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Hauptproblem: Steigende Mieten

Altersarmut im Landkreis Karlsruhe: Mit Pfandflaschen wird die Rente aufgebessert

Immer mehr Rentner sind von Armut im Alter betroffen. Besonders die steigenden Mieten sind ein großes Problem in der Region um Bruchsal. Viele schlagen sich so durch - aber die Scham ist groß. Zum Glück gibt es karitative Einrichtungen und Vereine.

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Frisches Gemüse kauft Hartmut Waniek aus Ubstadt-Weiher im Tafel-Laden Bruchsal. Seine Rente reicht nicht aus, mit Gartenarbeit verdient er etwas dazu. Von Armut im Alter sind immer mehr Rentner betroffen. Foto: Heintzen

Hartmut Waniek rechnet vor: 655,13 Euro bleiben ihm nach Abzug des Krankenkassenbeitrags von seiner Rente. Davon gehen allein 500 Euro für die Warmmiete drauf. Mit dem restlichen Geld muss er Telefon, Strom und ein Auto finanzieren. Das Auto ist wichtig, denn mit dem Wagen fährt der 72-Jährige aus Ubstadt-Weiher zu seinen über 20 Arbeitsstätten in der Umgebung, bei denen er sich mit Gartenarbeit noch etwas dazuverdient. Rasen mähen, gießen, Bäume schneiden – mit regelmäßigen Arbeiten bessert er seine schmale Rente auf.

Manchmal zwickt es im Arm

Noch geht es kräftemäßig, manchmal zwickt es im linken Arm: „Das stecke ich noch gut weg“, erzählt der Rentner im BNN-Gespräch. Gearbeitet hat der gelernte Einzelhandelskaufmann 40 Jahre lang, davon zehn Jahre lang selbstständig – allerdings hat man im Handel nicht viel verdient. An die Zukunft will er lieber nicht denken. Denn dem rüstigen Senior ist klar: Ohne einen Zuverdienst wird er nicht über die Runden kommen.

„Zum Glück gibt es den Tafel-Laden“, so Waniek. Mehrmals wöchentlich schaut der Vegetarier in der Bruchsaler Tafel nach günstigen Lebensmitteln. „Selbst Soja- oder Hafermilch habe ich dort schon bekommen“, freut er sich. Waniek hat einen der 2.300 Ausweise, den die Bruchsaler Tafel der Caritas für den Einkauf in ihren sechs Tafel-Läden ausgibt. „Ein Viertel unserer Tafel-Kunden bekommen zu wenig Rente, ein weiteres Viertel sind Alleinerziehende, und die andere Hälfte lebt von Hartz IV“, zählt der ehrenamtliche Leiter Ulrich Ellinghaus auf.

Die Scham ist groß

Mittlerweile gebe es immer mehr Rentner, die auf den Einkauf in den Tafel-Läden angewiesen sind. Im Schnitt haben Antragsteller bei der Tafel zwischen 500 bis 700 Euro Rente im Monat. Daneben bekommen sie noch Sozialleistungen, aber für den täglichen Bedarf reiche es nicht: „Die Scham ist groß, bis sie sich bei uns melden“, hat Ellinghaus festgestellt. Nach seiner Einschätzung erreicht die Tafel deshalb gerade mal 20 Prozent der Betroffenen.

„Altersarmut ist ein Frauenproblem“, sagt Sozialamtsleiter Michael Bolek vom Landratsamt Karlsruhe und zählt die Gründe auf: Berufsausstieg wegen Kindererziehung, Teilzeitarbeit oder Scheidung. Im September 2019 bekamen im Landkreis Karlsruhe 1.694 Menschen über 65 Jahren Grundsicherung – 55 Prozent davon waren Frauen. Die Fallzahlen steigen seit Jahren – langsam, aber kontinuierlich.

Ich schlag mich so durch
70-jährige Rentnerin aus Bruchsal

Um die Rente aufzustocken, gehen Frauen putzen oder sammeln Pfandflaschen. „Ich schlag mich so durch“, erzählt eine 70-jährige Betroffene aus Bruchsal. Bis vor einem Jahr hat sie noch geputzt. Das geht nicht mehr: Sie hat Osteoporose, das merkt sie in Händen und Armen. 20 Euro verdient sie mit Bügeln dazu. 310 Euro bekommt sie Rente, ihr schwerkranker Mann 1.200 Euro. Sie macht sich viele Gedanken, wie es weitergehen soll – schon jetzt bleiben nach Abzug aller Fixkosten monatlich nur 200 Euro übrig. Über die Tafel kann sie wenigstens Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch und Käse kaufen.

„Die meisten Frauen haben sparen gelernt und kommen gerade so über die Runden“, weiß Caritas-Vorstandsvorsitzende Sabina Stemann-Fuchs. Aber die steigenden Mieten seien für viele ein echtes Problem. Oft zahlen sie von der Grundsicherung ein Teil der Miete. Dann wird eine Stromrechnungen nicht bezahlt, und dann noch eine: „Sie glauben nicht, wie viel Menschen der Strom abgestellt wird“, weiß Stemann-Fuchs aus Gesprächen der Schuldnerberatung der Caritas. Wenn dann noch unvorhergesehene Ausgaben fällig werden, wie eine neue Waschmaschine oder Zuzahlungen für Hörgeräte oder Zahnersatz, ist oft guter Rat teuer.

Zontas leisten unbürokratische Hilfe

Schnelle Hilfe verspricht ein Projekt des Zonta-Clubs Bruchsal: Seit fünf Jahren unterstützt er Frauen (und auch den ein oder anderen Mann), die von Altersarmut betroffen sind. 95 Einzelfälle gab es seit dem Start 2016, wie Maria Becker erzählt. Wenn alle Fördermöglichkeiten ausgeschöpft und die Schuldnerberatung von Caritas und Diakonie den Fall geprüft haben, gibt es die Unterstützung – „spontan und unbürokratisch“. Damit junge Frauen im Alter nicht vor ähnlichen Problemen stehen, hat der Zonta Club Bruchsal das Projekt „Zukunftsvorsorge für junge Frauen“. Die Mitglieder werben dafür bei Schulbesuchen.

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