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Ein Dorf war in Aufruhr

150 Kilo Zyankali gehortet: Ehemaliger KIT-Mitarbeiter vor Gericht

Ein Fall wühlt ein ganzes Dorf auf: Nach sechs Jahren Ermittlungen steht ein 46-Jähriger aus Rohrbach im Landkreis Heilbronn vor dem Landgericht Karlsruhe. Er soll tonnenweise hochgiftige Chemikalien gestohlen und gehortet haben - bis zu zehn Jahre Haft wären möglich.

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Nach sechs Jahren muss sich ein Mann aus dem Landkreis Heilbronn vor dem Landgericht verantworten. Er soll massenhaft Chemikalien aus dem KIT entwendet haben. Die Mengen und die potenzielle Gefahr sorgten 2014 bundesweit für Schlagzeilen. Foto: dpa

Für mehrere Tage war Rohrbach im Ausnahmezustand. An einer Straße im Ortskern standen Feuerwehr, Polizei und Experten für Chemikalien, dazu Fernsehteams. In dem Haus eines Mannes waren tonnenweise hochgiftige Chemikalien gefunden worden, darunter 150 Kilo Zyankali. Schon 140 Milligramm gelten als tödliche Menge.

Aktualisierung: Sechs Jahre lang hat ein ehemaliger KIT-Mitarbeiter nach seiner Festnahme auf den Prozess warten müssen. Beim Auftakt am Dienstag ging es dann schnell. Der 46-Jährige gestand, über Jahre massenweise Chemikalien aus dem Institut entwendet zu haben.

Sechs Jahre zwischen Festnahme und Prozessauftakt

Diese bundesweite Aufmerksamkeit von Anfang 2014 für das Dorf im Landkreis Heilbronn hat sich längst gelegt. Nun geht es für die 1.700 Einwohner in Rohrbach mehr um den Breitbandausbau und das Neubaugebiet. Nach sechs Jahren wird am Dienstag die Sache mit den Chemikalien aber wieder das Gesprächsthema Nummer eins: Der Mann muss sich vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten.

Der ehemalige KIT-Mitarbeiter soll große Teile der Chemikalien aus dem Institut gestohlen haben.

Sechs Jahre zwischen Festnahme und Prozessauftakt sind eine lange Zeit, doch der Fall ist komplex. Ein Rückblick.

Großaufgebot in Rohrbach

Anfang 2009 soll der Angeklagte damit begonnen haben, Chemikalien und andere Gegenstände aus dem KIT mit nach Hause zu nehmen. Demnach bestellte der laut KIT in „Vertrauensposition“ agierende Mitarbeiter fünf Jahre lang nach Belieben Chemikalien und verschleierte die Abrechnungen, ein Komplize soll dabei geholfen haben.

Irgendwann keimte beim KIT der Verdacht. Es gibt routinemäßige Ausgangskontrollen beim Institut, doch der heute 46-Jährige wurde im Januar 2014 gezielt kontrolliert. Der Verdacht bestätigte sich, und schon kurz darauf kam es zu einem Großaufgebot in Rohrbach.

"Das Haus kann nach wie vor nicht benutzt werden"

Die Ermittler fanden unter anderem sauber abgepackt Zyankali, Chlor, Strontium, Quecksilber und Brom. Bis heute steht das Haus leer. Ab und an prüfen Mitarbeiter der Gemeinde, ob es wirklich unbewohnt ist.

„Der Eigentümer hat den Nachweis nicht erbracht, dass es keine Gefahr gibt“, sagt Gemeindesprecherin Cathrin Leuze. „Das Haus kann nach wie vor nicht benutzt werden.“ Die Sache war schon vor Gericht, doch ohne ein Gutachten zur Kontamination bleibt das Haus unbewohnt.

Kindergarten und Schule in der Nähe

Ab und an gebe es Nachfragen von Bürgern, was sich nun in dem Fall getan hat, sagt Leuze. „Das hat die Menschen seinerzeit sehr aufgewühlt.“ Niemand wusste damals, wie gefährlich die Chemikalien des Manns in seinem Haus nahe der Schule und des Kindergartens sind.

Für das Ortsblatt hielt Leuze zum Beschuldigten damals fest: „Was ihn dazu bewegte, Chemikalien dieser Größenordnung in seinen Besitz zu bringen, ist nach wie vor unklar.“

Staatsanwalt: Kein Tat-Plan vor Ort

Für die Ermittler war relativ schnell klar: Von einer Gefahr für die Bevölkerung ist nicht auszugehen. „Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass er was vorgehabt hätte“, sagt Staatsanwalt Mirko Heim. Es wurde kein Tat-Plan gefunden, die Chemikalien waren abgepackt. „Die äußeren Indizien wurden gewissenhaft überprüft.“

Doch da begann die umfangreiche Ermittlungsarbeit erst. Wie viele Chemikalien sind es? Wie giftig sind sie? Wie wurden sie bestellt, wie entwendet? Doch ohnehin kommt es aus Sicht des Staatsanwalts Heim nicht darauf an, wie viele Male der Angeklagte Chemikalien aus dem Institut entwendet hat. „Die Gesamtmenge oder der Wert des Gutes ist entscheidend.“ Aber: „Wir müssen nach wie vor von einem Verdacht sprechen.“

Bis zu zehn Jahre Haft möglich

Die ersten mutmaßlichen Diebstähle von 2009 könnten theoretisch verjährt sein. „Aber die Staatsanwaltschaft hat es als eine Tat angeklagt“, erklärt eine Gerichtssprecherin. Also zähle nicht die erste, sondern die letzte Tat.

Einfacher, schwerer oder besonders schwerer Diebstahl – das mögliche Strafmaß liegt bei bis zu zehn Jahren.

Nach der Verhandlung am Dienstag geht es am Donnerstag weiter. Dann könnte der Prozess zum Abschluss kommen (Aktz. 2 KLs 520 Js 2589/20).

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