Bruchsal. Stolz und Sorge. Das ist die Mischung, die Yvonne und Thomas Gantert an diesem Nachmittag im Bruchsaler Schlosshof empfinden. Ihr Sohn wird hier gleich zusammen mit 79 anderen Soldatinnen und Soldaten aus Bruchsal und Germersheim sein feierliches Gelöbnis ablegen.
Extra aus Donaueschingen sind die Eltern angereist für diesen Moment. „Es war seine Entscheidung. Wir akzeptieren das“, sagt seine Mutter. „Er wollte das von Kindesbeinen an. Wir stehen dahinter“, ergänzt der Vater.
Soldat werden in Zeiten des Kriegs. Es herrscht vielleicht eine etwas ernstere Stimmung als bei sonstigen Gelöbnissen. Vielleicht ist es auch nur der Schein des Feierlichen vor der prächtigen Kulisse: 80 junge Menschen haben am Donnerstagnachmittag gelobt oder geschworen (das ist ein Unterschied), ihrem Vaterland treu zu dienen, es im Falle der Fälle zu verteidigen.
23-jährige Vivian Suhr ist überzeugt vom Dienst an der Waffe
Eine von ihnen ist die 23-jährige Vivian Suhr. Sie stammt aus Bayern und hat sich für elf Monate für den freiwilligen Wehrdienst in Bruchsal gemeldet. Danach steht eine Bundeswehrlaufbahn an. Da ist sich die junge Frau schon sicher.
„Mein Freund, meine Mutter und mein bester Freund sind alle gekommen“, berichtet die junge Frau stolz. Sie teilt sich mit einer anderen Rekrutin eine Stube. „Wir verstehen uns super.“ Mustergültig sei ihr Spind dort eingerichtet. Das haben ihre Angehörigen bereits heute bewundern können, bevor es gemeinsam in den Schlosshof ging.
Dass seit dem 24. Februar, dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, der Krieg wieder in Europa angekommen ist, die Bundeswehr nun massiv ausgebaut wird, ändert nichts an Suhrs Entscheidung. Waffen, Kampf, Lebensgefahr, „das gehört nun mal dazu. Ich habe mich dafür entschieden“, sagt sie ohne Zögern. Ihre Angehörigen, teils selbst bei der Armee, stünden voll hinter ihrer Entscheidung.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hab ich meine Meinung zur Bundeswehr komplett geändert.Ute Gechter-Meike, Mutter einer jungen Soldatin aus Germersheim
Der Krieg in der Ukraine ist hier im Schlosshof präsent. „Ich find es ungeheuer mutig von meiner Tochter, zur Bundeswehr zu gehen“, sagt Ute Gechter-Meike. Sie ist mit zwei Freundinnen der Tochter eigens aus Köln angereist. „Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hab ich meine Meinung zur Bundeswehr komplett geändert“, sagt die Mutter.
„Ich habe früher gegen alles demonstriert. Gegen Aufrüstung und Atomwaffen. Heute finde ich es wichtig, eine funktionierende Armee zu haben“, sagt die Frau. Ihre Tasche ziert die blau-gelbe Ukraine-Flagge. „Ich bin einfach stolz auf sie. Das ist so mega-anstrengend. Für mich wäre das nichts. Ich will auch nicht den ganzen Tag angeschrien werden“, sagt eine der Freundinnen, Sarah Kazon, lachend.
Einige Soldaten kippen um und müssen behandelt werden
Der Himmel kann sich nicht recht entscheiden, mal ist er blau, mal tröpfelt es. Etwa eine Handvoll Soldaten ereilt das klassische Schicksal: Das lange Stehen lässt ihren Kreislauf kippen, sie werden ohnmächtig. Um einen scheint es schlecht zu stehen. Für ihn muss der Krankenwagen anrücken. Alle anderen geloben, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe“.
Sie werden in den nächsten Monaten ihre Grundausbildung beim ABC-Abwehrbataillon in Bruchsal und beim Luftwaffenausbildungsbataillon in Germersheim absolvieren. Danial Razat, der Bruchsaler Bataillonskommandeur, erinnert Angehörige und Ehrengäste daran, dass es sich bei den Soldaten um Staatsbürger in Uniform handele. „Sie haben unsere Hochachtung verdient“, für den freiwilligen Entschluss, dem Land zu dienen.
Kameradschaft ist die Quelle unserer Kraft.Danial Razat, Bruchsaler Bataillonskommandeur
Die 80 jungen Leute leisten entweder ihren sieben- bis 23-monatigen freiwilligen Wehrdienst, sind in der Heimatschutz-Truppe für zwölf Monate oder werden Zeitsoldaten. Razat erläutert die soldatischen Pflichten, man lerne, auch Entbehrungen zu ertragen und er hebt die Kameradschaft hervor: „Kameradschaft ist die Quelle unserer Kraft.“
Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) kam in Bruchsal am Ukraine-Krieg nicht vorbei: „Es zeigte sich noch nie so deutlich wie jetzt, wie wichtig die Wehrhaftigkeit unseres Landes ist.“ Er begrüße ausdrücklich das vom Bundestag beschlossene 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm für die Bundeswehr. „Noch wichtiger sind aber die Menschen, die für unsere Freiheit und die äußere Sicherheit einstehen.“
Strobls Aufritt war im Vorfeld umstritten. Der stellvertretende Ministerpräsident steht wegen einer Polizei-Affäre seit Wochen unter Beschuss. Die Polizei war im Übrigen auch zu seiner Sicherheit mit größerem Aufgebot vor Ort. Es blieb alles ruhig.
Geschossen wurden an diesem Donnerstag nur Fotos. Stolz knipsten die aus ganz Deutschland angereisten Gäste ihre Angehörigen in der schicken Ausgeh-Uniform.