Stefan Huber kann es kaum erwarten: „Wir brauchen diese Unterführung!“ Die Rede ist von der neuen Querung unter dem Bruchsaler Bahnhof, die die jahrzehntelange Teilung der Stadt endlich aufheben wird. Noch Ende Oktober kommt zusammen, was zusammen gehört: Die alte City und die neue Bahnstadt sind dann einfach fußfläufig zu erreichen. Hunderte Bahnpendler, die zum Beispiel im Triwo-Technopark hinter dem Bahnhof arbeiten, freuen sich. Und mit ihnen Stefan Huber, der Chef der Regionalen Wirtschaftsförderung, die dort ebenfalls ihren Sitz hat. Er ist mit dem Zug mal in Stuttgart und mal in Heidelberg. Vom Büro aus den Bahnhof zu erreichen, ist mühsam. Und das obwohl es Luftlinie nur wenige hundert Meter sind. „Laufen Sie doch mal durch die Siemens-Unterführung. Das ist eine Zumutung. Es ist dunkel und laut. Über ihnen rattert der Güterzug. Und vor allem dauert es. Wir werben doch gerade mit unserem Standort in Bahnhofsnähe.“
„Wir sind quasi im Zeitplan”
Doch erst mit dem neuen Tunnelportal an der Westseite wird auch das neue Wohnviertel, die Bahnstadt, gescheit an den Bahnhof angebunden. Oliver Krempel hat gute Nachrichten. „Wir sind quasi im Zeitplan.“ Vier Wochen Verzögerung sind bei diesem Bruchsaler Großprojekt nach so vielen Jahren der Diskussion auf den letzten Metern sicher verschmerzbar. Gerade waren die Betonmischer am Werk und haben das große einladende Dach des Mundhauses fertig gestellt. „Mundhaus“ - tatsächlich, die Bauleute nennen das Bauwerk, das Portal, den Einlass zur Unterführung so.
Schließlich will man genau das zeigen: Das ist kein dunkles, unheimliches und schmales Loch. Das ist ein einladendes Portal. Unter den Gleisen öffnet sich eine bis zu 7,40 Meter breite Passage, die demnächst mit Lichtbändern und bunten Deckenelementen versehen wird. Eine breite Treppe, ausgestattet mit Schieberampen für Fahrrad oder Kinderwagen, führt ins Licht. Daneben der Schacht für einen Aufzug, der unten in der Unterführung hält, auf der Ebene des Eingangs und auf einer Art Bühne, die künftig die alten Güterhallen barrierefrei erschließen wird. „Das war dem Gemeinderat wichtig, dass hier ein einladendes Portal entsteht und ein großer Aufzug“, erklärt Krempel.
Granit aus China kam nicht an
Der Baustellenrundgang mit den BNN führt auch über das mächtige Gerüst auf das ausladende Dach: Dort oben wird gerade der Beton in die Bewehrung gefüllt, in wenigen Wochen ist er ausgehärtet. 45 Tonnen Beton und vier Tonnen Stahl bilden das Dach mit den markanten Lichtkuppen – eine Sonderanfertigung. Jetzt beginnt der Ausbau, die Pflasterung, die Treppen und Wände. Teile der Güterhallen müssen wieder hergestellt werden.
Für ihre künftige Nutzung gibt es zwar noch keine Pläne aber schon manche Idee: Gastronomie, Kultur. Corona hat die Baustelle kaum verzögert, aber der Granit aus China kam nicht an, berichtet Bauüberwacher Torsten Haas. Er lobt die Zusammenarbeit mit der Baufirma, die Arge Implenia Schleith und mit der Bahn. „Wir hatten keine Arbeitsunfälle“, sagt Haas und kreuzt für den Endspurt die Finger.
Land schießt 4,4 Millionen Euro zu
Gute Nachrichten auch in der Kasse: Die Kostenexplosion, die 2018 bekannt wurde, wird leicht abgeschwächt, immerhin. Zuletzt lag das Bauwerk bei Kosten von 11,7 Millionen Euro und damit fast fünf Millionen Euro über der anfänglichen Kostenberechnung. „Die Gleisentwässerung schien zunächst aufwendiger. Aber hier ist ein ganzer Kostenblock weggefallen“, so Krempel. Auch beim Bodenmanagement konnte noch was rausgeholt werden, in dem die Stadt selbst den Aushub entsorgte und ihn nach Philippsburg brachte, wo er zur Auffüllung des dortigen Salmkasernen-Geländes benutzt wird. (Die BNN berichteten.)
Unter zehn Millionen Euro soll die Auftragssumme rutschen, ist Krempel optimistisch. Am Ende stehen so unterm Strich 13,5 Millionen Euro Gesamtkosten für die Anlage mit Treppen, Beleuchtung und Aufzug. 4,4 Millionen Euro kommen als Förderung vom Land.
Kein großes Fest
Zum Schluss wird die Straße Am Alten Güterbahnhof provisorisch in die alte Spur gebracht, Fahrradständer werden installiert, und dann wird ein großes Fest gefeiert. Ach nein, es ist ja Corona. Ende Oktober wird sich wohl recht sang- und klanglos der Bretterverschlag zur alten Unterführung öffnen und die Menschen können nach drüben – ganz ohne Passierschein, ohne Grenzkontrolle.