Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden etwa 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz in das Lager Gurs in Frankreich verschleppt – darunter 123 Menschen aus Bruchsal. Ein Jahr später folgten die systematischen Deportationen in die Vernichtungslager im Osten. An diese Verbrechen und ihre Nachgeschichte erinnert die Wanderausstellung „Gurs 1940: die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden“ der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“.
Im Bruchsaler Rathaus ist die Ausstellung zu den Rathaus-Öffnungszeiten bis Weihnachten zu sehen. Der Eintritt ist frei. Was man allerdings mitbringen sollte, ist Zeit. Die Ausstellung zeigt – zwischen teilweise recht langen Texten – Fotos und Kinderzeichnungen aus Gurs. Mehrere Tafeln am Ende der Ausstellung beschäftigen sich mit den Juden und Jüdinnen aus Bruchsal.
Die Aktion war langer Hand geplant und bis ins Detail durchorganisiert.Jürgen Stude
Autor
„Nach der Reichspogromnacht im November 1938 war die Ruine der Bruchsaler Synagoge für die Jüdinnen und Juden ein Symbol für die tägliche Gefahr, in der lebten“, sagte Jürgen Stude in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung.
Trotzdem seien die Menschen am 22. Oktober 1940 überrascht worden, als die Gestapo vor der Tür stand, um sie abzuholen. „Die Aktion war langer Hand geplant und bis ins Detail durchorganisiert“, so der Autor des Buches „Geschichte der Juden in Bruchsal“.
Die Gräuel geschah unter den Augen der Bruchsaler
All das geschah mitten in der Öffentlichkeit. Von Menschen mit Koffern, Mänteln und Decken am Bruchsaler Bahnhof gibt es sogar einen kurzen Film. Dennoch, so Stude, habe es damals keinen nennenswerten Aufschrei gegeben – weder der Nachbarn noch der Kirchen.
In Bruchsal müssen wir uns rüsten gegen jede Art von Antisemitismus.Cornelia Petzold-Schick
Oberbürgermeisterin
Auch heute sei „das Eis der Zivilisation dünn“, sagte Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos). „In Bruchsal müssen wir uns rüsten gegen jede Art von Antisemitismus.“ Gedenken müsse man immer wieder in den Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen stellen.
„Mit dem Angriff der Hamas auf Israel hat die Ausstellung „Gurs 1940“ leider einen sehr traurigen Zeitpunkt“, so Petzold-Schick. „Der Bürgermeister unserer israelischen Partnerregion im Landkreis Karlsruhe, Ofir Libstein, ist bei den Angriffen auf Israel getötet worden.“
Die Ausstellung dürfe „nicht an den Menschen in Bruchsal einfach so vorbeigehen“, mahnte Martin Stingl vom Generallandesarchiv in Karlsruhe in seiner Eröffnungsrede. Die Konfrontation mit den Schattenseiten der Geschichte löse Abwehrreaktionen in den meisten Menschen aus.
Gedenkarbeit müsse deshalb unbedingt „an die Menschen herangehen“ und „vor Ort individuell-konkret werden“, um in der Breite der Bevölkerung anzukommen. In Baden, speziell in Bruchsal, sei man um genau diesen Kurs seit Jahrzehnten bemüht, so Stingl.