„Wir haben die letzten Jahre schon im Krisenmanagement gearbeitet“, erzählt Heike Waterkamp, stellvertretende Leiterin des Evangelischen Altenzentrums der Diakonie in Bruchsal. 240 Bewohner werden auf verschiedenen Stationen in der Huttenstraße betreut, dazu kommen 50 Mieter im Betreuten Wohnen.
Im Evangelischen Altenzentrum gibt es jetzt Videokonferenzen
Die Nachrichten von hohen Todeszahlen in spanischen Altenheimen hat man auch in Bruchsal verfolgt. Im Evangelischen Altenzentrum wurden deshalb früh Besuchsmöglichkeiten von Angehörigen eingeschränkt. Ärzte, Physiotherapeuten oder Logopäden dürfen nur noch kommen, wenn es medizinisch notwendig ist, so Heike Waterkamp. Bereiche wurden separiert. Und auch die Bewohner sollen möglichst in der Einrichtung bleiben. Dafür wurde von Ehrenamtlichen ein Einkaufsdienst organisiert. Um den Kontakt nach außen zu halten, werden nun Videokonferenzen eingerichtet.
„Besonders Bewohner, die an Demenz erkrankt sind, verstehen nicht, warum ihre Angehörigen von heute auf morgen nicht mehr kommen“, erzählt Pflegedienstleiter Marc Duttenhofer. Um besonders diese Menschen nicht zu verstören, wird auf komplette Schutzanzüge verzichtet. Nur bei der Körperpflege oder beim Austeilen des Essens werden Mund- und Nasenschutz sowie Handschuhe getragen. Noch geht das, denn noch ist im Bruchsaler Altenzentrum keine Corona-Infektion aufgetreten. Für diesen Fall müssten die Schutzmaßnahmen verschärft werden, um eine Ausbreitung zu verhindern.
„Ich kaufe nur noch das nötigste ein, habe meine privaten Kontakte reduziert und bleibe zu Hause“, erzählt Jessica Haberstroh, stellvertretende Wohnbereichsleiterin. Die Sorge ist nämlich groß, dass das Virus von außen in das Heim geschleppt wird, Mitarbeiter und Bewohner sich infizieren. Das kann jeden Moment der Fall sein.
Seit kurzem gibt es Schulungen zur Vorbereitung auf den Infektionsfall
Seit Kurzem gibt es laut Heike Waterkamp spezielle Schulungen, wie man im Infektionsfall vorgeht. Kenntnisse werden aufgefrischt, Handgriffe geübt. Denn auch früher hat es in Pflegeheimen schon hoch ansteckende Erkrankungen wie das Norovirus gegeben, das ganze Abteilungen lahm legen kann. Mittlerweile begegne man der neuen Situation immer professioneller, so die stellvertretende Heimleiterin – in der Hoffnung, möglichst früh Infektionen eindämmen zu können.
Dabei ist das Evangelische Altenzentrum, was die Schutzausrüstung anbelangt, weitgehend auf sich gestellt. Vom Landkreis seien gerade mal 60 FFP-Atemschutzmasken zugeteilt worden. Solange kein Infektionsfall auftritt, hat die Einrichtung Mund- und Nasenschutz für sechs bis acht Wochen auf Lager. Weitere Masken seien bestellt. „Aber der Markt ist sehr angespannt und die Preise sind exorbitant hoch“, kritisiert Pflegedienstleiter Duttenhofer.
Hilfe gibt es von Ehrenamtlichen, die Masken selber nähen oder Schutzvisiere bauen. Da gebe es eine große Unterstützung in der Bevölkerung, so Duttenhofer. Auch ehemalige Pflegekräfte haben sich bereits für den Fall der Fälle gemeldet. Da müsse man aber genau hinschauen, um die Ehemaligen, die meist auch schon älter seien, nicht zu gefährden.
Besuche sind nur in Ausnahmefällen mit Schutzmaßnahmen möglich
Ausnahmen von den strengen Vorschriften gibt es nur bei der Begleitung Sterbender oder bei Geburtstagen. Da sei ein kurzer Besuch – natürlich mit Schutzmaßnahmen – gestattet, erzählt Heike Waterkamp. Auch die Bewohner und ihre Angehörigen versuchen das Beste aus der Situation zu machen und verabreden sich beispielsweise zum Winken auf dem Balkon.
Letztens sei ein Besucher mit einer ganzen Kiste mit Osterhasen vorbeigekommen. Am Eingang gebe es mittlerweile Fächer für Lebensmittel oder Zeitschriften, die Angehörige abgeben können. Außerdem registriert Jessica Haberstroh mehr Anrufe und Post mit Fotos von Angehörigen.
Schlagerparty im Garten vom Seniorenhaus St. Klara in Oberhausen-Rheinhausen
Im Seniorenhaus St. Klara in Oberhausen-Rheinhausen gab es bereits eine Schlagerparty im Garten – die Bewohner konnten von ihren Fenstern aus zuhören und mitsingen, erzählt Aneta Obilor, Pflegedienstleiterin. Alles, um die Belastungen durch die mehrwöchigen Besuchsbeschränkungen und erhöhten Sicherheitsauflagen für alle Beteiligten erträglicher zu machen.
Aus Sicherheitsgründen wurden die „Tagesoasen“ der Caritas in Bruchsal, Philippsburg, Odenheim und Karlsdorf geschlossen. Die Mitarbeiter verstärken die stationären Seniorenhäuser in Oberhausen-Reinhausen, Philippsburg („St. Franziskus“), und Karlsdorf („St. Elisabeth“) mit insgesamt 210 Bewohnerinnen und Bewohnern.
70 Bewohner hat die Einrichtung der Caritas in Oberhausen. Die hat die einzelnen Wohnbereiche mit Tablets ausgestattet, um Videoanrufe zu ermöglichen. „Die erste Woche nach dem Besuchsverbot war schon schwierig“, wie sie erzählt. Viele Bewohner haben es nicht verstanden. Die Menschen brauchen Nähe, die Situation ist eine große psychische Belastung. Die Pflegemitarbeiter schauen deshalb mit den Bewohnern oft Bilder an. Und auch mit den Angehörigen werden persönliche Gespräche geführt.
Vor Ostern gab es kontrollierte Besuche – mit Sicherheitsabständen – am Zaun. „Da fließen dann teilweise schon die Tränen“, sagt Aneta Obilor.
„Wir haben alle Angst und hoffen, dass wir verschont bleiben“, so die Pflegedienstleiterin. Schutzausrüstung bei der Pflege, Schulungen und der bewusste Umgang der Beschäftigten mit sozialen Kontakten im privaten Bereich sollen dabei helfen, das Infektionsrisiko einzuschränken. Noch sei man mit der Schutzausrüstung gut ausgestattet. Aber auch im Seniorenhaus St. Klara reichen die Handschuhe nur für fünf bis sechs Wochen.
Hoffnung auf Veränderungen nach der Corona-Krise
Mit dem Beifall der Öffentlichkeit für die Mitarbeiter in der Pflege ist es nach Einschätzung von Heike Waterkamp nicht getan: „Ich hoffe, dass sich nach der Krise einiges ändert“, sagt sie mit Blick auf unzureichende Bezahlung, bürokratische Arbeitsabläufe und die ohnehin schon angespannte Personalsituation, die der Pflege seit Jahren zu schaffen macht.