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Viele Kinder auf der Warteliste

Autismuszentrum Bruchsal sucht Begleiter für Schulkinder

Ohne pädagogische Begleitung können viele Kinder mit besonderem Bedarf nicht zur Schule gehen oder bleiben unter ihren Möglichkeiten. Eine Schulbegleiterin sagt, auf was es ankommt.

Schulbegleiterin Parvin Mohammadi (rechts) mit Susanne Scheible von der Heilpädagogischen Praxis Zimmermann
Schulbegleiterin Parvin Mohammadi (rechts) mit Susanne Scheible von der Heilpädagogischen Praxis Zimmermann in Bruchsal unterstützt seit einigen Wochen Kinder mit besonderen Bedarfen im Unterricht. Foto: Heike Schaub

Manchmal sind es die kleinen Gesten, die eine große Wirkung haben: Nach Wochen kann Parvin Mohammadi vorsichtig die Hände einer Achtjährigen ergreifen, ohne dass das autistische Mädchen sich weinend zurück zieht.

„Jeder andere hätte schon längst aufgegeben“, meint Susanne Scheible, Geschäftsführerin der Heilpädagogischen Praxis Ulrich Zimmermann in Bruchsal. Sie ist begeistert, wie schnell sich Schulbegleiterin Mohammadi in ihre neue Aufgabe eingearbeitet hat.

Autismuszentrum Bruchsal existiert seit zehn Jahren

Vor der Eröffnung des Autismuszentrums in Bruchsal wurden Kinder in der Heilpädagogischen Praxis therapiert. Seit 2011 gibt es offiziell das Autismuszentrum in der Wilderichstraße. 180 Kinder mit besonderem Bedarf werden dort derzeit von Fachkräften betreut. Sie leiden unter Autismus, haben Angststörungen, Aufmerksamkeitsdefizite (ADHS/ADS) oder Downsyndrom.

Das geht nicht ohne pädagogische Begleitung. Bis 2011 begleiteten Zivildienstleistende die Kinder, die teilweise im Rollstuhl sitzen. In diese Lücke sind nach 2011 pädagogische Fachkräfte gestoßen wie ehemalige Lehrer, Erzieher oder ähnliche Berufe.

Im Autismuszentrum merken auch wir den Fachkräftemangel.
Elvira Mensinger, neue Geschäftsführerin

„Jahrelang lief das gut. Aber jetzt merken auch wir den Fachkräftemangel“, sagt Elvira Mensinger, neue Geschäftsführerin des Autismuszentrums Bruchsal. Neben der Verwaltungszentrale in Bruchsal gibt es noch in Karlsruhe-Durlach und in Wiesloch Niederlassungen. Sie decken den Landkreis Karlsruhe und den Rhein-Neckar-Kreis ab.

Ende 2021 standen auf der Warteliste 80 Kinder, die einen sogenannten Schulbegleiter oder eine Schulbegleiterin brauchen: Menschen, die im Unterricht Aufgaben noch mal gezielt erklären und bei der Lösungssuche unterstützen können. Als emotionale und psychische Stütze im Umgang mit den Mitschülern etwa in der Pause. Als Dolmetscher und Kommunikationstrainer.

Resonanz auf Werbeaktion fällt spärlich aus

„Alltagshelden“ heißen sie beim Autismuszentrum. In den sozialen Medien, mit Flyern und Bannern wird seit Monaten um neue Schulbegleiter geworben. Die Resonanz war spärlich. Ohne entsprechende Begleitung können viele dieser Kinder trotz bestehender Schulpflicht nicht zur Schule gehen. Die Eltern müssen sie zu Hause betreuen, können selber nicht oder nur eingeschränkt arbeiten gehen. Gehen die betroffenen Kinder zur Schule, bleiben viele unter ihren Möglichkeiten.

In Kooperation mit der Arbeitsagentur Karlsruhe wurde deshalb Ende September ein Bewerbertag veranstaltet. Im Vorfeld wurden 1.000 Profile von Arbeitssuchenden mit pädagogischem Hintergrund gesichtet. „400 Briefe mit einer Einladung zum Bewerbertag haben wir verschickt“, sagt Daniela Kohler vom Arbeitgeberservice der Bruchsaler Geschäftsstelle der Arbeitsagentur.

37 Interessierte haben sich im Anschluss angemeldet. Ungewöhnlich viele. Sieben Personen konnten zwischenzeitlich eingestellt werden, darunter Parvin Mohammadi. Drei Kandidaten für diese Tätigkeit, die zwischen zehn und 40 Stunden pro Woche umfasst, seien noch in der Schwebe. Eine gute Quote, freut sich Geschäftsführerin Mensinger. Weitere Interessenten für die Tätigkeit als Schulbegleitung werden dringend gesucht. Aktuell stehen 55 Kinder auf der Warteliste.

Der Bewerbertag war auch ein Glücksfall für Mohammadi, die erst vor drei Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist. Als Schulbegleiterin hat sie ihren ersten gleichwertigen Job gefunden. Seit Oktober betreut sie neben dem achtjährigen Mädchen mit Autismus auch einen Zehnjährigen mit ADHS. Im Iran hat die Erziehungswissenschaftlerin 22 Jahre als Sozialpädagogin in einem Mädchengymnasium gearbeitet. Kein Einzelfall, die Schulbegleiter von Autismuszentrum und Heilpädagogischer Praxis kommen aus 20 verschiedenen Nationen.

Schulbegleiterin lenkt Aufmerksamkeit des Kindes

Aufgabe von Schulbegleiterin Mohammadi ist, im Unterricht die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Aufgabe zu lenken. Fragestellungen so zu wiederholen, dass sie verstanden werden. „Ich gehe mit dem Kind auch in die Pause und beobachte es beim Spielen, greife bei Konflikten ein und vermittle“, erzählt sie.

Bei Kindern mit einem besonderen Förderbedarf gilt es, Strukturen zu schaffen, menschlichen Halt zu geben. Lösungsstrategien für bestimmte Probleme zu entwickeln und bei der Organisation des Schulalltags zu unterstützen. Und zwar im Gespräch mit Eltern, Lehrern, Erziehern oder Therapeuten.

Mehr Selbstständigkeit als Ziel

Ziel ist immer, das jeweilige Kind bei der Verselbstständigung zu unterstützen. Nach und nach sollen die Schulbegleiter sich wieder zurückziehen, erklärt die Geschäftsführerin des Autismuszentrums. Grundschulkinder haben andere Bedürfnisse als beispielsweise Gymnasiasten, die meist nur noch im sozialen Bereich Hilfe brauchen. Aber auch Studenten werden betreut.

Kontakt

Telefon: (07251) 3 92 79 90

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