
„Danke für dein Ohr.“ Das ist ein Satz, den der Bruchsaler Streetworker Manfred Kern manchmal von seinen Klienten hört. Es sind Menschen, die auf der Straße leben, „Platte machen“, wie sie es selbst nennen. Leute, für die sich sonst oft niemand mehr interessiert, denen keiner zuhört.
Menschen, die sich in psychischen und physischen Verelendungsprozessen befinden, wie der Experte es ausdrückt. Ihnen will Bruchsal nun mit einem Kontaktladen eine neue Anlaufstelle bieten.
In der Schwimmbadstraße 27, hinter der Stirumschule im Wohngebiet gelegen, wird dazu nun ein kleiner Laden angemietet. Nach kurzer Renovierung könnte es dort schon in den nächsten zwei, drei Wochen losgehen. Einstimmig hat der Gemeinderat das am Dienstagabend beschlossen und den Streetworkern rund um Manfred Kern damit den Rücken gestärkt.
Streetworker gehen in raus auf die Bruchsaler Straßen
Eine schwierige Arbeit, wie Kern beschrieb und wie die Gemeinderäte ihm mit Respekt attestierten. Mit zwei halben Stellen kümmern sich die Streetworker um Menschen, die schon durch einige Maschen des sozialen Netzes gefallen sind, die von anderen Einrichtungen nicht mehr erreicht werden.
„Aufsuchend“ nennt sich die Arbeit: Kern und sein Kollege gehen raus an die Plätze, wo sie diese Leute antreffen. „Wir versuchen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen“, schildert er den Stadträten.
„Wir sind eine Interessenvertretung für die Menschen, die eigentlich keine Stimme haben.“ Es gehe darum, die Lebensumstände zu stabilisieren, Alternativen aufzuzeigen.
Zu 70 Personen haben die Sozialarbeiter regelmäßigen Kontakt
Damit sei die Straßensozialarbeit in Bruchsal durchaus erfolgreich. Seit 2019 gebe es positive Effekte zu vermelden: Man habe regelmäßigen Kontakt zu etwa 70 Personen. Es gab zehn Vermittlungen von der Straße in eine Unterbringung. Fünf Personen konnten in reguläre Wohnungen vermittelt werden. Und: „Die Anzahl der Personen, die „auf Platte“ leben, ist stark zurückgegangen“, berichtet Kern.
Ausgangspunkt dieses städtischen Engagements waren die Probleme rund um den Kirchplatz und in der Viktoriaanlage am Bahnhof. Immer wieder gab es Beschwerden von Anwohnern, Stress, Streit. Der Gemeinderat beschloss, den Kirchplatz zum Spielplatz umzugestalten und dem Klientel eine Alternative auf einer Grünfläche im Bannweideweg zu schaffen.
Wir sind eine Interessensvertretung für die Menschen, die eigentlich keine Stimme haben.Manfred Kern, Sozialarbeiter bei der Stadt Bruchsal
Doch der Platz außerhalb der Stadt mit der Gartenhütte hat sich nie recht etabliert. Immerhin kam es aber zu einer Entzerrung. Und: Wenn die Sozialarbeiter dort zur Sprechstunde bitten, kommen regelmäßig 15 bis 20 Personen. Aber es fehlte – bislang – an einem Raum.
Das soll sich mit dem Kontaktladen ändern. Hier können vertrauliche Beratungen stattfinden. „Es geht um einen Rückzugsort“, sagt Kern, einen Wärmepunkt. Niederschwellig, denn manchmal sei es für diese Leute schon eine zu große Hürde, aufs Amt zu kommen.
Einmal pro Woche soll es dort eine Sprechstunde geben. Auch Gruppengespräche oder kleinere medizinische Angebote könnten dort ermöglicht werden. „Und man hätte eine Anlaufstelle für unsere ehrenamtlichen Helfer“, nennt Kern einen weiteren Vorteil.
Kontaktladen steht nur für 18 Monate zur Verfügung
Klar ist: Die Sache ist ein Versuch. Das 45 Quadratmeter große Lokal steht nur für 18 Monate bereit. Dann hat der Eigentümer andere Pläne. „Leute, die dorthin kommen, sind in der Regel motiviert, was zu verändern.“
Es werde sich nicht zu einem Szenetreffpunkt etablieren, beugt Kern möglichen Sorgen vor. Die Kosten halten sich in Grenzen, 7.200 Euro Miete im Jahr, plus einige gebrauchte Einrichtungsgegenstände. Es werde kein extra Personal eingestellt.
Dass die Grünfläche am Bannweideweg nie so richtig angenommen wurde, räumten einige Stadträte ein. Umso mehr stünden sie nun aber hinter dem neuen Kontaktladen in zentraler Lage.
Man sei bereit, neue Wege zu gehen, befand Werner Schnatterbeck etwa für seine CDU-Fraktion. Und Anja Krug, Fraktionssprecherin der SPD, zollte den Sozialarbeitern Respekt: „Ihre Arbeit ist sicher oft nicht vergnügungssteuerpflichtig.“