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Konflikt in der Ukraine

Stadt- und Landkreis Karlsruhe erwarten Aufnahme von 9.000 Flüchtlingen

Krisenmanagement bleibt im Landkreis Karlsruhe an der Tagesordnung. Für die Menschen, die aus der Ukraine ankommen, sollen kurzfristig 1.000 Plätze in Unterkünften geschaffen werden. Die ersten wurden in Sulzfeld untergebracht.

Drei Frauen in Hofeinfahrt
Herzlicher Empfang: Nach einer langen Odyssee ist die 26-jährige Alina (Mitte) in Sulzfeld angekommen. Ursula Hötzer (links) vom Freundeskreis International und die Sulzfelder Integrationsbeauftragte Manuela Kräter nehmen sich ihrer an. Foto: Tom Rebel

Dass sie aus dem zerbombten Charkiw kommt und gerade eine strapaziöse sechstägige Busfahrt hinter sich hat, sieht man der jungen Frau nicht an. Frisch geduscht und geschminkt und ausgeschlafen steht die 26-jährige Alina vor der Unterkunft des Landkreises. Am Abend zuvor war sie mit rund 40 anderen Ukrainerinnen und Ukrainern – darunter auch viele Kinder – in Sulzfeld angekommen.

Völlig erschöpft und unendlich froh, dass die Odyssee ein Ende hat. Und dass es endlich eine ordentliche Toilette gab. Ehrenamtliche und Mitarbeiterinnen des Landratsamts nahmen die Ankömmlinge freundlich in Empfang und verteilten Essen. Dann erfolgte der Rückzug in die Zimmer, die der Freundeskreis International am Sonntag noch geputzt und schön hergerichtet hatte.

„Ich war in Odessa, als der Krieg ausbrach“, erzählt Alina, die eigentlich in Charkiw in einer kleinen Wohnung lebt und als Kosmetikerin arbeitet. Es dauerte Tage, bis sie durch das kriegsgeschüttelte Land zurück in ihrer Heimatstadt war. Dort hat sie ihre Katze abgeholt, das Nötigste eingepackt und sich von ihrem Bruder verabschiedet, der beim Militär für sein Heimatland kämpft.

Zivilisten leiden bei dem Krieg

„Meine Mutter lebt in einem kleinen Dorf außerhalb von Charkiw, das von der Außenwelt abgeschnitten ist“, erzählt sie. Sämtliche Brücken seien gesprengt, das Dorf zerbombt und über allem hänge die russische Fahne. „Keiner braucht diesen Krieg, es leiden nur die Zivilisten“, klagt die junge Frau, die nicht weiß, ob sie einmal wieder in ihre Wohnung einziehen kann und schlimmer noch – ob sie ihre Mutter und ihren Bruder jemals wiedersehen wird.

Die erste Nacht hat sie mit ihrer Katze im Bahnhof von Charkiw verbracht, bis sie dann doch eine Möglichkeit fand, die Stadt zu verlassen. Mit Bussen ging die Reise wieder quer durch das Land, 24 Kilometer musste sie zu Fuß zurücklegen, bis sie die Grenze nach Moldawien überqueren konnte.

Auch dort empfand sie die Situation angespannt, die Menschen hätten Angst vor russischen Bomben. Die Bilder von brennenden Häusern, ausgebombten Straßenzügen und abstürzenden Flugzeugen verfolgen sie. Per WLAN hat sie noch Kontakt zu ihrer Familie und macht sich große Sorgen.

„Spasibo – vielen Dank“ ist ein Wort, das die junge Ukrainerin im Gespräch häufig verwendet, eine Übersetzerin dolmetscht. Dankbar ist Alina für die freundliche Aufnahme, die Hilfe der Mitarbeiter und der Ehrenamtlichen und vor allem dafür, dass sie nun endlich in Sicherheit ist. Manuela Kräter, die Sulzfelder Integrationsbeauftragte, und Ursula Hötzer, Sprecherin des Freundeskreis International, und deren Mitstreiterinnen sind damit gemeint.

Bürgermeisterin Sarina Pfründer (parteilos) hatte wenig Vorlauf für die Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge am Sonntag: Am späten Nachmittag stand die Bürgermeisterin von Sulzfeld noch in ihrem Garten, dann erreichte sie ein Anruf mit der Info, dass rund 40 Menschen aus der Ukraine in ihrer Kommune untergebracht werden müssen.

Um 19.30 Uhr war die Unterkunft vorbereitet und die ersten Pakete gepackt.
Sarina Pfründer, Bürgermeisterin

„Um 19.30 Uhr war die Unterkunft vorbereitet und die ersten Pakete gepackt“, erzählt Pfründer. 50 Ehrenamtliche hätten gemeinsam angepackt, unter ihnen auch Menschen, die selbst 2015 und 2016 die Gemeinschaftsunterkunft bewohnt hatten.

Es muss schnell und unkompliziert gehen. Das machte Landrat Christoph Schnaudigel (CDU) in einer Pressekonferenz zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine im Landkreis Karlsruhe deutlich. „Sulzfeld ist eine Blaupause für das, was in den Gemeinden die nächsten Wochen auf uns zukommt“, sagte er.

Die ersten rund 40 Menschen sind am Montagabend in der Gemeinschaftsunterkunft in Sulzfeld angekommen. Zwei weitere Busse mit insgesamt etwa 130 Personen werden innerhalb der nächsten Tage erwartet. Organisiert wurden die Busse und ihre Reise von einem privaten Verein.

Eine kurzfristige Unterbringung in der Stadt Karlsruhe war nicht möglich, deshalb wurde der Landkreis Karlsruhe angefragt. Der Kontakt kam über die ehemalige Staatssekretärin Katrin Schütz zustande, wie Schnaudigel ausführte.

Einige Menschen aus der Ukraine werden in Sulzfeld aufgenommen, darüber hinaus nutzt der Landkreis vorerst Kapazitäten in einer weiteren Unterkunft – voraussichtlich in Waghäusel. Zusätzliche Kapazitäten sollen unter anderem in Malsch, Weingarten und Gondelsheim geschaffen werden. Darüber hinaus stehen in Kronau, Östringen und im ehemaligen Praktiker-Markt in Heidelsheim, der bis vor kurzem noch Impfzentrum war, Plätze für eine vorübergehende Unterbringung zur Verfügung.

Das Gebot der Stunde ist die Unterbringung.
Christoph Schnaudigel, Landrat

Bis nächste Woche sollen so 1.000 Plätze zur Verfügung stehen. „Das Gebot der Stunde ist die Unterbringung“, sagte Schnaudigel. In kurzer Zeit müssten viele Plätze geschaffen werden. Bereits jetzt würden mit den Kommunen im Landkreis „zielführende Gespräche“ geführt, um Plätze über die Zahl von 1.000 hinaus zu schaffen.

Landrat rechnet mit über 5.000 Geflüchteten im Landkreis Karlsruhe

Der Landrat schätzt – wenn die Bundesrepublik mit einer Million Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland ankommen, rechnet – mit über 5.000 Geflüchteten im Landkreis Karlsruhe und etwa 3.500 im Stadtkreis, also knapp 9.000 Menschen, die in der Region Zuflucht suchen. „Diese absolute Zahl schreckt uns nicht“, sagte er.

Denn der Kreis könne auf Erfahrungen und Strukturen aus den Jahren 2015 und 2016 zurückgreifen. Damals seien zur Höchstphase 700 Flüchtlinge im Monat angekommen. Eine Besonderheit jetzt sei allerdings, dass es schneller gehen werde.

Wie viele Menschen aus der Ukraine aktuell schon insgesamt den Landkreis Karlsruhe erreicht haben, sei schwer abzuschätzen, erklärte Schnaudigel, denn viele seien auch privat untergekommen. Dies werde auch ausdrücklich begrüßt. „Wir sind auf weitere Unterkünfte angewiesen“, sagte er und appellierte an private Vermieter und Familien Unterkünfte bereitzustellen.

Diese müssten aber darüber im Klaren sein, dass es sich nicht um zwei Wochen handle, in denen man Gäste unterbringe. „Das wird länger gehen“, stellte Schnaudigel klar.

Freien Wohnraum melden

Das Landratsamt hat ein Meldeformular eingerichtet, über das Privatpersonen den verfügbaren Wohnraum melden können. Die Angebote werden im weiteren Verlauf vom Landratsamt an die Kommunen weitergegeben. Bei diesen können sich die Menschen alternativ auch direkt melden.

Meldeformular des Landkreises Karlsruhe: www.landkreis-karlsruhe.de/UkraineWohnraumhilfe

Meldeformular des Landes Baden-Württemberg: https://www.justiz-bw.de/,Lde/Startseite/Auslaender+und+Fluechtlingspolitik/Sie+wollen+helfen_

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