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Energieforum am 17. September

Bruchsaler Klima-Aktivist Franz Alt: „Die alten Energien töten unsere Kinder“

Als Kind hat er in Untergrombach mit seinem Vater Kohlen ausgetragen. Seit Jahrzehnten macht sich Franz Alt für die Energiewende stark. Beim Energieforum will er die Bruchsaler aufrütteln.

Ein waschechter Untergrombacher: Franz Alt lebt mittlerweile in Baden-Baden.
Ein waschechter Untergrombacher: Franz Alt lebt mittlerweile in Baden-Baden. Foto: Uli Deck picture alliance/dpa

Bruchsal will bis 2040 klimaneutral sein. Dazu müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Es geht um Windkraft, um Solaranlagen, aber auch um Geothermie. Am 17. September ab 9 Uhr wird es im Gewerblichen Bildungszentrum in der Bruchsaler Südstadt ein Forum für die Bürger geben.

Der Bestseller-Autor und Klima-Aktivist Franz Alt, aus Untergrombach stammend, hat sein Kommen angekündigt. Er predigt die Umstellung auf die Erneuerbaren seit Jahrzehnten.

Und wird dabei nicht müde. Mit Christina Zäpfel hat er über Windkraftgegner, über den Ukraine-Krieg und die Gefahren von Geothermie gesprochen.

Sie haben Ihre Botschaft auf Tausenden Vorträgen und in dutzenden Büchern weltweit verbreitet. Nun kehren Sie in Ihre Heimatstadt zurück, um Werbung für die Energiewende zu machen. Warum?
Franz Alt

Die Energie- und die Klimafrage ist die Überlebensfrage der Menschheit. Alle sind betroffen. Auch alle in Bruchsal. In diesem heißen Sommer wird es vielleicht auch der Letzte merken, dass wir so schnell wie möglich auf 100 Prozent erneuerbare Energie kommen müssen. Wir verbrauchen heute an einem Tag so viel Öl, Gas und Uran, wie sich in einer Million Tage aufgebaut hat. Die Naturgesetze können nicht überlistet werden.

Aber was können Städte wie Bruchsal ausrichten? Müsste die Energiewende nicht auf viel höherer Ebene Schwung bekommen?
Alt

Nein. Jeder Bruchsaler verbraucht Energie. Umsetzen muss man das gerade auf kommunaler Ebene. Entscheidend sind die Kommunalpolitiker. Wenn ich durch meine alte Heimat fahre, sehe ich, dass nur jedes zehnte Haus mit Solardächern ausgestattet ist. Obwohl die Sonne auf jedes Dach scheint. Und zwar kostenlos. Stattdessen holen wir Öl aus Arabien. Gas aus Sibirien. Kohle aus Südafrika. Das ist doch verrückt. Wir haben sechs Pfeiler der erneuerbaren Energien, fünf davon stehen hier zur Verfügung.

Welche sind das?
Alt

Sonne, Wind, Wasser, Geothermie und Energie aus Biomasse. Was wir hier nicht haben, ist Energie aus den Gezeiten des Meeres. Alleine die Sonne schickt täglich 15.000 Mal mehr Energie auf die Erde, als wir benötigten. Es gibt kein Energieproblem. Wir sind nur zu doof, sie zu nutzen. Wir wissen genau, wie es geht. Und trotzdem führen wir noch immer Kriege um Öl oder Gas.

Apropos Krieg: Der russische Angriff auf die Ukraine und die Energiekrise – ist das vielleicht der positive Nebeneffekt, dass wir uns nun schneller von den fossilen Energien verabschieden?
Alt

Ich tue mich schwer, an einem Krieg etwas Positives zu finden. Ich bin im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen. Aber ja, der Krieg beschleunigt immerhin das Auflösen unserer Blödheit. Energie aus fossilen Quellen wird immer teurer. Die Sonne hingegen, das sage ich seit 30 Jahren, schickt keine Rechnung. Der Titel war ein Weltbestseller. Nur erneuerbare Energien sind „Freiheits-Energien“, wie sie Christian Lindner bezeichnet hat. Ich füge hinzu: Erneuerbare Energien sind auch Friedens-Energien. Kein Potentat kann um die Sonne je einen Krieg führen.

Wenn es nur um die Solarenergie ginge. Da haben die wenigsten etwas dagegen. Aber gerade am Oberrhein regt sich einiger Widerstand gegen Geothermie-Anlagen.
Alt

Jede neue Technologie ist umstritten. Denken Sie an die Eisenbahn oder die Autos. Und ja, es werden auch Fehler gemacht. Daraus müssen wir lernen. Wir haben hier ein fast unendliches Potenzial an Erdwärme. Das gilt es zu nutzen. Mit dem früheren Oberbürgermeister Bernd Doll habe ich mich schon vor über 15 Jahren über das Bruchsaler Geothermie-Projekt unterhalten. Er war, das nur am Rande, übrigens in Untergrombach Gruppenkind bei mir in der KjG.

Interessant. Aber zurück zur Erdwärme. Die Menschen wollen vielleicht kein Versuchskaninchen sein, wenn es um das Austesten neuer Energiegewinnung geht.
Alt

Dann dürfen sie aber auch keine Energie verbrauchen. Wir müssen aus den Fehlern, die bei der Geothermie etwa in Staufen gemacht wurden, natürlich lernen. Wir haben hier ein immenses Potenzial.

Ähnlich ist es bei Windrädern. Auch hier regt sich Widerstand. Viele wollen sie nicht vor ihrer Haustür sehen. Was sagen Sie diesen Menschen?
Alt

Wenn alle das sagen, sitzen wir eben im Dunkeln. Ich habe immer dieselben Argumente gehört. Windkraft ja, aber nicht bei mir. Und wenn ich mit Menschen gesprochen habe, die Windräder in ihrer Region gebaut haben, dann sagten alle: Wir haben uns dran gewöhnt. So wie wir uns auch an Stromleitungen gewöhnt haben. Und an die Eisenbahn. Wir würden heute noch auf dem Baum sitzen, wenn wir nichts wagen würden.

Das sind harte Aussagen. Bekommen Sie viele Anfeindungen?
Alt

Klar bekomme ich die. Auch Bernd Doll wurde für die Geothermie in Bruchsal angefeindet. Aber dafür ist die Politik ja da. Die Kommunalpolitiker müssen sich zum Wohle ihrer Bürger einsetzen. Dafür wurden sie gewählt. Ich sage es ganz klar: Die alten Energien töten unsere Kinder. Sieben Millionen Menschen, das sind die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation, sterben jedes Jahr durch die Klimaerhitzung. Wir müssen uns endlich für das Leben entscheiden.

Beim Energieforum in Bruchsal geht es darum, wie man die Bürger mitnehmen kann. Wie kann das funktionieren?
Alt

Umfragen zeigen, dass 93 Prozent dafür sind, dass wir komplett auf erneuerbare Energien umsteigen. Theoretisch. Praktisch sieht es oft ganz anders aus. Oder warum haben nur zehn Prozent der Häuser Solardächer?

Vielleicht weil es teuer ist? Weil eine Umstellung viel Geld kostet. Auch die Anschaffung eines E-Autos kann sich nicht jeder leisten. Dann fährt man eben doch den alten Diesel weiter.
Alt

Klar. Jeder ist Teil des Problems. Kann aber auch Teil der Lösung sein. Und die Politik muss Anreize schaffen, etwa zum Kauf von E-Autos. In Norwegen sind schon 80 Prozent der verkauften Neuwagen Elektro-Autos. Auch in Deutschland verdoppeln sich die Zahlen von Jahr zu Jahr. Wenn man die Menschen beteiligt, schafft man Akzeptanz. Ich erinnere an die Genossenschaftsidee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch. Sie haben es vor 150 Jahren geschafft, mit ihrer Ideen Armut und Hunger zu überwinden.

Ist nicht die Gefahr, dass, wenn wir jetzt beim Ausbau der Erneuerbaren so viel „Gas“ geben, wichtige Dinge wie der Artenschutz oder der Schutz des Grundwassers auf der Strecke bleiben?
Alt

Ich sage nur so viel: Eine Freigänger-Katze tötet im Jahr durchschnittlich 28 Vögel. Ein Windrad im Durchschnitt drei. Deutsche Autos töten vier bis fünf Millionen Vögel. Wir müssen hier fair diskutieren. Wir müssen fair abwägen, wenn wir Strom haben wollen. Wir haben etwa 30.000 Windräder in Deutschland, bräuchten aber 70.000 bis 80.000. Das ist doch machbar.

Seit Jahrzehnten „predigen“ sie das. Und jetzt erst kommt etwas Schwung in den Ausbau. Ist das nicht frustrierend?
Alt

Ich verkörpere ja selbst in meiner Familie die Energiewende. Mein Vater war Kohlenhändler in Untergrombach. Ich habe mit ihm als Jugendlicher die Kohlen getragen. Und das war damals richtig. Es war die Basis für den wirtschaftlichen Aufschwung. Ich sehe das Thema als Lebensauftrag. Es geht auch in meinen Büchern immer um die Überlebensfrage. Wenn wir einfach so weitermachen wie bisher, werden uns unsere Kinder und Enkel einst verfluchen.

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