Im Jahr 1913 wurde Elfriede Lorenz in der Mühle ihrer Eltern in Heidelsheim geboren. Den Ort hat sie bis zu ihrem 99. Lebensjahr fast nie verlassen. „Der einzige Urlaub war die Hochzeitsreise 1942 an den Bodensee“, erzählt sie. Aber dann ging sie doch fort aus Heidelsheim. Seit acht Jahren lebt sie nun im Seniorenzentrum Bethel in Trossingen, in der Nähe ihres Sohns Klaus-Jürgen Lorenz und ihrer Schwiegertochter Eicke.
In Trossingen feierte Elfriede Lorenz gerade auch ihren 107. Geburtstag. Sie erfreut sich guter Gesundheit und weiß ihre Tage zu genießen. Die Corona-Besuchsbeschränkungen treffen auch sie und ihren Sohn. Aber Elfriede Lorenz trägt dies mit Geduld und Gelassenheit.
Gerne lässt sie sich auch weiterhin aus der Bruchsaler Rundschau vorlesen. „So bleibe ich in Kontakt mit meiner Heimat“, sagt sie. Schade findet sie nur, dass das große Jubiläumsfest zum 1.250-jährigen Bestehen von Heidelsheim nicht stattfinden konnte.
In ihren 107 Jahren hat sie gewaltige technische Veränderungen erleben können und war dabei Neuerungen durchaus aufgeschlossen. 1938 hat sie den Führerschein gemacht und konnte so später auch Mehl aus der Heidelsheimer Mühle zu den Bauern fahren mit einem Unimog. Handy und Computer bestimmen aber nicht ihr Leben. Sie kann noch so manchen Handgriff alleine machen und lebt einen strukturierten Tages- und Wochenablauf. Freitags geht sie mit ihrem Rollator im Haus zum Gottesdienst und am Sonntag besuchen sie Sohn und Schwiegertochter – soweit es im Moment erlaubt ist.
Eine Schwäche hat sie für Schokolade. „Wenn ich einen schlechten Geschmack im Mund habe, dann esse ich ein Breggele Schokolädle“, sagt sie. Alle wichtigen Daten in ihrem Leben und auch in der Haus-, Stadt- und Weltgeschichte sind in ihrem „Vergissmeinnicht“ nachzulesen. Es ist ein Büchlein, das sie seit 1930 führt. Hier trägt sie alle Ereignisse ein, die sie nicht vergessen will. Inzwischen ist es eine kleine wertvolle Erinnerungsbibliothek der Zeit- und Lokalgeschichte.
Dankbar für die vielen Jahre
Neben Geburtstagen oder Hochzeiten, wichtigen Daten von Verwandten und Nachbarn sind auch die Reisen ihrer Kinder vermerkt sowie gesellschaftliche Ereignisse wie die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin. „Sie hat die große und kleine Weltgeschichte immer mit Anteilnahme verfolgt“, sagt ihr Sohn. „Von Mutters Erfahrungsschatz haben wir alle viel profitiert. Sie ist eine ausgleichende und friedfertige Frau.“
Elfriede Lorenz ist fest im christlichen Glauben verwurzelt. Sinnbildlich dafür steht ein großes gerahmtes Foto auf Leinwand von Helmut Rotter, das die Martin-Luther-Kirche in Trossingen zeigt, ein Geburtstagsgeschenk von Sohn und Schwiegertochter. Das Bild hängt jetzt im Gemeinschaftsraum des Seniorenzentrums, wo es nicht nur Elfriede Lorenz erfreut, sondern auch viele andere Heimbewohner.
Die alte Dame ist dankbar für die vielen Jahre, die sie erleben durfte, wobei auch Schicksalsschläge nicht ausblieben. Ihre Mutter starb, als sie zwölf Jahre alt war, und beim Tod ihres Vaters war sie 20. Ihre eigene Tochter wurde nur ein halbes Jahr alt, wegen einer tödlichen Erkrankung. Ihr Ehemann starb 1980. Elfriede Lorenz ist nie bitter geworden, sondern hat das Leben immer tatkräftig gestaltet. „Ein schönes und inhaltsreiches Leben liegt hinter mir“, sagt sie. Und: „Ich schaue dankbar vorwärts auf ein sanftes Ende.“