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Reaktion auf Pfarrermangel

Zentrale Konfirmandenarbeit und Kindergartenverwaltung in Bretten: Zehn Gemeinden versuchen Pilotprojekt

Als Reaktion auf akuten Pfarrermangel und kleiner werdende Gemeinden wollen sie über den eigenen Kirchturm hinweg schauen: Die Protestanten im Raum Bretten starten einen Versuch, der in der Landeskirche einzigartig ist. Doch es gibt auch Bedenken.

Neuer Gemeindeverband Bretten
Aufbruchsstimmung am Ostermontag: Die herrscht im neuen Brettener Gemeindeverband. Die evangelische Dekanin Ulrike Trautz verteilte Blumen an die Verantwortlichen. Foto: Thomas Rebel

War das nun ein Tag der Freude oder eher der Sorge? Passenderweise am Ostermontag brachten die evangelischen Christen im Raum Bretten etwas auf den Weg, was in der gesamten badischen Landeskirche bisher (noch) einzigartig ist. Es ist auch ein Wagnis, so wurde bei der Feier klar.

Zehn Gemeinden schließen sich zu einer Verbandsgemeinde zusammen, um künftig besser zu kooperieren und dem akuten Pfarrermangel etwas entgegenzusetzen.

Bei den Katholiken würde man vielleicht Seelsorgeeinheit sagen. Brettens Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs fand aber einen ganz, wahrlich ganz anderen Vergleich: „Das ist so etwas wie der Abwasserzweckverband“, sagte er bei der Feier in der Brettener Stiftskirche.

Drei Pfarrstellen fallen weg, und es kommen kaum Theologen nach

Wie dem auch sei, klar ist: In den zehn Gemeinden müssen drei Pfarrstellen eingespart werden. Es kommen weniger Theologen nach, und die Anzahl der Kirchenmitglieder und damit der Einnahmen schwindet. Nicht nur in Bretten, überall.

Alle Brettener Gemeinden, sowie die aus Gondelsheim und Walzbachtal, bilden also fortan die „Evangelische Kirche Region Bretten“. Dass das Konstrukt aus der Not geboren wurde, und damit viele Sorgen einhergehen, damit hielten die Protestanten nicht hinterm Berg. „Wir fürchten eine wachsende Distanz zwischen Pfarrleuten und Kirchenmitgliedern.“

Oder: „Wir befürchten, dass die Verbundenheit der Konfirmanden zu ihrer Heimatgemeinde verloren geht.“ Angelika Ramöller und Martin Kares waren beide in der Gruppe, die seit einem Jahr die neue Struktur erarbeitet hat. Sie wissen, was den Gläubigen in Ruit oder Dürrenbüchig, in Jöhlingen oder Sprantal auf den Nägeln brennt.

Wir fürchten, dass die Seelsorge vor Ort schwerer aufrecht erhalten werde kann und Menschen in die Freikirchen abwandern.
Angelika Ramöller, Mitglied der Strukturgruppe

„Wir fürchten, dass die Seelsorge vor Ort schwerer aufrecht erhalten werden kann, und Menschen in die Freikirchen abwandern“, sagte Ramöller. Die beiden haben aber auch große Hoffnungen: dass die Pfarrer von Verwaltungstätigkeit entlastet werden. Damit mehr Zeit für die Seelsorge bleibt. Dass es einen regen Austausch untereinander gibt, dass es gemeinsame Projekte etwa für Chöre gibt, und dass man über den eigenen Kirchturm hinweg schauen möge, so Kares.

Glauben heißt nicht, festhalten, sondern nach Neuem suchen und aufbrechen.
Ulrike Trautz, Dekanin im Kirchenbezirk Bretten-Bruchsal

Dekanin Ulrike Trautz jedenfalls versuchte, jede Menge Optimismus zu verströmen. „Lasst los eure Sorgen um die Zukunft“, rief sie den Gottesdienstbesuchern in der Stiftskirche und denen zuhause zu, die den Livestream online verfolgten. Ostern sei das Fest des Aufbruchs. Man betrete mit der Verbandsgemeinde mutig Neuland. „Kirche kann nicht immer so bleiben, wie sie war“, sagte sie. „Kirche muss sich verändern und nah bei den Menschen sein. Glauben heißt nicht, festhalten, sondern nach Neuem suchen und aufbrechen.“ Ja, so räumte die Dekanin ein, sie spüre große Ängste vor diesem Prozess. Aber auch eine große Bereitschaft, die Chance zu nutzen.

Ein Jahr Arbeit liegt hinter der Strukturgruppe aus Haupt- und Ehrenamtlichen. Sie hat die Arbeit jetzt in die Hände der neuen Verbandsversammlung unter Vorsitz von Jöhlingens Pfarrerin Andrea Kampschröer übergeben. „Mit Gottes Hilfe“, so riefen die Verantwortlichen, wollten sie ihre Arbeit nun aufnehmen. Gewählt und in die Versammlung entsandt wurden sie von den Ältestenkreisen.

Versammlung erarbeitet neues Konzept für die Konfi-Vorbereitung

Innerhalb der zehn Gemeinden werden Aufgaben wie die Vorbereitung der Konfirmanden, die Krankenhausseelsorge, die Arbeit mit Kindern oder die Verwaltung der Kindergärten neu verteilt und zum Teil zentralisiert. Drei- bis viermal pro Jahr wird die Verbandsversammlung tagen. Im Mai will man ein neues Konzept für die Konfirmanden erarbeiten. Für den Sommer soll ein abgestimmter Gottesdienstplan entstehen.

Insbesondere Bruchsaler und Kraichtaler Protestanten werden mit Interesse nach Bretten schauen, schließlich machen sie sich selbst gerade auf den Weg zu einer neuen Struktur. Wie alle anderen Gemeinden im Kirchenbezirk und im Gebiet der Landeskirche kommen ähnliche Prozesse nun auf sie zu.

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