Skip to main content

Geschlossene Läden

So wollen badische Einzelhändler die Coronakrise überstehen

Online-Shopping-Riesen wie Amazon profitieren von der Coronakrise. Doch für kleine Läden vor Ort ist die erzwungene Schließung existenzbedrohend. Sie versuchen nun, mit neuen Ideen und eigenen Lieferdiensten dem Umsatzeinbruch zu trotzen.

Seit Mittwoch müssen die meisten Läden in Baden-Württemberg zu bleiben.
Seit Mittwoch müssen die meisten Läden in Baden-Württemberg zu bleiben. Foto: dpa

Online-Shopping-Riesen wie Amazon profitieren von der Coronakrise. Doch für kleine Läden vor Ort ist die erzwungene Schließung existenzbedrohend. Sie versuchen nun, mit neuen Ideen und eigenem Lieferservice dem Umsatzeinbruch zu trotzen.

Ulrike Müller war am Mittwochmorgen ganz überrascht. „Am Vorabend hieß es noch, wir können erstmal normal öffnen, dann kam plötzlich die Nachricht: sofort zumachen“, sagt die Buchhändlerin aus Bretten.

Ihre Buchhandlung Kolibri zählt zu den zahlreichen Geschäften in Baden-Württemberg, die laut Landesverordnung derzeit geschlossen bleiben müssen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. „Ich hoffe, dass wir das aushalten und ich niemanden entlassen muss“, sagt Müller.

Alle Informationen gibt es auf bnn.de/coronavirus

Besonders die kleineren Einzelhändler werden es schwer haben. „Sie standen schon vor der Corona-Krise unter Druck“, sagt Hilmar Pfister, Sprecher des Handelsverbands Baden-Württemberg. „Nun brechen ihnen die Umsätze weg, aber sie müssen weiterhin Miete und andere Fixkosten bezahlen.“

Sein Verband begrüße den von der Landesregierung angekündigten finanziellen Rettungsschirm für Unternehmen und hoffe, dass die Hilfe schnell und unbürokratisch ankomme. „Sonst wird es eng, Insolvenzen sind dann nur noch eine Frage von Wochen“, warnt Pfister.

Amazon sucht in Pforzheim Personal

Während lokale Ladeninhaber um ihr wirtschaftliches Überleben bangen, hoffen andere, von der Coronakrise zu profitieren: Der US-amerikanische Onlinehändler Amazon stellt zusätzliches Personal ein – auch am Amazon-Logistikzentrum in Pforzheim. Der Versandriese setzt nun verstärkt auf Produkte des täglichen Bedarfs und will die Lage nutzen, um seine Vormachtstellung im Internethandel weiter auszubauen.

Auch die Karlsruher Drogeriemarktkette dm spürt eine wachsende Nachfrage in ihrem Onlineshop und warnt auf ihrer Homepage, die aktuelle Lieferzeit betrage neun bis zwölf Werktage. Mit den behördlich verordneten Ladenschließungen kann dieser Zuwachs allerdings nichts zu tun haben. Denn Drogeriemärkte sind davon genauso wie Lebensmittelläden ausgenommen.

Der für Marketing und Beschaffung zuständige dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer betont, die stark erhöhte Nachfrage sei sowohl in den dm-Märkten vor Ort als auch im Onlineshop zu beobachten. „Für uns ist es wichtig, die Verfügbarkeit der Produkte trotz der hohen Nachfrage auch online sicherzustellen. Dafür haben wir unterschiedliche Maßnahmen entlang der Lieferkette und im Bereich der Warenkommissionierung ergriffen.“

Doch aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation und den vielen Bestellungen könne es hier zu Verzögerungen kommen.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Ein Nadelöhr des Online-Handels ist die Zustellung. Trotz des Coronavirus laufe sie bisher „bundesweit ohne betriebliche Einschränkungen weiter“, versichert der deutsche Paketdienst DHL. Allerdings gilt eine Vorsichtsmaßnahme: Der Zusteller verzichtet derzeit auf die Unterschrift des Empfängers zur Empfangsbestätigung.

Die Paketübergabe soll somit „kontaktfrei“ ablaufen. Am liebsten wäre es DHL, wenn die Kunden vorab Zustell-Orte angeben, an denen das Paket abgelegt werden kann, etwa auf der Terrasse oder dem Treppenabsatz. Die Ansteckungsgefahr soll dadurch minimiert werden.

Brettener Buchhandlung liefert wegen Corona schneller

In Bretten versucht Buchhändlerin Müller, die Ladenschließung mit einem eigenen Lieferdienst etwas abzumildern. „Wir nehmen Buchbestellungen telefonisch entgegen und bringen die Lieferung spätestens am nächsten Tag bis an die Haustür“, verspricht Müller.

Diesen Service habe sie schon lange vor der Coronakrise angeboten, nun hofft sie, dass er verstärkt genutzt wird. Wer wegen des Virus zu Hause bleiben muss, habe schließlich mehr Zeit zum Lesen.

„Unsere Kunden wollen nicht nur per Mausklick bestellen, sie sind froh, wenn sie mit jemandem sprechen können. Manche lassen sich jetzt auch Bücher am Telefon empfehlen.“ Die im Laden wegbrechenden Umsätze werde sie dadurch nicht ausgleichen können, weiß Müller.

„Aber es hilft uns, den Kontakt zu den Kunden nicht zu verlieren.“ Für die meisten ihrer neun Mitarbeiterinnen werde sie wohl Kurzarbeit beantragen müssen.

Ähnlich sieht es bei Hannah Stork aus. Sie betreibt zusammen mit ihrer Mutter zwei Spielwarenläden („Kinderglück“) in Pforzheim und Karlsruhe, die am Mittwoch schließen mussten.

Nun versuchen die Geschäftsfrauen, per telefonischer Beratung und mit einem Lieferservice zumindest einen Teil ihrer Waren zu verkaufen. Eine Idee ist es auch, den Kunden per Live-Video oder WhatsApp-Chat aus dem Laden heraus verschiedene Produkte zu zeigen. „Das testen wir gerade“, sagt Stork.

Aber gleichzeitig ist der Spielzeughändlerin bewusst: „Es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Kein Vergleich zu den Umsätzen, die wir normalerweise hätten.“ Die Kinderglück-Läden seien voller Ware, die sie für Ostern bestellt und bereits bezahlt haben, sagt Stork. „Wir hoffen, dass wir diese Krise überleben. Aber es wird extrem schwer.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang