Das neue Infektionsschutzgesetz diskriminiert Menschen mit Behinderung. Zu diesem Schluss kommen die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten und die Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften aus Karlsruhe. Deswegen haben deren Geschäftsführer an diesem Mittwoch gemeinsam Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Weil Menschen in sogenannten Eingliederungshilfen seit 1. Oktober nun wieder in vielen Bereichen permanent eine FFP2-Maske tragen müssen, sehen auch viele andere Träger von Behinderteneinrichtungen deutschlandweit ihre Klientel benachteiligt.
„Wir leben zusammen wie eine Familie. Und Familien müssen in ihrem Zuhause auch keine Maske tragen“, schreibt zum Beispiel ein Bruchsaler Bewohner an die Bundesregierung. Er muss, sobald er sein privates Zimmer verlässt und sich in einem Gemeinschaftsraum aufhält, Maske tragen. 16 Stunden am Tag mit FFP2-Maske können da zusammenkommen.
Einrichtungen aus Karlsruhe, Bretten und Bruchsal sprechen von Benachteiligung und Diskriminierung
„Dies stellt im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen und Arbeitsstätten eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung dar, die im eklatanten Widerspruch zum gesetzlich verbrieften Recht auf gleichberechtigte Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung steht“, teilt der Hagsfelder Werkstätten-Hauptgeschäftsführer Michael Auen mit.
Vor diesem Hintergrund könne man die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes nicht guten Gewissens umsetzen und habe zudem einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt.
„Diese Regelungen sind unwürdig und diskriminierend, weil sie auf die Behinderung abstellen“, erklärt Markus Liebendörfer, Vorstand der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten.
Die Vulnerabilität eines Menschen mit geistiger Behinderung sei nicht grundsätzlich größer als bei anderen Menschen. „Die Belange von Menschen mit Beeinträchtigung werden mit Füßen getreten“, findet auch Bernd Gärtner von der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten im BNN-Interview. Der Bühler Lebenshilfe-Geschäftsführer Markus Tolksdorf nannte das Gesetz gar „menschenverachtend“.
FFP2-Maskenpflicht: Mehrere 100.000 Menschen sind deutschlandweit betroffen
Etwa 800 Menschen gehen alleine im Raum Bruchsal einer Beschäftigung in Werkstätten nach, 220 Menschen leben in Wohngruppen und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter sind angestellt. Sie trifft die neue, verschärfte Maskenpflicht ebenfalls. Deutschlandweit sind von der neuen Regel mehrere 100.000 Menschen mit und ohne Behinderung betroffen, die in Einrichtungen arbeiten oder leben.
Gegenüber den BNN hatte die grüne Bundestagsabgeordnete aus Pforzheim und ehemalige Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner bereits eingeräumt, dass es beim Infektionsschutzgesetz eine schwierige Abwägung zwischen Teilhabe auf der einen und Schutz von vulnerablen Gruppen auf der anderen Seite gab. Sie wolle sich aber dafür einsetzen, dass hier nachgebessert wird.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt gegenüber den BNN den Eingang der Beschwerde und des Eilantrags. Ob oder wie schnell es zu einer Entscheidung in der Sache kommt, konnte ein Sprecher noch nicht prognostizieren.