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Internist analysiert die Lage

Landarztdichte nimmt kontinuierlich ab: Bei der hausärztlichen Versorgung in Bretten wird es eng

Finde ich überhaupt noch einen Hausarzt? Diese Frage stellt sich vor allem auf dem Land in verstärktem Maße. Denn immer mehr Praxen finden keine Nachfolger. Liegt die Antwort in medizinischen Versorgungszentren?

Vier Männer vor Leinwand
Wolfgang Stütz (Zweiter von links) erläutert die Grafik über die Zulassung von Landärzten. Mit auf dem Podium Jörg Biermann (Aktive/rechts) sowie Sebastian Krumm und Markus Vierling von Südbau (von links). Foto: Tom Rebel

„Wenn mein vertrauter Arzt in absehbarer Zeit aufhört, wie finde ich dann wieder einen Hausarzt?“ Die drängende Frage einer Zuhörerin bringt ein Thema auf den Punkt, das nicht nur in Bretten viele Gemüter bewegt. Die Antwort auf diese Frage blieb allerdings sehr vage und dokumentiert damit gleichzeitig, wie knifflig sich die Situation aktuell darstellt.

„Hat in Zukunft jeder noch seinen Hausarzt?“ Dieses Thema lockte gut 30 Zuhörerinnen und Zuhörer ins Alte Rathaus. Die Brettener „Aktiven“ hatten eingeladen und als Referenten den Diabetologen und Internisten Wolfgang Stütz gewonnen, der zusammen mit seiner Frau Monika seit 25 Jahren in Bretten praktiziert.

„Die Landarztdichte wird in den nächsten Jahren um 38 Prozent abnehmen“, gibt Stütz eine aktuelle Prognose wieder. Ohnehin entschieden sich nur zehn Prozent der Ärzte und Ärztinnen für die Arbeit in einer Hausarztpraxis, 90 Prozent würden lieber Fachärzte.

Work-Life-Balance schwierig

Warum ist das so? Stütz führte dazu eine ganze Reihe von Gründen ins Feld: Zum einen eroberten gerade Frauen die Medizin, zwei Drittel aller Medizinstudierenden sind weiblich. Für sie sei es ungleich schwieriger, das Thema Familie und Kinderbetreuung mit einer zeitintensiven Landarztarbeit in Einklang zu bringen. Darüber hinaus seien kleinere Orte als Lebensraum für viele junge Ärzte nicht so attraktiv, die Bezahlung der Landärzte sei schlechter, und auch die Work-Life-Balance für einen selbstständigen Hausarzt deutlich schwieriger.

Ganz zu schweigen vom immensen bürokratischen Aufwand, den Hausärzte neben ihrer eigentlichen medizinischen Arbeit zu bewältigen haben. Gute Gründe, warum viele Ärzte lieber mit einem klar umrissenen Arbeitskontingent angestellt arbeiten möchten, als sich die 60 bis 70 Stundenwoche eines Hausarztes zuzumuten.

Bessere Arbeitsbedingungen angepeilt

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) arbeite schon seit geraumer Zeit daran, die Arbeitsbedingungen für Landärzte attraktiver zu machen. Doch auch die Politik kann laut Stütz einiges für eine Verbesserung der Lage tun. „Andere Landkreise geben sich da mehr Mühe“, konstatiert der Internist und verweist auf Initiativen wie „Ärzte schnuppern Landluft“, die Medizinstudenten die Vorzüge des Landlebens schmackhaft machen will.

„Kennen Sie die Medizinstudenten aus Bretten“, lautete eine Frage des Referenten an die Rathausspitze. Leider nein, die Antwort. Doch gerade hier könne man ansetzen und dem ärztlichen Nachwuchs Perspektiven aufzeigen. „Bretten ist ja ein attraktives Mittelzentrum mit einer guten Infrastruktur“, gibt Stütz zu bedenken. Man müsse eben entsprechende Anreize schaffen.

Acht von 18 Hausärzten über 60 Jahre alt

Für Bretten sieht die Situation derzeit noch einigermaßen günstig aus: Vor fünf Jahren gab es in der Stadt und ihren Stadtteilen noch 20 Hausärzte, derzeit sind es noch 18. Doch acht von ihnen sind über 60 Jahre alt. Eine Praxis von zwei Ärzten stehe im kommenden Jahr zur Übergabe an und zwei Brettener Ärzte hätten gerade einen Nachfolger gefunden, der ihre Praxis weiterführt.

Friedrich Brügemann, langjähriger Hausarzt in Bretten, kann bestätigen, wie schwer es ist, einen Nachfolger zu finden. „Ich habe sehr lange gesucht und es zwischendurch sogar aufgegeben“, berichtet er. Schließlich sei er mehr oder weniger durch Zufall auf einen Nachfolger gestoßen, dem er die Praxis nun übergeben habe.

Der mittlerweile 72-Jährige will noch bis Jahresende für die Einarbeitung des Kollegen in der Praxis bleiben. Ein anderer Brettener Kollege, der in einem halben Jahr aufhören wolle, suche ebenfalls schon sehr lange nach einer Nachfolgelösung, bislang allerdings ohne Erfolg.

Weniger Ärzte für mehr Patienten

Für Bretten bleibt somit das Problem, dass in Zukunft weniger Ärzte für eine steigende Anzahl an Patienten zur Verfügung stehen. Die Zahl der Einzelpraxen nimmt kontinuierlich ab. Derweil steigt die Anzahl der Senioren und Hochbetagten permanent und damit auch der Behandlungsaufwand.

Der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff (Freie Wähler) lieferte dazu die passenden Zahlen: Vor wenigen Jahren lag die Zahl der über 90-Jährigen in der Stadt bei rund 300, im Jahr 2030 werden es dreimal so viele sein.

Die Zukunft der Versorgung auf dem Land sieht Wolfgang Stütz in „Regionalen Gesundheitszentren“, wo das Management nicht von Ärztinnen und Ärzten, sondern von qualifiziertem medizinischen Personal betrieben wird und die Versorgung der Patienten unter einem Dach laufe. Dabei müssten sich die Patienten allerdings damit arrangieren, dass sie nicht immer von ihrem Wunscharzt behandelt werden.

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