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Diktatur in Bretten

Eihandgranaten und „Wunderwaffen“ – Brettens Wirtschaft im Zweiten Weltkrieg

Die Brettener Industrie hat sich in der NS-Zeit schnell umgestellt und Rüstungsgüter produziert. Teile des MG 42 wurden in Bretten hergestellt.

Waffenteile und Munition
Eihandgranaten, aber auch Teile für das Maschinengewehr MG 42 wurden in Bretten gefertigt. Das Foto zeigt Produkte der Firma C. Beuttenmüller und Cie aus dem Bestand im Stadtmuseum. Foto: Stadtmuseum Bretten

Die Rüstungsproduktion während der Zeit des Nationalsozialismus ist in Bretten bis heute kaum erforscht. Kaum jemand weiß, dass Brettener Unternehmen zwischen 1939 und 1945 Waffen, Munition, Ausrüstungsgegenstände und Bauteile für Hitlers „Wunderwaffen“ produzierten.

Bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich Bretten zu einem bedeutenden Industriestandort für die Metall, Holz und Kork bearbeitende Industrie entwickelt. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichte die Produktion einen hohen Stand. Besonders die Herdfabriken Neff (seit 1877), MALAG (gegründet von Machul Aaron Lämle (1849 bis 1936) und sein Nachfolger Adolf Muckenfuß sorgten in Bretten durch ihren wirtschaftlichen Aufstieg für Wohlstand und Arbeitsplätze.

Weit über 2.000 Arbeitsplätze in der Industrie

Daneben zählten die Firmen C. Beuttenmüller & Cie. (1862 bis 1975), die Kühlapparatefabrik Schmidt (seit 1879) sowie die aus der K.G.A. Schmidt hervorgegangene Firma für Bleistiftspitzer Josef Mellert zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Bei einer Einwohnerzahl von 5.623 Personen waren bei Kriegsausbruch schätzungsweise 2.000 bis 2.500 Personen in Brettens Industrie beschäftigt.

Während der Kriegsjahre erhöhte sich der Bedarf an Beschäftigten in bisher kaum gekanntem Maße. Die Aufrüstung forderte Veränderungen im Produktionsprogramm und später schließlich die Erweiterung der Produktionsstätten. So wurde mangels Ausdehnungsmöglichkeiten in Bretten durch Josef Dehm in Rinklingen eine neuzeitliche Eisengießerei mit mehrfach erhöhter Kapazität erstellt. Sie ging im August 1940 in Betrieb.

Zwangsarbeiter müssen Lücken schließen

Die zum Wehrdienst eingezogenen männlichen Jahrgänge wurden nach und nach durch rekrutierte „ausländische Zivilarbeiter“ und im weiteren Kriegsverlauf von Zwangsarbeitern aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten ersetzt. Fast die gesamte Produktion wurde auf die militärischen Notwendigkeiten ausgerichtet.

Die Zuweisung von Rüstungsaufträgen brachte andererseits auch eine gewisse Ausweitung der industriellen Produktion durch neue Materialien und Fertigungsmethoden. Hierbei spielten die Erfahrungen, das Fachwissen aus der zivilen Metall verarbeitenden Produktion eine maßgebliche Rolle bei der Umstellung auf Kriegsproduktion.

Die Erzeugnisse wurden an Ort und Stelle von sogenannten Übernahmebeamten geprüft und an den Bestimmungsort geleitet. Einige Unternehmen, besonders im Metall verarbeitenden Gewerbe, konnten ihre Produktion fortsetzen und ausbauen, da bereits vor Beginn der Aufrüstung neben zivilen Produkten (Töpfe, Laternen, Kerzenständer oder Grabschmuck) auch militärische Ausstattungsgegenstände wie Koppelschlösser und Ausrüstungsteile gefertigt wurden.

MG-Teile Made in Bretten

Ebenfalls aus dem militärischen Bereich stammen die von der Firma Beuttenmüller fabrizierten Bauteile für das Universal-Maschinengewehr Modell 42 (bekannt als MG 42), das ab 1942 in Massenproduktion ging und vorrangig aus Stanz- und Umformteilen hergestellt wurde. Dieser Gewehrtyp wurde von der deutschen Wehrmacht bis 1945 eingesetzt.

Dass auch die Herd- und Backofen-Fabrik Carl Neff nicht nur Herde produzierte, belegen Briefe von 1941: In denen bittet Carl Neff den Bürgermeister der Stadt Bretten um die Genehmigung zur Einrichtung einer Arbeitsbaracke. Dort wurden umfangreiche Arbeitsaufträge zur Herstellung von Flugzeugteilen mit der Wehrmachts-Auftrags-Nr. „SS“ 9655/41 sowie der Sonderstufe „SS“/III/41 erledigt. Bis Mitte 1942 galten Aufträge dieser Klassifikation als höchster Ausweis der eigenen Kriegswichtigkeit. Nach Zeitzeugenberichten produzierte Neff unter anderem Aluminiumbauteile für das erste in Serie gebaute Strahlenflugzeug der Welt, die Messerschmitt ME 262.

Bei Josef Mellert wurden während des Krieges mechanische Zünder für Handgranaten gefertigt, die in einem zweiten Produktionsschritt bei der Firma MALAG/Adolf Muckenfuß zu Eihandgranaten des Typs M39 montiert und fertiggestellt wurden. Auch die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik (DWM) hatte zur gleichen Zeit eine Niederlassung in Bretten errichtet, bei der nachweislich mindestens 18 Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Über den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen in der Brettener Rüstungsindustrie ist bislang wenig bekannt.

Weitere Infos erwünscht

Über weitere Informationen zur Kriegswirtschaft in Bretten freut sich das Stadtarchiv. Kontaktaufnahme per Mail an stadtarchiv@bretten.de oder unter Telefon (0 72 52) 92 11 52.

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