
In den 1960er und 1970er Jahren war bei jungen Menschen der Wunsch nach abenteuerlich geprägten Reisen besonders groß. Mit kleinem Budget und dem mit Zelt und Schlafsack bepackten Fahrrad wurden ferne Ziele angesteuert.
Der heute 70-jährige Bauingenieur Werner Mohr aus Forst erinnert sich lebhaft an eine mehrtägige Tour mit seinem ein Jahr jüngeren Freund Reinhard Niederbühl an den Lago Maggiore in Italien. 52 Jahre danach, am 1. und 2. August 2023, haben sie die spektakuläre Radtour über den St. Gotthardpass von Andermatt nach Airolo wiederholt.
Wir schliefen auf einer Bank und hatten eine saukalte Nacht erlebt.Werner Mohr
Bauingenieur
Die erste Italienfahrt der beiden damals 18- und 17-jährigen Teenager begann am 31. Juli 1971 frühmorgens in Forst auf ihren Turmberg-Rädern mit Dreigang-Schaltung. Nach über 200 Kilometern wurde der Schluchsee im Hochschwarzwald als erstes Etappenziel erreicht. Danach ging es über Schaffhausen, Winterthur und Flüelen weiter zum Vierwaldstätter See.
Übernachtet wurde auch dort am Seeufer, wobei anlässlich des Schweizer Nationalfeiertags am 1. August beim Dorffest ausgiebig gefeiert wurde. „Wir schliefen auf einer Bank und hatten eine saukalte Nacht erlebt“, sagt Werner Mohr.
Am dritten Tag ging es weiter zum St. Gotthardpass. In Altdorf fragten die beiden Pedalritter eine ältere Frau nach dem Weg. Sie nahm ihnen zugleich die Unsicherheit, ob sie den steilen Anstieg mit dem Fahrrad auch schaffen würden. „Buwe, fahrt über den Pass, ihr werdet das ein Leben lang nicht mehr vergessen“, sagte die Frau und sollte recht behalten.
Vor einem halben Jahrhundert gab es noch keinen Autobahntunnel

Vor knapp einem Monat wiederholten Werner Mohr mit dem E-Bike und Reinhard Niederbühl mit seinem Mountainbike diese Pass-Überquerung. Ein halbes Jahrhundert zuvor war die Fahrt über den St. Gotthard das deutlich größere Abenteuer. Damals gab es noch keinen Autobahntunnel, so dass der komplette Verkehr über den Pass erfolgte und oft für lange Staus sorgte.
Mitunter konnten die Autoschlangen rechts überholt werden. Dabei wurden sie für ihre Anstrengungen von einem Cabrio-Fahrer mit einem Zehn-Mark-Schein belohnt.
„Das war bei einem Monatslohn als Bauzeichner von 450 Mark viel Geld“, bestätigt Mohr. Die letzten zwölf Kilometer bis zur Passhöhe mussten sie damals schiebend zurücklegen.
Übernachtung in Franziskanerkloster
Abwärts ging es über die zwölf Kilometer lange Tremola mit ihren 24 Kehren und dem holprigen Kopfsteinpflaster bis nach Airolo. „Reinhard hatte die Idee in einem Franziskanerkloster nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu fragen, was uns gewährt wurde“, erinnert sich Werner Mohr und ergänzt: „Bei unserem Besuch in diesem Jahr haben wir die damals kostenfreie Übernachtung nachträglich bezahlt“.
Weitere Quartiere fanden sie unterwegs in einem Heuschober und auf Bauernhöfen. Bei der Rückfahrt sparten sie sich die Überquerung des St. Gotthards, fuhren mit der Bahn von Domodossola nach Kandersteg und weiter mit dem Rad über Bern, Freiburg sowie dem elsässischen Wissembourg zurück nach Forst.