
Es gibt diesen einen Moment, der selbst einen gestandenen Nikolaus jedes Mal auf’s Neue berührt: „Wenn die Kleinen mir die Hand geben“, verrät Gerhard Pisar. „Dann hab ich’s geschafft.“ Pisar hat mit seinen weißen Handschuhen schon hunderte Kinderhände geschüttelt – der 56-Jährige ist Heidelsheims dienstältester Nikolaus. Als Mitglied des Heimatvereins Bürgerwehr Heydolfesheim zieht er seit rund 30 Jahren von Haus zu Haus. In den Tagen vor dem 6. Dezember steigt bei ihm wieder die Aufregung: „Das Outfit steht“, verrät er.
Nur bei Bekannten schaut der Nikolaus ungern vorbei
Doch etwas ist anders am Nikolaustag in diesem Jahr – auch der Mann mit dem weißen Rauschebart kommt an den Ereignissen der Zeit nicht vorbei.
Neben den Besuchen an den Haustüren steht deshalb auch eine besondere Adresse im goldenen Buch, das Pisar als Gedankenstütze auf seinem abendlichen Streifzug durch den Ort dient: Der frühere Praktiker-Baumarkt am Ortsrand von Heidelsheim, der heute als Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine dient – darunter Familien mit kleinen Kindern.
Es wird Pisars erste Station, die er ab Einbruch der Dunkelheit am Nikolausabend besuchen will, im Gepäck: Rund 40 Dambedeis. Die Rute, eigentlich traditionelles Requisit des Heidelsheimer Nikolaus, lässt er hingegen zu Hause stehen: „Mein Besuch soll eine gute Aktion sein und niemanden erschrecken“, sagt Pisar.
Ich behalte mir immer etwas Gutes in der Hinterhand. Das kommt ganz zum Schluss.Gerhard Pisar, Nikolaus
Ohnehin muss heute kein Kind mehr Angst vor dem Nikolaus haben – Gerhard Pisar hat seine Tricks. Was er beim Geschenke-Überbringen an der Haustür den oft aufgeregten Kindern mit auf den Weg geben soll, haben ihm die Eltern zuvor aufgeschrieben – über die Reihenfolge entscheidet der Nikolaus derweil selbst: „Ich behalte mir immer etwas Gutes in der Hinterhand. Das kommt ganz zum Schluss“ – dann gelingt es auch mit dem Händeschütteln.
Nur eine Art von Besuch kommt Pisar ungelegen: „Ich gehe ungern zu Familien, die mich kennen“, sagt er – zu groß ist die Sorge vor der Enttarnung. Vorgekommen ist das in 30 Jahren nur einmal, die Tochter von Freunden hat ihn erkannt. „Im nächsten Jahr war zum Glück alles wieder vergessen, sie hat immer noch an den Nikolaus geglaubt.“
Und noch etwas verrät er: Auch ein gestandener Geschenke-Überbringer wird selbst gerne beschenkt. Ein selbstgemaltes Bild, ein Ständchen für den Nikolaus: „Das sind die schönsten Momente“, sagt Gerhard Pisar. „Dann spüre ich, dass sich die Familien und Kinder vorbereitet haben.“