Abstrampeln muss sich Michael Nöltner nicht. Mit Hemd, Sakko und rotem Helm auf dem Kopf steuert Brettens CDU-Bürgermeister ein dreirädriges E-Lastenfahrrad über den Seedammparkplatz. Er fühlt sich sichtbar wohl. Nach wenigen Pedalumdrehungen lehnt er sich sogar in die Kurve, um die Neigungsfunktion zu testen.
Privat ist der Rathausvertreter am Freitagmittag nicht dabei. Er ist Gastgeber für die sogenannte „Cargobike Roadshow“. Nöltners Testmodell ist eines von zwölf Fahrzeugen, die Besucher von elektrisch unterstützten Lastenrädern überzeugen sollen.
Initiative „Cargobike.jetzt“ wirbt in Bretten für Mobilitätswende
Das Lastenrad-Dutzend stammt von unterschiedlichen Herstellern. Zur Auswahl stehen zwei- und dreirädrige Modelle, Marktneuheiten und schon länger erhältliche. Sie wecken im Laufe des Tages die Neugier von zahlreichen Brettenerinnen und Brettenern. Immer wieder bleiben Menschen stehen, informieren sich, treten in die Pedale.
„Alle Testräder haben einen E-Antrieb, der bis maximal 25 Stundenkilometer unterstützt“, erklärt Stephanie Ellers von „Cargobike.jetzt“. Die Initiative veranstaltet die Roadshow. Das Team sei überzeugt, dass „eine echte Verkehrswende nur mit dem Lastenrad möglich ist“, heißt es auf der Webseite.
Die Modelle seien in unzähligen Varianten erhältlich, die mit zusätzlichen Ausstattungen erweitert werden könnten, ergänzt die Expertin. Selbst Menschen mit eingeschränkter Mobilität könnten von einem Modell mit drei Rädern profitieren. Ein zusätzliches Rad verbessere die Stabilität während der Fahrt.
„Ich bin selbst von diesem Rad beeindruckt und fahre es gerne, auch wenn ich nicht mobilitätseingeschränkt bin“, schwärmt Ellers. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) und der lokale Radhändler „Tretlager“ sind mit einem Infostand auf dem Seedammparkplatz vertreten.
Heidelsheimer schwärmt vom Lastenrad-Sharing
Unter den Besuchern sind nicht nur informationswillige Lastenrad-Neulinge. Auch langjährige Fans und regelmäßige Nutzer mischen sich darunter. Zu denen zählt Holger Rieger aus dem Bruchsaler Stadtteil Heidelsheim, der sich mit zwei Familien aus seiner Nachbarschaft ein Lastenrad angeschafft hat.
„Wir haben uns die Kosten geteilt. Wenn ich das Fahrrad benötige, dann schreibe ich eine kurze Nachricht an meinen Freund“, erzählt er. Über die Onlineplattform „Lastenkarle“ bietet die Gemeinschaft das Lastenrad außerdem auf Spendenbasis zum Ausleihen an.
Die Plattform kontrolliert beim erstmaligen Buchen die Personaldaten. So seien die Vermieter abgesichert, erklärt Rieger. Nach dem ersten Mal sei das weitere Ausleihen mit wenig Aufwand verbunden. „Häufig ist das die Vorbereitung für den Kauf eines eigenen Lastenrads“, ist der Heidelsheimer sicher.
Es brauche aber noch viele weitere Familien, die sich ein Lastenrad gemeinsam anschaffen, sich die Finanzierung teilen und es zum Mieten anbieten, findet Holger Rieger. Vom Sharing-Modell ist er komplett überzeugt. Ein eigenes Auto hat er seit über 25 Jahren nicht mehr.
Grüne-Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz kritisiert fehlende Rad-Infrastruktur
Während das Sharing-Angebot in kleineren Städten und in ländlichen Gebieten überschaubar ist, boomen die Lastenräder vor allem in Städten wie Konstanz und Freiburg. „Ein Pilotprojekt wurde in Konstanz gut angenommen“, sagt der Landtagsabgeordnete Hermann Katzenstein (Grüne). „Die dortigen Fahrradhändler bemerkten einen Verkaufsanstieg“, berichtet der Sprecher für Fuß- und Radverkehr seiner Fraktion.
Doch Lastenräder seien nicht nur etwas für die Großstadt. Fahrräder benötigten weniger Platz, seien umweltfreundlicher und hielten fit. Ein mit Konstanz vergleichbares Sharing-Projekt hält Katzensteins Fraktionskollegin Andrea Schwarz allerdings für ausgeschlossen.
Es fehle an einer sicheren Fahrrad-Infrastruktur wie Fahrradstraßen und Fahrradwegen. „Wenn es in Bruchsal funktioniert, dann auch in Bretten“, ist sich hingegen der Heidelsheimer Holger Rieger sicher.
Bretten will Anteil der Radler auf 20 Prozent mehr als verdoppeln
An Schritte in Richtung Fahrradfreundlichkeit und Ziele zum Anteil der Radler erinnert Bürgermeister Michael Nöltner. „Wir wollen das Mobilitätskonzept der Stadt umsetzen und den Radverkehr erhöhen. Dazu werden weitere Straßen, wie die Pforzheimer Straße zu einer Fahrradstraße umgebaut.“
Wichtig sei es, die gegenwärtige Fahrradnutzung in Bretten von neun auf 20 Prozent zu steigern. Er sei zuversichtlich, dass sich die Zahl der Radler durch E-Bikes verdoppeln lasse.
Zur Proberunde auf den Sattel schwingt sich schließlich nicht nur der Brettener Bürgermeister. Die Landtagsabgeordneten testen, wie das mit der Mitnahme eines weiteren Erwachsenen funktioniert. „Ich hatte ein gutes und sicheres Gefühl als Mitfahrerin, denn der Wendekreis ist wie bei einem normalen Fahrrad“, berichtet die Grüne Andrea Schwarz. Überzeugt zeigen sich auch der CDU-Landtagsabgeordnete Ansgar Mayr und Stadträtin Isabell Pfeil (CDU).