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Interview

Covid-19-Ausbruch in Bruchsaler Klinikum: Waren die Schutzmaßnahmen mangelhaft?

Knapp 100 bestätigte Sars-CoV-2-Infektion wurden im Covid-Zentrum Bruchsal bis heute festgestellt. 30 Menschen haben das Virus nicht überlebt. Nach dem Ausbruch Anfang Mai unter Mitarbeitern und Patienten der Fürst-Stirum-Klinik wurde von Angehörigen und BNN-Lesern der Verdacht geäußert, dass das Virus über einen Patienten eingeschleppt und zu spät erkannt worden war. Drei Patienten und ein Angehöriger starben. Ob die Schutzmaßnahmen ausreichend waren und über angebliche Maulkörbe für Mitarbeiter, darüber sprach Redaktionsmitglied Heike Schaub mit dem Ärztlichen Direktor Martin Schuster und Regionaldirektorin Susanne Stalder.

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Erstkontakt in Zentraler Notaufnahme: In Vollschutz kontrolliert eine Mitarbeiterin der Fürst-Stirum-Klinik beim Notfallpatient Temperatur, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz. So soll verhindert werden, dass das Virus unkontrolliert eingeschleppt wird. Foto: Staron

Können Sie die vier Todesfälle bestätigen?

Schuster: Zu einzelnen Behandlungsfällen können und dürfen wir nichts sagen, dies wäre ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht. Ich kann nur allgemein sagen, dass es auch bei uns zu einer Infektion von Mitpatienten gekommen sein könnte. Wie in einem solchen Fall üblich, wurde das Gesundheitsamt informiert und alle Kontaktpatienten isoliert.

Um von vornherein solche Situationen zu vermeiden, überlegen wir bei jeder Einlieferung, ob die Diagnose auch Ausdruck einer Sars-CoV-2-Infektion sein könnte. Auch wenn es keine Anzeichen gibt, kann ein Patient trotzdem die Infektion mitbringen. Die Inkubationszeit beträgt bis zu 14 Tage. Positiv wird der Test aber erst zwei bis drei Tage, bevor ein Patient symptomatisch wird.

Wenn jemand früh, möglicherweise wegen einer ganz anderen Erkrankung kommt, haben Sie keine Chance, die Diagnose zu stellen, bevor der Patient symptomatisch wird. Wenn Patienten gemeinsam im Zimmer liegen und alle Symptome haben, können sie auch im Nachhinein nicht mehr feststellen, wer wen angesteckt hat. Aus medizinischer Sicht ist das nicht nachvollziehbar.

Aus ihrer Sicht kann man also nicht sagen, die Schutzmaßnahmen waren mangelhaft?

Schuster: Nein, wir haben uns immer an die RKI-Vorgaben gehalten, wir waren eher strenger. Aber alle Patienten unter Vollschutz zu versorgen – mit Unterdruckzimmer und Einzelisolation – dafür gab und gibt es keine Kapazitäten. Vor allem am Anfang, als wir wenig Material hatten, wären wir sofort gescheitert. Stalder: Bis zum 12. Mai hatten wir nur einen einzigen positiven Mitarbeiter. Das zeigt für uns, dass die Schutzmaßnahmen prinzipiell gegriffen haben.

Seit wann werden neue Patienten vor der Aufnahme getestet?

Schuster: Wegen fehlender Testkapazitäten konnten und sollten wir nur bei einem konkreten Verdacht testen. Mittlerweile, nachdem die Tests besser verfügbar geworden sind, werden seit dem 20. Mai alle stationären Patienten abgestrichen, also getestet. Sei es, dass sie wegen einer Geburt oder einem entgleisten Blutzucker kommen. Notfallpatienten werden nun zunächst isoliert. Die Sorge ist zu groß, dass Notfallpatienten das Virus ins Krankenhaus bringen.

Anfangs dauerten die Tests recht lange...

Schuster: Das Ergebnis liegt mittlerweile innerhalb von 24 Stunden vor. Erst dann werden die Patienten von der Aufnahmestation ins Haus verlegt. Bei einem geplanten Eingriff machen wir den Abstrich einen Tag vorher.

Wie sicher ist der Abstrich?

Schuster: Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit in der Medizin. Das heißt, wir müssen mit der Unsicherheit leben und Entscheidungen treffen, die sich im Nachhinein auch als nicht richtig erweisen können. Auch beim Abstrich kann etwas schief gehen.

Das Pflegepersonal soll schon früh auf Symptome hingewiesen haben. Wurde nicht darauf gehört?

Schuster: Bei uns behandeln immer Teams einen Patienten und überlegen zusammen, was sinnvoll ist. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber man hätte die sprichwörtliche Glaskugel gebraucht, um zu erkennen, welche Patienten vielleicht schon mit einer Infektion ins Haus kommen.

Für die Mitarbeiter gab es erst Ende Mai sichere FFP2-Masken?

Schuster: FFP2-Masken werden für bestimmte Prozeduren oder für die Versorgung von infizierten Patienten verwendet. Nachdem wir aber Infektionen unter asymptomatischen Mitarbeitern im Screening hatten, mussten wir handeln. Dass ein Krankenhaus zum Hotspot wird, wollen wir unbedingt vermeiden. Deshalb gab es den erneuten Besucherstopp und ein komplettes Mitarbeiter-Screening. Bis die Ergebnisse vorlagen, arbeiteten alle Mitarbeiter zur Vorsicht mit FFP2-Masken, damit sie sich nicht gegenseitig anstecken können. Stalder: Und es kann jeden Tag wieder passieren. Wir tun aus unser Sicht das Möglichste, um das zu vermeiden. Die FFP2-Pflicht ist aufgehoben. Manche Mitarbeiter tragen sie nach wie vor, weil sie sich besser damit fühlen. Auch auf der Covid-Station hatten wir zu einem späten Zeitpunkt plötzlich infizierte Mitarbeiter. Wie es dazu kommen konnte, ist bisher nicht klar. Zwischendurch waren vermutlich mangelhafte Masken ein Problem.

Wie viel Mitarbeiter haben sich seither infiziert?

Stalder : Wir hatten 15 infizierte Mitarbeiter. Davon sind aktuell noch drei in Quarantäne. Bei dem folgenden Abstrich der 900 Mitarbeiter in Bruchsal war nur einer positiv.

In einem Fall soll eine Mitarbeiterin ihren Mann angesteckt haben, der dann gestorben ist...

Schuster: Zu einzelnen Behandlungsfällen können und dürfen wir nichts sagen. Allgemein kann man aber sagen, dass alle Mitarbeiter in der Patientenversorgung und auch ihre Familien in dieser Pandemie einem erhöhten Risiko zu erkranken ausgesetzt sind. Es erfordert Mut und Engagement, unter nicht immer optimalen Bedingungen die Krankenversorgung aufrechtzuerhalten.

Im Zusammenhang mit dem Infektionsausbruch in der Klinik wurde von Seiten der Leser der Verdacht geäußert, dass die Klinik etwas vertuschen will?

Schuster: Das Gespräch ist hoffentlich der beste Beweis, dass wir das nicht tun. Die Leute draußen reden über ihre Erkrankungen und finden das ganz normal. Sie kommen nicht auf die Idee, dass man als Arzt und Pflegekraft unter den rigiden Einschränkungen des Datenschutzes und der Schweigepflicht steht. Deshalb geht vielleicht der ein oder andere davon aus, wir wollen was vertuschen. Aber nein, wir verhalten uns einfach nur professionell.

Es wurden also auch keine Mitarbeiter eingeschüchtert?

Schuster: Das was Krankenhäuser heute am meisten brauchen, sind qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Es schiene mir deshalb keine gute Idee zu sein, Mitarbeiter einzuschüchtern. Wie ich schon sagte, arbeiten wir in Teams und das hat sich gerade in der Covid-Krise bewährt.

Wurde der kurzfristig angesetzte Besucherstopp bei den Patienten als Vertrauensverlust gewertet?

Schuster: Die Patienten waren in der Hochzeit von Corona und danach sehr dankbar, dass wir uns um sie gekümmert haben. Den Besucherstopp haben die meisten verstanden. Auch die zusätzlichen Mühen, dass die Patienten vor einem Eingriff zum Abstrich kommen müssen. Es geht ja um ihre Sicherheit.

Warum wurde der Besucherstopp später als geplant aufgehoben?

Schuster: Wir wollten auf Nummer sicher gehen und Patienten, Personal und Besucher nicht unnötig gefährden.

Wird der viermonatige Einsatz der Mitarbeiter Form honoriert?

Stalder: In der Holding wurde jetzt eine Betriebsvereinbarung unterschrieben, dass die Mitarbeiter im Covid-Bereich eine Zulage bekommen.

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