Wer derzeit in der Natur das sucht, für das die Natur vor Corona mal stand, nämlich für Ruhe und Erholung, der fragt sich schnell: „Was ist denn hier los?“
Nie waren die Felder und Wälder rund um Bruchsal so voll wie jetzt. Wer beispielsweise an einem sonnigen März-Sonntag im Wald zwischen Untergrombach und Obergrombach die Entspannung in der Natur sucht, der muss sich ernsthaft fragen, ob er zum Ruhe suchen künftig nicht besser in die Bruchsaler Fußgängerzone oder in den Schlosspark geht.
Man sieht Menschen, die vor dem Corona-Lockdown ihre Freizeit nie und nimmer in der Freien Natur verbracht hätten.
Mit dem Smartphone durch die Natur – zum Nachteil der Tiere
Jetzt laufen sie häufig mit dem Smartphone am Ohr oder vor der Nase durch die Gegend, und zeigen weder Interesse an der Natur, noch nehmen sie die geringste Rücksicht auf deren Bewohner.
Leider sind immer mehr Menschen auch außerhalb der Wege unterwegs.Dieter Krail, Kreisjägermeister
„Verbieten kann man es den Menschen natürlich nicht, in den Wald zu gehen, aber leider sind immer mehr Menschen auch außerhalb der Wege unterwegs und laufen kreuz und quer durch Wälder und Felder“, sagt der Bezirksjägermeister für den Regierungsbezirk Karlsruhe, Dieter Krail.
Eine von vielen Folgen sei, dass Rehe und andere Waldbewohner inzwischen häufig auch noch in ihren letzten Rückzugs- und Ruheflächen aufgescheucht werden, beklagt der pensionierte Forstbeamte und fügt hinzu: „Problematisch daran ist, dass in den Körpern der weiblichen Rehe derzeit der Nachwuchs heranwächst und außerdem führen vor Menschen und ihren Hunden flüchtende Rehe derzeit zu einer besonders erhöhten Wildunfall-Gefahr.“
Besorgnis über den Nachwuchs in der Tierwelt wächst
Möglich, dass es demnächst wieder ruhiger wird in der überlasteten Natur. „Hoffentlich“ sagt der Landschaftsökologe und Naturschützer Peter Zimmermann vom Regierungspräsidium Karlsruhe und ergänzt: „Demnächst füllen sich nämlich im Wald, in den Hecken und auf den Wiesen viele Kinderstuben.“
Vor allem für Boden- und Heckenbrüter können die vielen querfeldein laufende Hunde und Menschen dann zu einem Problem werden. Aber auch die ersten jungen Feldhasen warten Mitte März schon auf Wiesen und Äckern mehr oder weniger schutzlos auf die Muttermilch. Das bereitet auch dem pensionierten Biologie-Lehrer und Jagdpächter Rudolf Manz Sorgen.
„In dem von mir gepachteten Jagdrevier in Karlsdorf-Neuthard sind so viele Menschen mit ihren Hunden abseits der Wege unterwegs, dass das nicht ohne Folgen für die Natur und ihre Bewohner bleiben kann“, sagt der Mann, der entscheidend am Aufbau der Greifvogelpflegestation in Karlsdorf beteiligt war.
„Es dauert zwar noch einige Zeit, bis die Bodenbrüter mit dem Brutgeschäft beginnen, aber für die gefährdeten Feldlerchen, Goldammern, Kiebitze oder Rebhühner führen regelmäßige und häufige Störungen schon am Anfang ihrer Paarungszeit dazu, dass sich die Tiere ein anderes Brutrevier suchen“, erklärt Manz, warum es ihn so ärgert, dass viele Menschen keine Rücksicht nehmen wollen.
Viele Spaziergänger zeigen sich uneinsichtig
Auch junge Feldhasen könnten so in den nächsten Wochen vermehrt zu Opfern der Corona-Pandemie und des Lockdowns werden. „Wie oft habe ich deshalb in den letzten Tagen Hundebesitzern oder querfeldein laufenden Menschen versucht zu erklären, welche Folgen ihr Verhalten für gefährdete Tierarten hat - leider häufig ohne Erfolg“, erzählt Manz was auch viele andere Jäger oder Naturschützer beklagen.
Wenn Corona also tatsächlich etwas lehrt, dann nämlich das: Menschen, die sich Naturfreunde nennen, gibt es sehr viele, aber Menschen, die tatsächlich bereit sind, auf die Bewohner der Natur Rücksicht zu nehmen, gibt es zumindest während des Lockdowns immer weniger.