Ein fruchtiger Obstkuchen oder lieber ein cremiger American Cheesecake? Ganz egal, wonach es dem Magen gelüstet, Kuchen geht immer. Und Kuchen macht glücklich. Doch bevor die kleine Gabel das erste Stück liebevoll berührt, lohnt sich ein Blick auf deren drei Zinken: Ist die linke nicht ein wenig dicker? Und fehlt oben nicht sogar die Ecke? Zumindest etwas ältere Exemplare tragen dieses besondere Outfit. Doch warum?
Einkerbung an Gabel soll das Messer ersetzen
Früher wurde Kuchen noch mit Messer und Gabel gegessen.Anni Venohr
Bäckerei Bannholzer in Heidelsheim
„Dann kann man die kleine Gabel als Kamm verwenden“, sprudelt es aus der fünfjährigen Maria heraus. Könnte wahrlich so sein, schließlich hat sich Arielle, die Meerjungfrau, auch schon mit einer Gabel gekämmt. Indes ist es bei der Kuchengabel viel pragmatischer. „Früher wurde Kuchen noch mit Messer und Gabel gegessen“, sagt Marias Mutter Anni Venohr aus der Heidelsheimer Bäckerei Bannholzer.
Nach 1930 hieß es aus zwei mach eins: Der linke Zinken der Gabel bekam oben eine kleine Einkerbung, mit der man die Kuchenstücke zerteilen konnte und die das Messer kurzerhand ersetzte.
Weshalb Gabeln eine verschiedene Anzahl von Zinken haben
Dass die zierliche Kuchengabel übrigens nur drei statt vier Zinken wie ihre große Schwester hat, ist ebenfalls schnell erklärt. „Gabeln wurden damals aus weichem Material wie Silber, Messing oder Kupfer gefertigt“, sagt Anni Venohr. „Hätte man vier Zinken gemacht, wären sie wahrscheinlich so filigran gewesen, dass sie sich beim Stechen in den Kuchen verbogen hätten.“
Immer mehr Kuchen werden heute gar nicht mehr gebacken.Anni Venohr
Bäckerei Bannholzer in Heidelsheim
Also lieber drei Zinken, wovon die linke mit der „Messer-Ecke“ sicherheitshalber etwas breiter ist. Heute freilich spiele das alles keine Rolle mehr, werde Besteck doch aus stabilem Edelstahl hergestellt.
Leichte Kuchen werden immer beliebter
Wie dem auch sei. Dem Kuchen ist’s egal. Hauptsache er schmeckt. Und die Ecke zum Zerteilen ist auch nicht mehr so wichtig, seien die meisten Kuchen mittlerweile viel weicher als früher. „Immer mehr Kuchen werden heute gar nicht mehr gebacken, sind ohne Mehl, mit weniger Zucker und vegan“, so Anni Venohr. Insbesondere in ihrem Heidelsheimer Café seien leichte Kuchen deutlich beliebter. Mit Dinkel statt Weizen, Ahornsirup oder Datteln statt Zucker, Leinsamen statt Eier.
Marksamen-Kuchen gibt es nur in Heidelsheim
Nichtsdestotrotz haben in der bannholzerschen Bäckerei nach wie vor die deftigen Leckereien ihre Liebhaber: etwa die Schokobananen ebenso wie die Sahnerollen und im Herbst endlich der Marksamen-Kuchen, der herzhafte Mohnkuchen mit Speck, Schmand und Mürbeteigboden, den es tatsächlich nur in Heidelsheim gibt.
Genuss pur – ob süß, vegan oder deftig. „Kuchen genießt man mit einer feinen Tasse Kaffee, dafür nimmt man sich Zeit“, sagt Anni Venohr. „Kuchen gehört zu den kleinen Freuden im Leben.“ Und er hebe die Stimmung. Deshalb sei Regenwetter auch Kuchenwetter. Nur beim Rahmkuchen sei es anders, der sei der Allwetterkuchen schlechthin und selbst bei Nichtkuchenessern beliebt. Also dann: Guten Appetit.