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Manche dauerhaft uneinsichtig

Auf Corona-Streife durch Bruchsal: 130 Mal gab es Knöllchen

Stößt sich die Stadt dank vieler Corona-Knöllchen womöglich gesund? Davon kann kaum die Rede sein. Vielmehr setzt das Ordnungsamt auf „kooperative Kontrollen”. Aber nicht immer genügen eine freundliche Ansprache oder eine Ermahnung. Bis zu 3.500 Euro teuer waren die Verstöße.

Viel zu tun dank Corona: Nina Schüßler und Steffen Schmidt vom Bruchsaler Ordnungsamt überprüfen wie hier auf dem Wochenmarkt, ob die Hygieneregeln eingehalten werden.
Viel zu tun dank Corona: Nina Schüßler und Steffen Schmidt vom Bruchsaler Ordnungsamt überprüfen wie hier auf dem Wochenmarkt, ob die Hygieneregeln eingehalten werden. Foto: Martin Heintzen

Unterm Strich steht die Zahl 130. 130 Mal hat die Stadt Bruchsal seit Beginn der Corona-Krise Mitte März Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen Corona-Verordnungen verhängt. Das fängt beim fehlenden Hygieneabstand an und hört bei der zu großen Hochzeit noch nicht auf. Den 130 „Knöllchen“ stehen aber ungezählte – wohl tausende – Gespräche, Ansprachen, auch mal Verwarnungen entgegen, die keine Bußgelder nach sich zogen. Jessica Deutsch fasst es im Gespräch mit dieser Redaktion so zusammen: „Wir setzen auf kooperative Kontrollen“, so die Chefin des Ordnungsamtes.

Sie und Nina Schüßler, die Abteilungsleiterin für Verkehr und Ordnungswidrigkeiten, sowie Steffen Schmidt und seine Kollegen vom Gemeindevollzugsdienst haben anstrengende Wochen hinter sich. Neben großangelegten Schwerpunktkontrollen etwa in der Gastronomie, in Supermärkten oder auf Verkaufsflächen, waren die Mitarbeiter des Ordnungsamts regelmäßig auf Corona-Streife in der Stadt unterwegs. Verstärkt wurden die Teams von städtischen Mitarbeitern, die wegen Corona in ihrem eigentlichen Bereich weniger zu tun hatten.

Regeln änderten sich im Wochenrhythmus

Was sie dabei erlebten, darüber sprachen die drei mit unserer Redaktion. „Je länger die Krise andauerte, desto explosiver war die Stimmung“, berichtet Schmidt. Ungezählte Male haben er und sein Streifenpartner Menschen auf Straßen und in Parks angesprochen und auf die jeweils geltenden Regeln aufmerksam gemacht. Wohlgemerkt Regeln, die teilweise im Wochenrhythmus wechselten.

Oft trafen die städtischen Ordnungshüter auf Verständnis. „Wenn nicht, musste ich den Tonfall auch mal anheben“, so Schmidt. Als sich am Friedrichsplatz drei junge Mädchen in der Corona-Hochphase überschwänglich um den Hals fallen wollten, reichte ein scharfes„Hey“, um sie auseinanderzutreiben. Andernorts mussten Strafzettel verteilt werden. „Bei einer Hochzeitsfeier zeigten sich die Menschen derart uneinsichtig, dass wir kurz davor waren, die Feier unter Anwendung unmittelbaren Zwangs mit der Polizei aufzulösen“, erinnert sich Jessica Deutsch an einen besonders kritischen Fall.

Anfänglich haben Polizisten zusammen mit der Ordnungsbehörde die Bau- und Gartenmärkte abgeklappert: Gibt es Desinfektionsmöglichkeiten, werden die Abstände eingehalten, sind Abstandsmarker auf dem Boden vor den Kassen eingezeichnet, gibt es Aushänge? „Wir haben einfach geschaut, hat sich jemand Gedanken gemacht?”, erklärt Deutsch. Im Zweifel gab es ein Gespräch mit der Filialleitung und ein Nachermittlungsauftrag für die Kontrolleure. Schwierig im Übrigen, wenn sich zwischen erster Ermahnung und der Nachkontrolle zwischenzeitlich die Regeln geändert haben, wie Deutsch einen Einblick gibt in die durchaus juristisch heikle Zeit.

Illegal betriebene Kneipe geschlossen

Deshalb will man auch keine Summe nennen, die die Stadt an Bußgeldern vereinnahmt. Noch ist offen, ob alle Bußgeldbescheide am Ende wirklich Bestand haben.

Gesund stoßen jedenfalls kann sich das Rathaus an den 130 Bescheiden mit Sicherheit nicht. 100 Euro für einen Verstoß gegen Abstandsregeln, bis zu 3.500 Euro, wenn jemand eine Kneipe illegal betrieben hat, trotz vorheriger Ermahnung. Was durchaus vorkam. Dazwischen bewegen sich die Bußgelder. An größere Diskussionen erinnert sich Deutsch mit Betreibern sogenannter „Mischsortimenter”. Märkte also, die erlaubte und nicht erlaubte Sortimente nur in einem ganz bestimmten Verhältnis anbieten durften, Gärtnereien beispielsweise, die auch Lebensmittel verkauften.

Überwiegend kooperativ haben sich die meisten Händler und Institutionen gezeigt, bilanziert Deutsch. „Es gab aber einige Uneinsichtige, mit denen wir über die ganze Zeit zu tun hatten.” Aufwendig war die Auslegung der Verordnungen, die vom Land kamen. „In Stuttgart kennt man keinen Baggersee”, beschreibt es Deutsch plakativ. Was ist also ein Baggersee rein rechtlich? Eine Freizeiteinrichtung? Eine ungedeckte Sportstätte? Danach richtet sich, was dort erlaubt ist und dementsprechend kontrolliert werden kann.

Nachbarn verpfeifen sich gegenseitig

„Wir sind schon meistens auf Verständnis gestoßen”, bilanziert Nina Schüßler. Dutzende Male hätten Bruchsaler bei der Stadt angerufen und Verstöße ihrer Nachbarn gemeldet. Grillt der Nachbar etwa mit zu vielen Leuten? Kommen da nicht regelmäßig Besucher aus einem anderen Bundesland? Mitunter steckten einfach jahrelange Streitigkeiten unter Nachbarn hinter solchen Anzeigen. „Das war für manche wie ein Ventil”, erklärt es sich Schmidt. „Wir gehen jetzt nicht mit dem Feldstecher durch die Stadt und schauen in fremde Gärten”, stellt Deutsch klar. Schwerpunkt der Kontrollen war immer der öffentliche Raum.



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