„Aus dem Land der Finsternis dringt meine Stimme zu Ihnen.“ Wie würde die Glasharmonika-Virtuosin Marianne Kirchgeßner, geboren 1769 in Bruchsal, zum Publikum der Badischen Landesbühne (BLB) sprechen?
Wie würde sie ihren Weg aus der barocken Kleinstadt in die großen Konzertsäle der Welt schildern, ihre Begegnung mit Mozart, der zwei Werke für sie komponierte?
Wie würde die junge Frau, die mit vier Jahren infolge einer Pockenerkrankung erblindet war und jeden Ton als Laut und zugleich als Farbe wahrnahm, ihren musikalischen Werdegang schildern? Die BLB gedachte Marianne Kirchgeßner nun in ihrer Reihe „Café Europa“ und brachte dem Publikum im Exil Theater Bruchsal „Ein Leben für die Musik“ nahe.
Nur eine blonde Locke ist erhalten
Von Marianne Kirchgeßner ist kein Bild überliefert, kein Notenmaterial. Lediglich eine blonde Locke, aufbewahrt in Schaffhausen, wo sie 1808 mit nur 39 Jahren nach einem Kutschenunfall verstarb. Die Biografie, die ihr Impresario und Verleger ankündigte, ist nie erschienen.
Daher war es für Fränzi Spengler, die an der BLB die künstlerische Leitung der Matinee übernommen und zusammen mit Christine Bossert die Texte zusammengestellt hatte, nicht ganz einfach, einen Eindruck von Kirchgeßners Leben und Wirken zu vermitteln.
Das „Café Europa“ griff dazu auf Äußerungen von Zeitgenossen sowie auf belletristische Texte wie den Roman „Die englischen Schwestern“ von Wolfgang Schlüter zurück.
Zwei Schauspielerinnen wechseln sich in der Rolle ab
Die Schauspielerinnen Hannah Ostermeier und Magdalena Suckow schlüpften nicht nur abwechselnd in die Rolle der Virtuosin, sondern versetzten sich auch mit sichtlichem Spaß in jene Zeit, in der die Gesellschaft genaue Vorstellungen davon hatte, welche Musikinstrumente sich für Frauen schickten und welche nicht. Die heute weitgehend vergessene Glasharmonika galt als schicklich – wenngleich die Wirkung ihrer überirdisch anmutenden Klänge, das „Zittern in der Luft“, höchst umstritten war.
Manche Psychiater setzten die Glasharmonika zur therapeutischen Hypnose ein, andere befürchteten, dass sie Gehirnschäden verursache, und ließen sie gar polizeilich verbieten. Heute ist das Instrument mit den verschieden großen Glasglocken, die zum Rotieren gebracht und mit angefeuchteten Fingern an den äußersten Rändern berührt werden, extrem selten geworden.
Hannah Ostermeier und Magdalena Suckow nutzten stattdessen eine Glasharfe aus mit Wasser gefüllten Trinkgläsern.