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Persönliche Kontakt fehlt

Digitale Angebote sind kein Ersatz für Praktika bei der Suche nach dem richtigen Beruf

Neunte oder zehnte Klasse erfolgreich abgeschlossen – und dann? Der Trend, weiterführende Schulen zu besuchen, hält an. Eigentlich wäre jetzt Praktika-Zeit. Schüler und Betriebe könnten sich kennenlernen. Doch die Corona-Pandemie sorgt auch hier für Probleme.

Andy Sieger (Ausbildungsmeister) erklärt den Teilnehmenden einer interaktiven Technikrallye im technischen Ausbildungszentrum. die Funktion einer Werkzeugmaschine
Andy Sieger (Ausbildungsmeister) erklärt den Teilnehmenden einer interaktiven Technikrallye im technischen Ausbildungszentrum. die Funktion einer Werkzeugmaschine Foto: Markus Süß

„Die Leidtragenden sind die Schüler“, sagt Markus Süß, Leiter des technischen Ausbildungszentrums der SEW Eurodrive in Graben-Neudorf. Er weiß, dass für viele Schüler der persönliche Kontakt wichtig ist, die ein Gefühl für die mögliche Ausbildungsstätte entwickeln wollen. Geht gerade nicht.

Die Werkstatt in Graben musste Corona-gerecht umorganisiert werden und es fehlt an Platz. „Außerdem sollen so wenig fremde Menschen wie möglich in die Firmengebäude kommen, auch um unsere Belegschaft zu schützen“, so Süß.

Er und sein Kollege Klaus-Peter Schillo, Ausbildungsleiter für den kaufmännischen und IT-Bereich sowie Studium, haben deshalb an der Ausweitung der Online-Präsenz gearbeitet und virtuelle Werkstattrundgänge oder Online-Praktika im Programmieren entwickelt.

„Die kann man gut am heimischen Computer mitmachen. Ein virtueller Werkstattrundgang ersetzt den tatsächlichen Eindruck aber nur bedingt“, sagt Schillo. Wenn möglich gehen sie mit dem Online-Auftritt virtuell in Schulen oder haben beispielsweise beim Girls´ Day mitgewirkt. Denn Auszubildende werden in allen Bereichen gesucht. „Jugendliche sind gefragt. Ihnen steht die Welt offen“, sagen Schillo und Süß.

Wir stellen Dinge her. Das muss man selber sehen, anfassen und ausprobieren dürfen.
Peter Freier, Schlosserei in Ubstadt

Der Nachteil für das Handwerk liegt auf der Hand: „Wir stellen Dinge her. Das muss man selber sehen, anfassen und ausprobieren dürfen“, sagt Peter Freier von einer Schlosserei in Ubstadt. Er sieht in Schnelltests eine Möglichkeit, Belegschaft und Kunden vor Ansteckung zu schützen. „Ich würde niemand ohne Praktikum nehmen. Man arbeitet ja eng zusammen. Das muss dann passen“.

Handwerksbetriebe hätten oft weder Zeit noch Personal für interaktive Internetangebote. „Da wird bei uns viel über die Innung und die Handwerkskammer gemacht“, erklärt Freier, Lehrstellenfinder oder Plattformen mit Berufsinformationen etwa. Das alles ersetzt die praktische Erfahrung natürlich nicht.

Blockunterricht schreckt viele Schüler ab

Das findet auch Ruth Herzog von Glas Herzog in Waghäusel. Dort hat sich bis jetzt noch kein Bewerber gemeldet, eventuell gibt es einen internen Interessenten. „Wir haben das zusätzliche Problem, dass die Gewerbeschule für unsere Azubis in Wertheim in Franken ist. Der Blockunterricht dort schreckt viele ab.“

Es sei aber generell schwierig, geeignete Bewerber zu finden – nicht erst seit Corona. Wenn es an notwendigen Kenntnissen beispielsweise in Mathe fehle, gehe es halt nicht.

„Wer den Schritt wagt, trifft auf Resonanz, und kann auch dieses Jahr gut in eine Ausbildung starten“, sind sich Florence Lingenfelser und Jürgen Mayer, Berufsberater bei der Arbeitsagentur, sicher. Den Schritt zu wagen, ist wohl schwieriger geworden.

„Die Verunsicherung bei Schülern ist gewachsen. Dann bleibt man lieber bei dem, was man schon kennt, und das ist die Schule“, stellen sie fest. Wenn immer möglich, sind sie zur Berufsorientierung an den Schulen oder online präsent.

„Die Praktika sind nur ein Mosaikstein in der Berufsfindung“, gibt Mayer zu bedenken. Er sieht auch Positives. „Es gibt ein viel breiteres digitales Angebot an Informationen. Unis oder Betriebe bieten digitale Tage der offenen Tür. Online-Ausbildungsmessen und Speed-Datings können von Zuhause aus besucht werden. Das spart Zeit und lange Anfahrten fallen weg.“

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