Streit um Segnung gleichgeschlechtlicher Paare: Auch Pfarrer demonstrieren in Bruchsal gegen Rom
Da staunen die Besucher der wieder auferstandenen Außengastronomie nicht schlecht: Hunderte von Menschen jeden Alters treffen sich in der Bruchsaler Fußgängerzone zu einer Art Performance. Die auffällige Beflaggung rund um die Bruchsaler Stadtkirche passt zur Vielfalt der Teilnehmer. Regenbogen-Fahnen, Regenbogen-Schirme, Regenbogen-T-Shirts soweit das Auge reicht.
Die Regenbogenfahne gilt in Kulturen weltweit als altes Symbol für Aufbruch und Frieden. Bereits zur Zeit der Bauernkriege und in der vom Untergrombacher Joß Fritz initiierten Bundschuh-Bewegung spielte sie Historikern zufolge schon eine Rolle. Besonders bekannt ist sie heute als Symbol der internationale Friedensbewegung.
In einer besonderen Form steht das Regenbogenbanner auch für die Lesben- und Schwulenbewegung. Es besteht nur aus sechs Farben und diese sind in umgekehrter Richtung angeordnet, mit den Rottönen oben und den Blautönen unten. Und darum ging es jetzt in Bruchsal.
Veranstalter der Protestaktion vom Samstagabend ist die Jugend der Seelosorgeeinheit St. Vinzenz, die damit ein Zeichen setzten wollte gegen die Haltung Roms zur Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Hintergrund ist eine umstrittene Erklärung, die der Vatikan als höchste Instanz der katholischen Kirche im März veröffentlicht hatte.
Erfolgreich Aufmerksamkeit erregt
„Mit dieser Aktion möchten wir Aufsehen erregen und uns somit für die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und für mehr Diversität in der katholischen Kirche einsetzen“, hieß es im Vorfeld bei den Veranstaltern, die eine Menschenkette um die Stadtkirche angekündigt hatten. Motto: „Unsere Kirche ist bunt.“
Jedes Paar, das sich liebt, sollte heiraten dürfen.Schülerin Celina aus Waghäusel
Bereits kurz nach Beginn der Aktion wird klar, dass es gelungen ist. Die Menschenkette – coronagerecht durch 1,50 Meter lange Kordeln verbunden – reicht nicht nur einmal um die Stadtkirche, sondern bis in die obere Fußgängerzone.
Bemerkenswert ist aber nicht nur die Größe der Veranstaltung, sondern eben auch die Vielfalt und Entschlossenheit ihrer Teilnehmer: Junge, Alte, viele Familien, praktizierende Katholiken.
Gläubige, die das Gemeindeleben der kriselnden Institution am Laufen halten. Die meisten haben eine ganz klare Botschaft, die man auch ohne Theologiestudium problemlos verstehen kann. „Jedes Paar, das sich liebt, sollte heiraten dürfen“, erklärt beispielsweise Schülerin Celina aus Waghäusel ihre Motivation.
Und ein 76-jähriger Bruchsaler will zwar seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, aber seinen Beweggrund schon: „Die Liebe zur Macht sollte abnehmen und die Macht der Liebe sollte wachsen“, diktiert er dem Reporter in den Block.
Ranghohe Kirchenvertreter reihen sich ein
Besorgniserregend aus Sicht des Vatikans dürfte auch die Tatsache sein, dass sich dem Bruchsaler Protest teils ranghohe geweihte Würdenträger angeschlossen haben.
Vorneweg Dekan Lukas Glocker, der seine Sichtweise auch auf einem Regenbogenplakat zum Ausdruck bringt: „Ich segne alle Menschen, die einen Segen erbitten, das habe ich schon immer getan und werde es auch weiterhin tun.“ Und der Bruchsaler Diakon Bernhard Wilhelm betont: „Der Auftrag der Kirche ist es, Gottes Liebe allen Menschen zuzusprechen.
Am Rande ebenfalls dabei, wenn auch selbst nicht Teilnehmer der Menschenkette, ist Pfarrer Benedikt Ritzler, der Leiter der Bruchsaler Seelsorgeeinheit. Gewissermaßen für den weltlichen Segen sorgt Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos), die sich wie alle Teilnehmer erst an der Nummernausgabe an der Stadtkirche einreiht, um dann auf einem individuell zugewiesenen Platz an der Menschenkette teilzunehmen.
Aus polizeilicher Sicht gab es bei der Kundgebung keine besonderen Vorkommnisse, die Teilnehmerzahl wird mit 160 angegeben.
Als bleibende Erinnerung an den Bruchsaler Protest soll eine Foto-Aktion dienen. Viele Teilnehmer lassen sich vor einer Regenbogenwand mit dem Satz „Meine Kirche ist bunt!“ fotografieren und wollen so auch im Rahmen eines Online-Projekts der katholischen Jugend Gesicht zeigen. Bei Interesse kann man sich das dann auch in Rom anschauen.