Am geplanten Melanchthon-Tower scheiden sich die Geister. Wobei sich die Fachleute – Architekten aus Bretten und der Region – nahezu alle auf der Seite befinden, in der die Skepsis gegenüber dem steil in die Höhe ragenden Projekt überwiegt.
Diskutiert wurde das ehrgeizige Bauvorhaben mit Büros, Wohnungen, einem Kongresszentrum und einem Panoramacafé in luftiger Höhe, das am Brettener Alexanderplatz die Blicke auf sich ziehen soll, unter anderem im Vorstandsgremium der Architektenkammer Baden-Württemberg des Kammerbezirks Karlsruhe.
Architekten aus Bretten und der Region sehen das Projekt kritisch
„Wir sehen das Projekt schon kritisch“, sagt der Bezirksvorsitzende Andreas Grube. Zumal wenn so ein Projekt, das für die Stadt Bretten eine große städtebauliche Bedeutung hat, ohne vorherige Abstimmung präsentiert wird.
Architekt Hubert Schmidtler wird deutlicher und holt ein wenig aus, um seine Einschätzung in einen größeren Zusammenhang zu stellen. „Städtebauliche Qualität hat sich vor allem nach den Bedürfnissen der Nutzer zu richten und drückt sich in einem Mehrwert für die Stadt, das Quartier und die Bewohner aus“, sagt er.
Wichtig sei, dass sich so ein Vorhaben in den städtischen Kontext einfüge. Gute städtebauliche Planung berücksichtige auch den öffentlichen Raum, mache Angebote für Nutzer und Anwohner und müsse deshalb sorgfältig gestaltet werden. Und auch soziale, ökonomische und ökologische Aspekte müssten berücksichtigt werden.
Denn Architektur und Städtebau müssten Antworten auf Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens geben und dabei nachhaltig, ressourcenschonend und verantwortungsvoll sein.
„Von all dem sehe ich in diesem Projekt nichts. 80 Meter Höhe ist noch kein Wert an sich, sondern eher ein Zeichen für die gnadenlose Ausnutzung des Grundstücks“, erklärt der Architekt. Räumliche und soziale Zusammenhänge suche man vergebens, Abgrenzung und Selbstbezogenheit schienen vorzuherrschen. Schmidtler spricht sogar von Las Vegas-Atmosphäre, die der hochragende Gebäudekomplex verbreite, als hätte man von den alten Konzepten der 70er- und 80er-Jahre nichts gelernt.
Wie groß darf die Bebauung ausfallen?
Der Brettener Architekt Marcus Weiss argumentiert behutsamer. Eine verdichtete Bebauung an dieser Stelle sei okay. Doch wie groß darf oder soll sie ausfallen? 80 Meter hoch oder nur 60? Was ist angemessen? Was braucht man, was passt an diese Stelle? Gleiches gilt für die Nutzung: Wie viele Kongressplätze braucht man, wie viele Wohnungen? Wer kann sie bezahlen? Und reichen die vorgesehenen Stellplätze wirklich aus.
Ich sehe die gnadenlose Ausnutzung eines GrundstücksHubert Schmidtler, Architekt
Die Beantwortung all dieser und weiterer wichtiger Fragen bedarf nach Einschätzung des Brettener Architekten und Geschäftsführers der WWZ-GmbH einer intensiven Debatte sowie unabhängiger externer Beratung. Die könnte etwa ein Gestaltungsbeirat erbringen, den in es in zweierlei Form gibt: Als fest installiertes Gremium wie in Pforzheim oder Karlsruhe oder als mobile Truppe, deren Expertise zu einzelnen Projekten herangezogen wird.
„Für so ein stadtbildprägendes Vorhaben ist sicherlich auch ein Architektenwettbewerb sinnvoll“, pflichtet Weiss dem Vorschlag des Bezirkskammervorsitzenden Grube bei. Das koste zwar Geld, die Investition sei aber angesichts des Gesamtvolumens eher marginal.
Der Bauträger müsse die Bürger schließlich mitnehmen, dazu seien ein Gestaltungsbeirat und ein Wettbewerb geeignete Instrument. Die Pläne der Stuttgarter BVA-Immobilien-Gruppe sieht Weiss als einen Gestaltungsvorschlag an, den man diskutieren müsse und in dem auch eine Chance stecke. Nämlich den Stadteingang am Alexanderplatz neu und ansprechend zu gestalten.
Wobei von einem solchen Projekt durchaus auch eine Initialzündung für weitere Vorhaben im unmittelbaren Umfeld ausgehen könne. Ein Anstoß sei gegeben, jetzt müsste ein Prozess beginnen, bei dem der Projektträger, die Stadtverwaltung, die Fachleute und die Bürgerschaft gemeinsam intensiv um die beste Lösung ringen.