Der Angeklagte sei am 6. Februar 2019 von zwei Maskierten nachts überfallen, verschleppt und mit einem Messer verletzt worden, hatte er der Polizei 2019 gesagt.
Der nun Freigesprochene hatte vermutet, Gülen-Mitglieder steckten dahinter. Fetullah Gülen ist islamischer Prediger und lebt seit Jahren in den USA. Er und seine Organisation gelten als Feinde Erdogans.
Darum ermittelte der Staatsschutz Karlsruhe etwa ein Jahr lang wegen religiös-politischer Motivation. Die Ermittler kamen zum Verdacht, dass der Angeklagte die Tat fingiert und sich die Verletzungen selbst zugefügt haben könnte oder sich im Einverständnis hatte zufügen lassen.
Der Angeklagte selbst schwieg in der Hauptverhandlung am Donnerstag.
Zeugen schildern Tatnacht
Das Gericht hörte Zeugen und Sachverständige. Bei einem Vater und dessen Sohn hatte der verletzte Angeklagte Hilfe gesucht. Der dritte Zeuge war der Kripo-Beamte, der den Angeklagten als erstes in der Tatnacht in der Rechbergklinik vernommen hatte.
Vater und Sohn kannten den Überfallenen schon zuvor von Besuchen in der Moschee und auch vom gemeinsamen Arbeiten. Beide schilderten, ihre Tür auf wildes Klopfen hin geöffnet zu haben. Daraufhin kippte der Überfallene in ihren Flur.
Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, er blutete aus mehreren Wunden. Er zitterte, so der Vater, und war sehr blass. Sie lösten seine Fesseln, riefen Notarzt und Polizei und drückten Tücher auf die blutenden Wunden.
Drohungen gegenüber den Frauen beider Seiten?
Als Verteidiger Daniel Sprafke den Kripo-Beamten befragte, kamen Details der Vernehmung zur Sprache. So hätten die mutmaßlichen Gülen-Mitglieder dem Moschee-Vorstand gedroht, anzügliche Fotos der zur DITIB-Gemeinde gehörenden Frauen ins Netz zu stellen, wenn die DITIB-Mitglieder ihre, die Gülen-“Frauen und Schwestern“ nicht in Ruhe ließen.
Inwiefern diese Frauen belästigt worden waren oder nicht, wurde nicht erörtert. Der Verteidiger betonte, die Übersetzung der Ehefrau genüge nicht den Ansprüchen wie die einer vereidigten Dolmetscherin. „Und mein Mandant hat keins der Worte im Protokoll selbst gesagt.“ Auch fand das handschriftliche Protokoll aus unerklärlichen Gründen keinen Eingang in die Akte.
Die beiden Sachverständigen sagten, die Wunden zeigten klassische Merkmale für selbst beigebrachte Schnitte, seien meist oberflächlich, verliefen parallel und an Körperstellen, die leicht erreichbar und relativ schmerzunempfindlich sind.
„Ich schließe aus, dass der Angeklagte sich gewehrt haben kann“, sagte Gerichtsärztin Kirsten Stein. „Und das widerspricht der Schilderung des Angeklagten bei der Polizei zum Tathergang.“ Trotz allem könnten sie nicht definitiv beweisen, dass der Angeklagte sich selbst verletzt hatte oder ein Dritter dies auf seine Bitte hin tat.
Richter: Zweifel sind nicht beiseite zu wischen
Die Zweifel überwogen, begründete letztlich Richter Elmar Herding sein Urteil. Bereits Staatsanwalt Thomas Röber als auch der Verteidiger hatten Freispruch gefordert.
Um eine Täterschaft des 49-Jährigen zu beweisen, seien zu viele Details offen und zu viele Zweifel geblieben, auch bezüglich der politisch-religiösen Motivation hinter dem Geschehen. Im Februar 2019 hatte der Fall für medialen Wirbel gesorgt.