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Umfrage zu neuen Nutzungsrichtlinien

Schnell weg von WhatsApp - was sagen die Brettener?

Seit vergangenen Samstag verlangt der Messenger-Dienst WhatsApp die Zustimmung zu seinen neuen Nutzungsrichtlinien. Doch weiß man in Bretten auch um deren Tücken?

Die WhatsApp-Plattform wird von mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit genutzt.
WhatsApp den Rücken kehren oder zustimmen? Die mögliche Datenweitergabe des Messengerdiensts an Facebook besorgt Datenschützer. Foto: Ritchie B. Tongo/EPA FILE/dpa

Noch einige Wochen lang soll der Hinweis zu den neuen Nutzungsrichtlinien auf dem Bildschirm erscheinen, dann behält sich das zum Facebook-Konzern gehörende Unternehmen WhatsApp vor, peu à peu die Funktionen seines Messengers zu blockieren, wenn die Nutzer nicht zustimmen. Zunächst sollen sie nicht mehr auf ihre Chatliste zugreifen dürfen, nach weiteren Wochen sollen dann alle Funktionen gesperrt werden.

Angaben des Unternehmens zufolge beschränken sich die Änderungen nur auf eine erleichterte Chatverbindung mit Firmen. Die von Datenschützern befürchtete Übermittlung persönlicher Informationen an andere Facebook-Unternehmen hat ein WhatsApp-Sprecher vor Kurzem ausgeschlossen.

Manchen Datenschützern erscheint das allerdings wenig glaubhaft – auch weil WhatsApp die neuen Richtlinien anscheinend mit aller Macht durchsetzen will. Teilt man diese Bedenken in Bretten?

Sorge vor Manipulation

Mann in Fußgängerzone
Nichts ist kostenlos: Dieser Überzeugung ist EDV-Fachmann Jürgen Betz. Foto: Philipp Fess

„Ich habe vor zwei Wochen meinen Bekanntenkreis informiert, dass ich auf Threema oder Signal umsteigen werde“, sagt Jürgen Betz, der im EDV-Bereich tätig ist. Im Gegensatz zu WhatsApp verlangt etwa Threema weder Telefon- noch Kontaktdaten. Drei Euro kostet ihn die App. „Aber nichts ist kostenlos“, sagt der 55-Jährige mit Blick auf WhatsApp und andere Anbieter vermeintlich kostenloser Dienste.

Bei WhatsApp hat er schon einmal Einsicht in seine persönliche Datenbank beantragt: „Mir geht es aber weniger um die Daten selbst, als um eine mögliche Beeinflussung.“ Als Beispiele nennt er den Cambridge-Analytica-Skandal und die Manipulation von Wählern. Kritisch sieht er auch die Rolle des US-Militärs in Bezug auf die Unternehmen im Silicon Valley.

Monopolen dürfte man diese Stellung gar nicht geben.
Ursula Schäfer, Rentnerin

Frau in Fußgängerzone
Ursula Schäfer macht sich Sorgen, dass Kinder und Jugendliche sich immer mehr an eine oberflächliche Kommunikation gewöhnen. Foto: Philipp Fess

Ursula Schäfer nutzt WhatsApp für die Kommunikation mit ihrer Familie. „Wir sind am überlegen, ob wir umstellen“, sagt sie. Die Rolle der großen Digitalunternehmen sieht die 65-Jährige kritisch: „Monopolen wie Amazon dürfte man diese Stellung gar nicht geben.“

Zudem macht sie sich Sorgen, dass Kinder und Jugendliche sich immer mehr an eine oberflächliche Kommunikation gewöhnen und zugleich leichter manipulieren lassen. „Deshalb habe ich meinem siebenjährigen Enkel ein Buch über Medienkompetenz geschenkt“, erzählt sie.

Mit persönlichem Kontakt erreiche man eigentlich viel mehr als mit den digitalen Hilfsmitteln, aber gerade in der Corona-Krise gehe „alles noch viel mehr in diese Richtung“.

Sensible Daten lieber nicht Online veröffentlichen

Frau in Fußgängerzone
Leonie Martin aus Pforzheim will fortan Signal als Messenger-Dienst nutzen. Foto: Philipp Fess

„Ich weiß nicht viel über die neuen Nutzungsbedingungen“, sagt die Pforzheimer Gymnastiklehrerin Leonie Martin. Auf die Empfehlung ihrer Freunde hin ist sie jetzt aber „prophylaktisch“ zu Signal gewechselt. „Das scheint mir noch eine der seriöseren Alternativen zu sein“, sagt sie.

Ihre Mutter, mit der sie gerade zusammen in Bretten unterwegs ist, bleibt aber bei WhatsApp. „Das wäre jetzt zu viel, ihr etwas Neues zuzumuten“, erklärt die 57-Jährige.

Mann in Fußgängerzone
Kai Müller nutzt neben Whatsapp, Facebook und Instagram auch den japanischen Messenger-Dienst Line. Foto: Philipp Fess

Auch Kai Müller hat sich nicht im Detail mit den neuen Nutzungsbedingungen befasst. „Ich nutze viele Soziale Medien ziemlich frei – und Firmen wie Google können Daten auch allein durch die IP-Adresse herausfinden“, gibt der 21-jährige Student zu bedenken.

Neben WhatsApp, Facebook und Instagram nutzt Müller den japanischen Messenger Line, auch die App des russischen Anbieters Telegram hat er schon ausprobiert. „Solange ich keine sensiblen Daten wie Kredit- oder Finanzinformationen weitergebe, mache ich mir keine Sorgen“, sagt Müller.

Ich glaube, die meisten wissen nicht, was das bedeutet und denken, sie sind geschützt.
Selim Corovic, Mobilfunk-Verkäufer

Mann in Mobilfunkladen
Mobilfunk-Verkäufer Selim Corovic warnt vor Hacker-Angriffen – besonders bei Online-Zahlungsabwicklungen. Foto: Philipp Fess

Selim Corovic arbeitet im Mobilfunkladen X7shop in der Brettener Melanchthonstraße. Bedenken wegen der neuen Nutzungsbedingungen hätten Kunden bisher nicht angemeldet: „Ich glaube, die meisten wissen nicht, was das bedeutet und denken, sie sind geschützt.“ Viele seiner Bekannten und Arbeitskollegen seien auf Threema umgestiegen.

„Ich habe den Nutzungsbedingungen zugestimmt, aber jeder muss für sich selbst entscheiden, inwieweit er dem Internet vertraut. Daten können immer gehackt werden – ob bei WhatsApp oder anderswo.“ Besonders mit Zahlungen sollte man aufpassen, sagt der 25-Jährige.

Ein Freund, dessen Konto beim Online-Zahlungsdienstleister PayPal gehackt wurde, hat einen Anwalt und mehr als zwölf Wochen Zeit gebraucht, bis er seine 700 Euro wieder zurückbekam. Seitdem meidet auch der junge Verkäufer die Zahlungsabwicklung mit PayPal. Online-Banking nutzt er aber weiterhin.

Hamburg stemmt sich gegen Verarbeitung von Nutzerdaten

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hat am 11. Mai mit sofortigem Vollzug eine Anordnung erlassen, die der Facebook Ireland Ltd. verbietet, personenbezogene Daten von WhatsApp zu verarbeiten, soweit dies zu eigenen Zwecken erfolgt. Zur Begründung heißt es: „Die Untersuchung der neuen Bestimmungen hat gezeigt, dass die enge Verbindung zwischen den beiden Unternehmen weiter ausgebaut werden soll, damit Facebook die Daten der WhatsApp-Nutzerinnen und -Nutzer jederzeit zu eigenen Zwecken verwenden kann.“

Sollten sich die Sorgen als gerechtfertigt erweisen, entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, dass mit Mark Zuckerberg eine Person an der Spitze des einflussreichsten Social-Media-Konzerns sitzt, der in seinen jungen Jahren in Harvard von Leuten, die bedenkenlos ihre Daten preisgeben, als „dumb fucks“ (etwa: Vollidioten) gesprochen haben und selbst peinlich genau seine Datenspur kontrollieren soll – etwa indem er seinen Müll bewachen lässt.

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