
Unter den Augen von Pfalzgraf Friedrich II. begann die öffentliche Altstadtführung durch Brettens Innenstadt am Sonntag. Seit der Pfalzgraf 1875 in der Mitte des Marktbrunnens steht, entgeht ihm ohnehin nichts vom Stadtgeschehen. Die Jahreszahl ist eine der Fakten, die die Teilnehmer beim Rundgang erfahren. Geleitet wurde die Führung von Anita Brettschneider.
Und es geht weiter mit den Fakten. „Villa Breteheim“, erstmals 767 im Lorscher Codex erwähnt, darf sich erst 1254 Stadt nennen, nachdem es unter dem Kraichgaugrafen von Lauffen 1120 die Marktrechte verliehen bekam.
Teilnehmer der Führung durch Bretten sind erstaunt über manches Detail
So war das Erstaunen groß, dass der mittelalterliche Marktplatz zeitlich nicht dem Mittelalter entspricht, da dieser im Zuge des kurpfälzischen Erbfolgekrieges komplett abgebrannt war. Das heutige Erscheinungsbild verdanke der Platz dem anschließenden Wiederaufbau – einschließlich der gemütlichen Fachwerkbauten, welche den Marktplatz umrahmen.
Nachdem die Gruppe an der Fassade des alten Rathauses anhand der dargestellten Wappen die Hoheitsverhältnisse, von den Wittelsbachern, über die Lauffener, die Ebersteiner bis hin zu Kurpfälzer Adelsgeschlechtern nachzeichnen konnte, begab man sich anschließend zu dem Haus, indem Friedrich Schiller vor den Württembergern in der Stadt Zuflucht suchte.
Eine kleine Tafel in der Mitte der Hausfassade zeigt die Dynamik dieser Tage, als der junge Friedrich Schiller, der als Militärarzt den Württemberger Herrschern diente, den dortigen Verhältnissen zu entkommen suchte. Überhaupt: Die Epoche zwischen 1500 und dem Brand von 1689 war eine für Bretten spannende Zeit.
Bretten lockte viele Denker an
Bretten kam durch seine geografische Lage auf den europäischen Handelswegen zwischen Paris, Straßburg und Prag, sowie Zürich und Frankfurt als auch von Venedig über Augsburg dank der Marktrechte zu einer großen wirtschaftlichen Blüte. Der noch junge Phillip Melanchthon wurde Mitglied der Lateinschule des Professor Reuchlin in Pforzheim. Der Buchdruck war gerade erfunden, Keppler lehrte Astronomie in Pforzheim und Faust stillte in Knittlingen seinen Wissensdrang.
„Das habe ich so noch gar nicht gewusst“, meinte eine Teilnehmerin. Auch die vielen Details, die Anita Brettschneider lebendig referierte, waren bei den meisten Teilnehmern und Teilnehmerinnen das eigentliche Highlight der Führung.
Immer wieder bestaunte man die „Eckmännchen“, kunstvolle Schnitzereien an den Eckbalken der Fachwerkhäuser in der heutigen Fußgängerzone und auch in der Weißhofer Straße – unverändert nach all den Jahren, zeigen sie Arbeitsethos, Zunftgeist und Lebensnähe und Wertvorstellungen der damaligen Hausbesitzer.
Von der Stiftskirche zur Kreuzkirche sind es eigentliche nur einige Meter – historisch liegen jedoch Welten zwischen den beiden Gotteshäusern. Spannend für alle die Schilderungen der Religionszugehörigkeit: War die Stiftskirche eine Kirche der Reformierten, so bauten die Lutheraner in unmittelbarer Nachbarschaft des heutigen Rathauses die Kreuzkirche.
So führte der Rundgang wieder zurück in die Melanchthonstraße – zum Kaffeehaus Hesselbacher, welches auch eine traditionsreiche Lebkuchenbäckerei betrieb, die neben den Nürnberger Lebkuchen dank der Erschließung Brettens durch die Kraichgaubahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts europaweit exportiert wurden. Vorbei am berühmten Schweizer Haus, welches zunächst als Zehnthaus des Klosters Frauenalb diente, fand die Führung beim Weltbrunnen, inmitten der Fußgängerzone, ihr Ende.