meisten Schülerinnen und Schüler haben ihre Praxis beim Schulweg augenscheinlich nicht verändert: Ein überbordendes Aufkommen an „Elterntaxis“ war in der Frühe nicht festzustellen. Auch der Sprecher der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), Michael Krauth, sprach von normalem Betrieb. Man habe ein „sehr umfangreiches Angebot an Bussen und Bahnen“ im Einsatz gehabt. Der Betrieb sei reibungslos und mit dem üblichen Andrang zum Schuljahresauftakt gelaufen.
Kein Elterntaxi parkt in Pforzheim in zweiter Reihe
In Pforzheim gab es erstaunliche Dinge zu beobachten: Parklücken nämlich. Und das kurz vor 8 Uhr vor dem Hilda-Gymnasium. Kaum ein Auto, das einmal in zweiter Reihe geparkt hätte. Also ist das Elterntaxi-Chaos ausgeblieben? „Es ist mir jedenfalls nicht aufgefallen, dass es häufiger gewesen wäre als sonst auch“, meint Lehrer Georg Hauser.
Von der nahen Bushaltestelle kommt Alex (17) her. „Es war normal voll im Bus“, berichtet er, beschwert sich über die Maskenpflicht. „Das sollte jeder selbst entscheiden“, meint er. Die Maske hat er dennoch dabei.
Es geht darum die Verkehrsteilnehmer wieder aneinander zu gewöhnen.Thomas Nonnenmann und Bianca Bauer, Polizei Pforzheim
Sorgen macht man sich bei der Polizei Pforzheim daher weniger um den Verkehr als mehr um die Kleinsten. Die Beamten Thomas Nonnenmann und Bianca Bauer standen im Rahmen einer entsprechenden Aktion an der Nordstadt-Grundschule zur Verkehrsüberwachung und Hilfe bereit. „Die Kinder waren jetzt monatelang zu Hause. Und sie sind die schwächsten im Straßenverkehr.“ Nun gehe es darum, „die Verkehrsteilnehmer wieder aneinander zu gewöhnen“. Deshalb werde man in den kommenden zwei, drei Wochen täglich derartige Aktionen im ganzen Stadtgebiet durchführen.
In Bühl kommen mehr radelnde Schüler als Elterntaxis
7.25 Uhr vor der Bühler Carl-Netter-Realschule. Unterrichtsstart nach den Sommerferien unter Corona-Bedingungen. Die Schülerinnen und Schüler strömen in Scharen herbei – angesichts des sommerlichen Wetters ist das Fahrrad das Verkehrsmittel der Wahl.
Stichprobe bei einem Vater, der gerade seine Jungs bringt: Ist das nun das corona-bedingte Elterntaxi? „Nein“, sagt der Mann. Ähnlich äußert sich ein weiterer Papa. Er komme auf dem Weg zur Arbeit sowieso an der Schule vorbei, da kann der Sohnemann dann gleich mitfahren. Auch an der benachbarten Aloys-Schreiber-Schule stauen sich die Elterntaxis nicht.
Die Busse bringen jede Menge Schüler, ein Schulbusfahrer hat sein Gefährt gerade auf dem Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) abgestellt, macht eine Zigarettenpause. Nein, sagt der Mann, die Busse seien nicht gravierend leerer als sonst. Aber momentan würden auch viele Schülerinnen und Schüler wegen des guten Wetters noch mit dem Fahrrad fahren. Dann öffnet die Schule ihrer Pforten, und sehr geordnet – mit Masken – marschieren alle ins Gebäude. Es sei wieder richtig Betrieb, sagt später eine Bäckerei-Mitarbeiterin, Schule eben. Das war aber auch das Einzige, was an diesem Montagmorgen auffiel.