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Schock ist groß

Mazedonischem Familienvater aus Gondelsheim droht Abschiebung – Ausbildung in der Pflege begonnen

In Gondelsheim herrscht Unverständnis darüber, dass das Regierungspräsidium einen 40-jährigen Mazedonier mit seiner Familie abschieben will. Im September hat er eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer begonnen.

Großfamilie
Unverständnis und Ratlosigkeit wegen drohender Abschiebung: Trotz bester Sprachkenntnisse und obwohl er als Altenpflegehelfer dringend gebraucht wird, soll der 40-jährige Milan A. mit seiner Familie in den Westbalkan abgeschoben werden. Auch Petra Schalm kann es nicht fassen. Foto: Tom Rebel

Petra Schalm ist entsetzt. Im September hatte die Leiterin der Initiative „Gondelsheim hilft Flüchtlingen“ einem ihrer Schützlinge im örtlichen Altenpflegeheim Schlossblick einen Ausbildungsplatz beschafft, jetzt soll der Mann abgeschoben werden.

Mit ihm seine Frau und vier Kinder. „Dabei herrscht hier Pflegenotstand, jede Kraft wird dringend gebraucht“, sagt sie, ganz abgesehen davon, was es für die Familie bedeute, wenn sie in ihre Heimat zurückgeschickt werde.

Dabei hat der Mann eine Arbeitserlaubnis. Doch das Regierungspräsidium teilte ihm am 24. Januar mit, dass ihm ab sofort die Ausübung einer Beschäftigung und damit auch einer Ausbildung untersagt sei. Begründung: Er stamme aus einem sicheren Herkunftsland.

Hier haben wir jemanden, der bereits perfekt Deutsch spricht, und den schicken wir wieder weg.
Petra Schalm, Leiterin der Initiative „Gondelsheim hilft Flüchtlingen“

Der Schock war groß und die Gondelsheimer CDU-Stadträtin Petra Schalm sauer: „Das macht mich richtig wütend“, sagt sie. Das Pflegeheim müsse nun von Fremdfirmen für teures Geld Ersatzkräfte anheuern.

Dabei herrsche doch bekanntermaßen Pflegenotstand. „Wir holen aus anderen Ländern Pflegekräfte, die erst einmal Deutsch lernen müssen, und hier haben wir jemanden, der bereits perfekt Deutsch spricht, und den schicken wir wieder weg“, ereifert sie sich.

Und setzt alle Hebel in Bewegung, telefoniert mit Regierungspräsidium, Berufsschule und Integrationsbeauftragten, klagt ihr Leid bei Flüchtlingspfarrer Gunter Hauser und der grünen Landtagsabgeordneten Andrea Schwarz. „Das Problem ist, dass die Arbeits- und Ausbildungsgenehmigung bei sogenannten sicheren Herkunftsländern, und als solche gelte der Westbalkan, nicht gilt“, sagt Schwarz, so sei derzeit noch die Gesetzeslage.

Unverständnis über geltende gesetzliche Regelung in Gondelsheim

Doch dies müsse dringend geändert werden. Sie habe diesbezüglich auch bereits mit der zuständigen Justiziarin in Stuttgart gesprochen. Es sei doch völlig egal, wo die Leute herkommen, die gut Deutsch sprechen und bei uns eine Ausbildung machen wollen, sagt Schwarz. Sie kann nicht nachvollziehen, warum die Ausbildungsduldung nicht auch für Menschen aus dem Westbalkan greift.

Petra Schalm befürchtet, dass die Behörden zu ihrem Schützling sagen, er solle jetzt ausreisen und dann mit einem Arbeitsvisum zurückkommen. „Jetzt reisen Sie doch mal mit vier Kindern aus“, hält sie dagegen. Dann mache man eine Rückkehrberatung, die Leute bekämen Geld, damit sie dort ein paar Monate überleben können, und dann holt man sie zurück, damit sie hier in der Pflege arbeiten dürfe. Was für ein Unsinn sei das.

Argument vom sicheren Herkunftsland Mazedonien fragwürdig

Und auch das Argument, er komme aus einem sicheren Herkunftsland, macht die Flüchtlingsbetreuerin wütend. Denn das sei der Westbalkan beileibe nicht. Das versteht man, wenn man sich die Geschichten von Milan A. (Name geändert) genauer anhört. Der heute 40-Jährige kommt 1989 vor Ausbruch der Balkankriege erstmals als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland.

Der Vater stammt aus dem Kosovo, die Mutter aus Mazedonien. In Graben-Neudorf besucht er die Grundschule und lernt Deutsch. Später zieht die Familie nach Biberach um und kehrt zehn Jahre später auf den Balkan zurück. 2008 heiratet Milan, drei Kinder kommen in Serbien zur Welt, wo er 20 Jahre lebt und als Maler, Fliesenleger und Gipser ein gutes Auskommen hat. Sprössling Nummer vier wird in Deutschland geboren.

Ich bin nicht aus finanziellen Gründen nach Deutschland gekommen, sondern weil mein Leben bedroht war.
Milan A., von Abschiebung bedroht

„Ich bin nicht aus finanziellen Gründen nach Deutschland gekommen, sondern weil mein Leben bedroht war“, sagt Milan. Denn eines Tages standen kriminelle Schlägertrupps vor der Haustüre und nahmen ihn mit.

Eine Woche lang sei er in einem Keller eingesperrt, geschlagen und bedroht worden, erzählt er. Die Schläger wollten schlicht Schutzgeld erpressen und ließen ihn erst frei, als er versprach, die geforderte Summe innerhalb von vier Wochen aufzutreiben

Bei der Polizei habe man ihn nicht ernst genommen und wieder weggeschickt, ohne überhaupt ein Protokoll anzufertigen. Da sei ihm klar geworden, dass er dort seines Lebens nicht mehr sicher war. „Offiziell gilt Mazedonien als sicheres Land, aber die Wirklichkeit ist anders“, bekundet Milan.

Am Montag verhandelt das Karlsruher Verwaltungsgericht über die Abschiebung

An allen Ecken und Enden herrsche Korruption, einen Führerschein bekomme man schnell gegen Geld, Richter würden bestochen und Erpressung bis hin zu Mord seien an der Tagesordnung.

„Ich brauche Sicherheit und Schutz für mich und meine Familie, sagt er, nur darum sei er wieder nach Deutschland gekommen. Doch er fürchtet, auch hier aufgespürt zu werden, darum möchte er seinen Namen in diesem Bericht nicht nennen und auch sein Gesicht nicht in den Medien zeigen.

An diesem Montag, 27. Februar, soll sein Fall am Karlsruher Verwaltungsgericht verhandelt werden. Petra Schalm hat einen Anwalt engagiert, der für das Verbleiben der Familie kämpfen soll.

Hinweis der Redaktion

In der ersten Version dieses Artikels stand als Termin irrtümlicherweise noch der 1. März. Die Verhandlung war allerdings bereits am heutigen Montag.

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