Da hilft kein Locken und kein Bitten. Was der Esel nicht will, bekommt die junge Betreuerin nicht hin. Das Tier mit der Startnummer 71 bleibt stocksteif vor dem Wasserfeld stehen, das da auf der Anlage des Reit- und Fahrvereins in Forst ausgebreitet ist.
Der Wallach ist keine Ausnahme beim Hindernisturnier der Esel- und Mulifreunde am Samstagvormittag. „Esel sind absolute Wüstentiere“, erläutert Barbara Feldmann. Die 67-Jährige aus Hünxe in Nordrhein-Westfalen tröstet mit der Erläuterung auch die elfjährige Emma.
Das Mädchen hat ihre Premiere auf dem Parcours gemeinsam mit Zwergesel Robert schon hinter sich. „Den Wassergraben hat er nicht gemacht.“
Einem Abgang mit Applaus steht das aber nicht im Wege. Mancher der Esel verliert schon Punkte, wenn es gilt, einen Transportanhänger zu betreten.
Esel Gustl schlägt Bewertung auf den Magen
Außerdem ist all die Leistung, die Perfektion, um die es normalerweise auf der Anlage geht, nicht gefragt beim Treffen der Interessengemeinschaft für Esel- und Mulifreunde in Deutschland (IGEM). Die rund 70 Esel und ein Muli beschnuppern sich freundlich. Ihre Besitzer sind Teil einer großen Familie, keine Konkurrenten.
Esel sind absolute Wüstentiere.Barbara Feldmann, Eselbesitzerin
Stress gibt es dennoch, wie „der Gustl“ auf der anderen Hälfte der Anlage zeigt. Wo Artgenossen Eseläpfel fallen lassen, zeigt der Zehnjährige nervöse Verdauung.
Dabei geht es um nichts bei der Wallach- sowie später der Stuten- und der Hengst-Bewertung. „Sie dient der Information für die Tierhalter, beispielsweise über die Nutzbarkeit der Esel“, erläutert Susanne von Münchhausen.
Die drei Juroren beeindruckt Gustls nervöser Magen wenig. „Was macht er denn beruflich?“, will eine davon wissen. „Das macht sie immer“, sagt von Münchhausen fürs Publikum ins Mikrofon und schiebt dann auch noch die Antwort des jugendlichen Besitzers nach: „Eselwanderungen“.
Die Frau mit der sanften Stimme und dem großen Fachwissen fungiert als Moderatorin bei dem zweitägigen Treffen unter Freunden. Beim Deutschen Zuchtverband für Esel (DZE) ist die Agraringenieurin die Zuchtmeisterin.
Ein Esel stirbt in der Nacht auf Samstag an Kolik
Tief ins vereinsgetragene Esel- und Muli-Leben ist auch Kathrin Dickgießer-Weiß verwoben. Für die 38-jährige Sprecherin der Regionalgruppe Südwest in der IGEM hat das Treffen in Forst annähernd Jubiläumscharakter.
Vor gut 30 Jahren hat ihr Vater Wolfgang Dickgießer zum ersten Mal beim Reit- und Fahrverein angeklopft wegen einer Zusammenkunft der Eselfreunde auf der Anlage. Es klappt.
Kathrin Dickgießer-Weiß kommt ihren vielen Organisationsaufgaben an diesem Wochenende dennoch etwas traurig nach. Der älteste der vier Esel, mit denen sie und ihre drei Kinder am Mittwoch die sieben Kilometer von Bruchsal nach Forst gewandert sind, ist in der Nacht auf Samstag gestorben. „Eine Kolik.“
Der Esel war schon 1992 dabei, als auch die damals achtjährige Kathrin ihren ersten Auftritt hatte. Das Treffen in Forst ist alle drei Jahre.
Junge Eselfreundinnen wie Martha Klausmann aus Oberndorf-Beffendorf bei Rottweil lassen der Trauer nicht viel Raum. Sie sorgen für Umtrieb. Noch bevor von Münchhausen zum ersten Mal ihre Stimme erhebt und wissen lässt, dass es jetzt losgeht, es aber keine Eröffnung gibt, steht sie auf dem Rücken von Shir Del.
„Ich kann auch Handstand“, lässt die Elfjährige wissen und erläutert „man muss den Mut aufbauen, es auf dem Eselsrücken zu machen“.
Höhepunkt mit gelenkigem Nachwuchs
Ihre 14-jährige Schwester Lotte Klausmann sowie die Freundinnen, Ida Roth aus dem gleichen Ort und Lotta Wiesler aus Münstertal bei Freiburg, setzen dem noch etwas drauf. Die 16-jährige Ida Roth kann sogar den Schulterstand – sie präsentiert sich mit dem Esel Schulter auf Schulter, wenn es wie am Sonntagnachmittag gilt, ein Schauprogramm zu präsentieren.
Die Kür mit dem gelenkigen Nachwuchs ist so etwas wie der Höhepunkt des Treffens. Zur Eröffnung am Sonntagmorgen gehört ein Gottesdienst in der Sankt-Barbara-Kirche sowie ein Umzug mit allen Teilnehmern zum Reitplatz.
Großes Zuschauerinteresse
Für Forst bieten die Esel- und Mulifreunde alle drei Jahre eine willkommene Abwechslung. Das zeigt das Zuschauerinteresse am Samstagsprogramm ebenso wie die Unterstützung durch die GroKaGe Bruchsal bei der Bewirtung.
Aus Sicht des Reit- und Fahrvereins steht das Thekenteam allerdings für eine alarmierende Entwicklung. Früher, als die Gastspiele der Eselfreunde auf der damals wegen der Größe ausgewählten Anlagen begannen, haben die Mitglieder noch selbst ausgeschenkt und damit etwas für die Vereinskasse erwirtschaftet.
„Jetzt wird es zunehmend schwieriger, Turniere mit eigenen Kräften auszurichten“, sagt Sprecher Thomas Bruno.