
Die abschließende Frage von Carsten Ramm war gut gewählt. Der Intendant der Badischen Landesbühne (BLB) wollte von Bruchsals Oberbürgermeisterin wissen: „Wann wird Bruchsal konkret erleben können, was da passiert am alten Feuerwehrhaus?
Schließlich gebe es schon seit 2019 Ideen, dort, wo die 1938 bewusst zerstörte Synagoge stand, einen Erinnerungsort mit Möglichkeiten der Begegnung und Bildung zu schaffen.
Und OB Cornelia Petzold-Schick benannte deutlich ihre Zeitvorstellungen: „Wir wollen bei einer Tagung des Gemeinderats demnächst ausführlich darüber sprechen. Mein Ziel ist es dass wir im Rat bis Ende des Jahres die Eckpfeiler des Konzepts beschließen. Und 2024 und 2025 soll es an die Umsetzung gehen“, beschreibt die parteilose Oberbürgermeisterin den Rahmen für das Projekt „Denkort Fundamente“.
70 Zuhörer beim Stadtgespräch der Badischen Landesbühne
Viele Beteiligte, notwendige Rücksichten und zahlreiche Gestaltungswünsche gehören mit dazu zur neuen Gestaltung zwischen Friedrich- und Stadtgrabenstraße. Das von der BLB veranstaltete Stadtgespräch zeigte deutlich, wie komplex und schwierig es ist, diese Idee umzusetzen.
Sowohl Leiden der Juden und das Handeln dieser Organisation im NS-System darzustellen, ist eine der heikelsten Aufgabe. Aber gerade angesichts der Ambivalenz eigne sich der Denkort, um über Zivilcourage in staatsnahen Organisationen zu sprechen.Cornelia Petzold-Schick, Oberbürgermeisterin Bruchsal
Vor rund 70 Zuhörern im Hexagon des Bürgerzentrums bekannte Petzold-Schick: „Es gibt einfachere Projekte“. Sie selbst werde aber Mut und Leidenschaft dafür nicht verlieren. „Wenn in der Stadt der Wunsch nach Versöhnungsgeschichte groß ist, ist das ein gutes Zeichen.“ Alle wollten gern schneller sein.
Petzold-Schick warnte aber davor, deshalb Fehler zu machen. Schließlich wolle Bruchsal keinen Gedenkort, wie es schon viele gibt. Sondern etwas Neues, Zukunftsträchtiges, das die Geschichte des Ortes dennoch deutlich machen.
Beteiligt: Der Landkreis, jüdische Gemeinden, Vereine und Bruchsal
Gastgeber Carsten Ramm stellte zunächst wenige Fragen, die der OB die Möglichkeit gaben, ausführlich Entwicklungen und Akteure zu benennen. Dazu gehören: Der „Förderverein Haus der Geschichte“ und Kultur der Juden Badens, die Nachfahren der jüdischen Familien, die in Bruchsal lebten, bevor die Nazis sie verfolgten. Außerdem die benachbarte Handelslehranstalt mit dem Landkreis als Träger.
Wichtig auch die Israelitische Kultusgemeinde Baden, die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg, der Verein Jüdisches Leben im Kraichgau und die Stadt Bruchsal selbst. Petzold-Schick wünscht sich, dass die Stadtbibliothek zusammen mit dem Denkort ein neues Domizil findet. Um alltägliches Leben dort zu integrieren.

In der Friedrichstraße stand bis zum 9. November 1938 die prächtige Synagoge. Die Nazis zündeten sie an, die Feuerwehr löschte absichtlich nicht. Dass aber genau auf dem Grundstück 1953 das Bruchsaler Feuerwehrhaus entstand, ist einzigartig in Deutschland und das nicht im positiven Sinne.
„Sowohl Leiden der Juden und das Handeln dieser Organisation im NS-System darzustellen, ist eine der heikelsten Aufgabe. Aber gerade angesichts der Ambivalenz eigne sich der Denkort, um über Zivilcourage in staatsnahen Organisationen zu sprechen“, sagte Petzold-Schick.
Oberbürgermeisterin wünscht sich „keine langweilige Kiste“
Deshalb müsse etwas vom Feuerwehrhaus bleiben. Aber die komplette Fassade zu integrieren, das kann sich die OB nicht vorstellen. Überhaupt wünscht sie sich von der Architektur für den Denkort „keine langweilige Kiste, etwas Freundliches, eher Glas als dunkle Räume.“
Auch Carsten Ramm brachte selbst einen Wunsch ein: Weil die Öffentlichkeit schon bald etwas Fassbares brauchen könne, schlug er eine Umbenennung der Friedrichstraße in jener Stadtecke an. Sie könnte den Namen von Edith Löb tragen, jenem Mädchen mit Hutschachtel am Tag der Verschleppung der Bruchsaler Juden nach Gurs. Den langwierigen Prozess der Straßenumbenennung wollte die OB aber nicht auch noch mit einbeziehen müssen ins Projekt.
Junge Menschen sollen dort Zivilcourage lernen
Drei Diskussionsbeiträge trugen Gäste im Hexagon bei: Geäußert wurde der Wunsch, dass ein attraktiver Ort für junge Menschen und Migranten entstehe, wo Diskriminierung und Antisemitismus von heute Thema seien.
Der Denkort sollte außerdem eine Anlaufstelle für die Nachkommen von jüdischen Bürgern sein, die aus aller Welt ein Interesse an deutschen Wurzeln haben. Ein Redner sprach sich gegen die Verlegung der Stadtbibliothek aus und wünsche eine Abstimmung unter den Nutzern.